Johannes Dölsch aus Feldkirch,



Prof. in Wittenberg.
  <>Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte in ihren Anfängen. Inaugural-Dissertation der  <>hohen philosophischen Fakultät
der königlichen Universität Greifswald zur Erlangung der philosophischen Doktorwürde vorgelegt  <>und mit den beigefügte Thesen
am Montag, den 11 Juli 1898, vormittags ½11 Uhr  <>öffenttlich verteidigt
Friedrich Kropatscheck aus Wismar.
<>Opponenten: Herr Dr. phil. Franz Geppert <>Herr Dr. phil. Ernst Vowinckel.  Greifswald.

Druck von Julius Abel.
<>1898.
Inhalt.

1. Einleitendes. 1

2. Dölsch; Toltz; Barth. u. Joh. Bernhardi; J. u. P. Dolscius 2

3. Dölschens Leben 14

4. Seine Schriften 46

5. Seine Stellung im Messestreit 59

6. Schlusswort 85

Anhang: Dölschens Separatgutachten über die Messe vom 13.

Dezember 1521 88.
 
 
 

Meinen Lieben Eltern

dankbar zugeeignet.
 

Johannes Dölsch aus Feldkirch in Vorarlberg, auch ein-

fach Doctor Feldkirch genannt, tritt zweimal in den

ersten Jahren der lutherischen Reformation hervor. Als

Eck im Jahre 1520 mit seiner Bulle aus Rom kam und

ausser Luther auch noch eine Reihe von Anhängern Luthers

mit dem Bann gestraft wurden, gehörte auch Dölsch zu

ihnen. Er war damals Professor der Theologie und Stifts-

herr in Wittenberg, hatte Luther in einer Schutzschrift ver-

teidigt, und Eck muss ihn wohl für bedentend genug ge-

halten haben, um gegen ihn vorzugehen. Von den Witten-

berger Professoren ward nur noch Carlstadt diese Ehre zu

teil. Später spielte er eine Rolle in den Wittenberger Un-

ruhen, die die Abschaffung der Messe begleiteten. Er wider-

setzte sich Luthers Vorgehen, so dass dieser, mit ihm zer-

fallen, seinen Tod (l523) für ein Gottesgericht erklärte.

Durch seine Bedenklichkeit hatte er sich den Zorn seines

grossen Freundes zugezogen. Das Interesse, das Dölsch für die

Nachwelt hat, beruht also auf seiner Stellung in der nächsten

Umgebung Luthers. Durch Luther wird das Leben des be-

scheidenen Zeitgenossen der Reformation, von dem die

Quellen nur lückenhafte Nachrichten überliefern, in einen

grösseren Rahmen gestellt und für die genauere Erkenntnis

des Werkes des Reformators selbst bedeutungsvoll. Denn

nicht nur die Vertiefung in Luthers Gedankenwelt fördert

unser Verständnis für seine Grösse, sondern auch die Be-

schäftigung mit den Menschen, die ihn umgaben, die sich von

ihm hinreissen liessen, alle ihre Kräfte in den Dienst der

Reformation zu stellen, und die dann doch zum Teil, wie

Dölsch in seinen letzten Jahren, an der Grösse der Sache

Luthers scheiterten. (2)

Dazu kommt noch ein zweites, mehr äusseres Interesse.

Man pflegt Dölsch bei den beiden Gelegenheiten, der Bann-

geschichte Luthers und im Messestreit zu erwähnen. Aber

seit alter Zeit umstrickt seine Person ein dichtes Gewebe

von Verwechselungen1). Das erklärt sich daraus dass zu

gleicher Zeit sich in Wittenberg zwei Landsleute von ihm

befanden, die wie Dölsch, einfach Feldkirch genannt wurden,

und dass ferner die sehr mannigfalte Schreibung des Namens

Dölsch (oft Döltzk, Dolz, Dolitz u. s. w.) Irrtümer veran-

lasste. Somit müssen wir, ehe wir uns dem Leben Döl-

schens zuwenden, ein Kapitel einfügen, das nur die Auf-

gabe hat, die Tradition über ihn kritisch zu sichten. Den

Faden der Erzählung nehmen wir im dritten Abschnitt

wieder auf.
 

II.

In jüngster Zeit ist Joh. Dölsch bereits ein kurzer Auf-

satz gewidmet worden, an einer Stelle, wo man ihn nicht

suchen wird. In der Allgemeinen Deutschen Biographie,

Band XXXVIII s. v. Toltz hat D. Paul Tschackert die

wichtigsten Daten seines Lebens zusammengestellt, und eine

Reihe von Schriften von ihm angeführt nach den ,,Unschul-

digen Nachrichten" von 1724. 2)

Auf diese Schiftenreihe wollen wir zuerst eingehen, sie

um einige Nummern ergänzend.

Es finden sich in der Kgl. Bibliotliek in Berlin folgende

Schriften unter dem Namen Dölsch oder Toltz:

1. CONTRA DOCTRI// nalem quorundam Magistro// rum (3)
 

1) Sie verwirren bis in die neueste Zeit die biographischen An-

gaben über Dölsch und seine Doppelgänger. Unter dieser Unsicherheit

haben dann auch so monumentale Werke, wie unsere Lutherbiographien,

zu leiden (vgl. die Register bei Köstlin und Koldde unter Dolzig bezw

Bernhardi).

2) ,,Fortgesetzte Sammlung von alten und neuen theologischen

Sachen" [Forts. der Unschuld. Nachr.] Jahrgang 1724. S. 1073 f.
 

nostrorum damnati// onem, Louaniensis &// Coloniensis studii//

Johannis Do// elschii// Velt// kirchensis,// e sacris literis pe//

tita DEFENSIO, pro// Christianissimo praecep// tore suo

Martino Luthero. Vvitenbergae, [1520]
 

2. Der heyligen schrifft// Art, Weise und gebrauch.//

Tropi Bibliaci. Johann. Toltz// Gedruckt zu Wittemberg

1526.
 

3. Eyn Sermonn// von der vilfeltigen frucht des ge-

storbnen weytzkorn// len Math. l6. Marci. 8.// Lu// ce. 9.

vnd Johan. 12. Johan. Toltz. // 1526. (Am Schluss: Ge-

druckt zu Leypssgk durch Michel Blum).
 

4. Eyn kurtzer und fast// nutzbarlicher beschei// dener

Sermon uber// das Christliche lobge// sang Ein kindeleyn

so// lobiglich ist vns gebo// ren hewte etc. Johannes Toltz.

// 1526. (Am Schluss: Gedruckt zu Leypsick durch Michel

Blum).
 

5. Derselbe Titel. -- unten : recusus hic sermo Arnstadii

1724. accur I.C.Q 1) Am Schluss des Nachdrucks Notizen

über unsern Dölsch, der für den Verf. angesehen wird.
 

6. Von den zweyen sch// western Martha vnd// Maria

Luc. 10. Das Euâ// gelium welchs mann// am fest der himel-

fart// Marie lieset.// Johannes Toltz 1526. (Schluss:

Leipzig Michel Blum.)
 

7. Eyn kurtz// handbuchlyn// fur iunge Christen souiel//

yhn zu// wissen von nöten.// Joha. Toltz. Wittenberg// 1526.
 

8. Eyn kurtz hand// buchlyn// fur iunge Christen souil//

yhn zu wissen von nöten.// Johann. Toltz.// Wittenb.

1526. (Schluss : Gedrückt zu Wittemberg durch Jorg Rhaw.

An. etc. 1526.)
 

9. Wanher vnsere ge// zeyt, auffrur und merck// lich

grosse vnlust ent// sprungen, gründtlicher// beschied aus der

heyli// gen schriefft, auch eylff// artickel sambt dem be// schlus

gestellett, durch// Joannem Töltzen. 1526. (4)
 

1) Joh. Christoph Oleanus, wie ans den Unschuld. Nachr.

1724 S. 1069 f. zu ersehen.
 

l0. Von dem Os// terlemlen und// Testament Jheu

Christi// aus dem tzwölfften Capittel// des andern buchs//

Mosi.// Joha. Tholtz 1526.

Ferner fand ich an andern Stellen noch erwähnt, ohne

die Drucke selbst gesehen zu haben:
 

11. Tractätlein von rechtschaffener Andacht zu den

theuren Leiden Christi, it. wie ferne man sich inn Gottes

ewige Versehung bekümmern soll. Johann Töltz. Zwickau

1527.
 

12. Von heyliger göttlicher gschrifft weyse zu reden der

Ander teyl allen Christen furnehmlich vngeübten Pastorn

und Predicanten fast nützlich vnnd gantz gut. Johann Dul-

cius. Anno MDXXVIII. Wittenberg.
 

13. Expositio quae sit vera causa seditionum nostri

seculi. (vgl. no. 9.)1)

Vielleicht liesse sich das Verzeichnis noch um die eine

oder andere Schrift vermehren, aber bereits hier lässt sich

eine radikale Sichtung vornehmen.

Es muss auffallen, dass fast alle Drucke nach Dölschens

Tod, der sicher in das Jahr 1523 fällt, herausgekommen

sind. Das wäre an sich ja möglich, warum sollten sie nicht

aus seinem Nachlass gedruckt sein? Aber bedenklicher

wird man wieder dadurch, dass fast alle zeitgenössischen

Drucke nach seinem Tode den Namen Toltz (Tolz, Töltz)

auf dem Titel tragen, statt der auch urkundlich bezeugten

Schreibart Dölsch (Döltzk, Dölz n. ä.). Die Identität der

beiden Namen müsste doch erst bewiesen werden, ehe man

zu der Annahme von Nachlassdrucken seine Zuflucht nimmt. (5)
 

1) No. 11-13 bei Schöber, Zweyter Beytrag zur Liederhistorie

(1760) S. 24. No. 13 auch in den Unschuld. Nachr. 1724. S. 1074.

- Von No. 1-10 finden sich öfter einzelne in den alten Verzeichnissen

citiert. So Carl Christ. Hirsch Librorum ab anno I usque ad

ann. L. sec. XVI. Typis exscriptorum etc. Millenarius 1. (Nürnbg.

1746), IV, 527, 556; v. d. Hardt Autographa Lutheri III, 63 u. a. m.
 

Es lässt sich aber auch direkt der Beweis führen, dass

Dölsch und Toltz nicht identisch sind.

Die unter No. 7 aufgeführte Schrift (Ein kurtz Hand-

buchkin) enthält folgendes Vorwort Bugenhagens:

"Dis Buchleyn ist hie her gesand zu drucken, darumb

nach gesetz disser Vniversitet, Erst vberantwort dem wir-

digen Herrn Magistro Hermanno Tulichio Rectori, der

hat mir befolen, das ich fleyssig richten solte ob hirynne

auch etwas were widder die heyligen Schrift, Darzu ob es

auch nutze zu drucken, das hab ich noch geburlichem ge-

horsam, gerne gethan, Vnd sage, das ich nach meynem vor-

stande, anders nicht weys denn das dis Buchlyn, Götlich

und nutze sey. Es ist von vnser muntze, Das ist, wie wir

pflegen zu leren vnd schreyben. Datum Wittemberg.

M.D. xxv. Am dritten Montage ym Advent."

Daraus geht hervor: 1. Dass der Verf. ausserhalb Witten-

bergs wohnte, 2. dass er kein Mitghed der Fakultät war,

3. dass er im Jahre 1525 wahrscheinlich noch lebte, denn

es ist doch wohl anzunehmen, dass er es selbst zur Prüfung

eingesandt hat.

Man hat also nach einem Manne zn suchen, bei dem

diese Forderungen zutreffen wurden, die alle Dölschens

Autorschaft ausschliessen. Vielleicht ist Johannes Toltz,

Pfarrer in Planen und Reichenbach, (T 1573) Verfasser aller

dieser Erbauungsschriften.1) Zum Teil haben sie mannig-

fache litterarische Schicksale erlebt, und weil sie einmal mit

unserm Dölsch fälschlich in Verbindung gebracht sind, sei

einiges über sie hier eingefügt.

Die Tropi bibliaci (No. 2) sind von Bartholomäus

Westhemerus ins lateinische übersetzt und vermehrt heraus-

gegeben worden 2) unter dem Titel : Tropi insigniores V. et (6)
 

1) Er wird u. a. erwähnt: Burkhardt, Luthers Briefwechsel,

S. 10.

2) Unschuldige Nachrichten 1716. S. 25 f. und 1726. S. 236-38.
 

N. Testamenti summa cura per Bartholom. Westhemer.

collecti; erste der fünf Ausgaben: Basel 1527 in 80. Die

Tropi sind eine kleine biblische Realconcordanz, in der man

unter Stichworten biblisch-theologische Erkläungen nach-

schlagen kann. Der »Ander Teyl« (No. 12) ist 1528 ge-

druckt. Der Verf. nennt sich hier Dulcius.1)

Die Schrift »Ein kurz Handbüchlein für junge Christen«

(No. 7. 8) ist besprochen in der ,,Fortgesetzten Sammlung

von Alten und Neuen Theolog. Sachen" 1726. S.238-40,

und im Jahrgang 1781. S. 701. Hier erhalten die Ausfüh-

rungen die theologisdie Censur: "Sie sind alle gut gemeynet,

aber nicht alle wohl getroffen, wie denn bey der Beschreibung

des Sakraments und der Gottes Gerechtigkeit mancherlei zu

erinnern wäre." Dagegen finden sie einen warmen Vertei-

diger in G. Langemacks »catechetischen Historie«2) Er

widmet diesem Schriftchen den ganzen § 2. des zwölften

Kapitel, und nennt es »die erste deutsche katechetische

Schrift., so von einem lutherischen Lehrer herausgekommen."

Über die Berechtigung dieses Namens liesse sich wohl

streiten. Den Inhalt bilden Definitionen dogmatisciler Be-

grife: Gesetz, Evangelium, Glaube, Sacrament, Taufe, Messe

u. s. w. Langemack und die Unschuldigen Nachrichten

(1724 S. 1073) berichten auch von einer niedersächsischen

Übersetzung, die in demselben Jahre erschien, ohne nähere

Angaben. Was Langemack sonst litterarhistotisches bei-

bringt, im Toltz ud Dölsch zu identificieren, ist durch-

weg irrig.

Ein paar Worte müssen wir auch der »Predigt über

den Lobgesang: ein Kindelein« u. s. w. (No. 4) widmen.

Der Arnstädter Nachdruck v. J. 1724 (No. 5) brachte die (7)
 

1) Gewöhnlich Joh. Dolscius. Vgl. Allg. Dtsche Biogr. V, 821 f.

unter Paul Dolscius, dem Sohne unsers Autors.

2) Histor. Catecheticae, oder Gesammelter Nachrichten zu Einer

catechetischen Historie anderer Theil, hersg. v. D. Gregorio Lange-

mack, Greifswald u. Stralsund 1733, S. 457 ff.
 

Untersuchungen über Dölsch wieder in Fluss, und vewirrte

sie dabei gründlich, bis Riederers scharfsinnige Unter-

suchungen wieder einen kritischen Standpunkt eroberten.

»Wie ich vermute, die älteste ud erste gedruckte Lieder-

predigt", sagt Olearius in seinem Schlusswort zum Nach-

druck. Als solche wurde sie damals bekannt ud viel be-

handelt. Da Olearius in dem Verfassernamen Dölsch zu

entdecken glaubte, so kam dieser im vorigen Jahrhundert

eine Zeit lang zu dem Rulm des ersten Liederpredigers ud

sogar eines evangelischen Liederdichters, denn andere com-

binierten noch über Olearius hinaus. Die oben erwähnte

Gesamtanzeige von Toltzschriften behandelt diesen Nachdruck

(1724) S. 1069-74. Sie ist im wesentlichen nur ein Abdruck

des Nachwortes von Olearius. Toltz und Dölsch werden

identificiert. Im Jahre 1759 sprach dann D. G. Schöber1)

die Vermutung aus, dass eine Briefstelle Luthers, in der er

Spalatin um Fürsorge zu Liederbeiträgen bittet, ebenfalls

auf Dölsch zu beziehen sei. »Eben daram wollt ich auch

Johann Doltzen bitten, der auch gar reich und zierlich

an Worten ist", wird sie bei Schöber (S. 28 m. Anm.)

citiert.2) Dölsch soll dieser Liederdichter gewesen sein;

Da Dölsch aber 1524, als der Brief geschrieben wurde,

schon gestorben war, fällt die Hypothese von Dichtungen

Dölschens in sich zusammen. Trotz J. B. Riederers

kritischen Einwendugen3) hat Schöber in seinem ,,zweyten (8)
 

1) D. G. Schöber, Beytrag zur Lieder-Historie betr. die evangel.

Gesangbücher, welche bei Lebzeiten Lutheri zum Druck befordert

worden. Leipzig 1759, S. 28

2) Gemeint ist der Brief: Enders IV, 178; de Wette II, 290.

Luther denkt an Johann vou Dolzig.

3) Zuerst in: Abhandlung von Einführung des teutschen Gesangs

in die evangelisch-lutherische Kirche überhaupts und in die nürnber-

gische besonders. Nürnberg 1759, S. 100f.
 

Beytrag1) alle Hypothesen mit steifen Behauptungen aufrecht

erhalten.

Damit können wir wohl die litterarische Hinterlassenschaft

Toltzens endgültig von dem Namen Dölschens trennen und

das Schriftenverzeichnis in Tschackerts Artikel in soviel

Nummern vermindern.2)

Zweifellos lässt sich nur die Schrift gegen die Löwener

und Kölner (No. 1) für Dölsch in Anspruch nehmen, von

der später zu handeln ist. Dagegen gehört eine noch nicht

genante Verteidigungsschrift für Luther gegen den Augustiner

Alveld einem anderen Verfasser an. Enders hält (Luthers

Briefwechsel II, 399) diese beiden Schriften für Werke

eines Verfassers. Dies lässt sich jedoch nicht aufrecht

erhalten. Der Verfasser der zweiten ist vielmehr ein

Johannes Bernhardi aus Feldkirch, mit dem eine

Verwechselung allerdings sehr nahe liegt, da als Autor

dieser Schrift immer nur ein Johannes Feldkirch (mit Weg-

lassung des Vaternamens) genannt wird.

Das Schriftchen gegen Alveld ist abgedruckt in der

Wittenberger Lutherausgabe, opp. lat. II, 203b ff. (hier

fälschlich in das Jahr 1521 gesetzt) und Corpus Reforma-

torum I, 165 ff. Es tragt den Titel: Confutatio inepti et

impii libelli F. Augustini Alveld. Franciscani Lipsici pro

D. M. Luthero. Viteb. 1520, 40. Eine ausführliche Be-

sprechung und Inhaltsangabe steht in den "Neuen Beiträgen

von Altem und Neuem« [Forts. der Unschuld. Nach] v. J.

1758, S. 207 ff.

Die Schift erschien in folgendem Zusammenhang. Auf

Alvelds Super apostolica sede etc. declaratio, die Anfang

Mai 1520 in Wittenberg eintraf (Luther, 5. Mai. Enders II, (9)
 

1) Schöbers zweiter Beitrag zur Liederhistorie. Leipzig 1760.

S. 21 ff, Mit einigen dürftigen Lebensnachrichten über Dölsch.

2) Erwäht sei noch, dass Seckendorf, Histor. Lutheran. im

Suppl. XXI. fälschlich die Predigt über Luc 10. (No 6.) Dölsch zuteilt

und dort ihren Inhalt recapituliert. Dies ist wohl die früheste

Verwechselung mit Toltz.
 

397), antwortete zuerst der junge Augustinermönch Joh.

Lonicerus mit der Schrift: Contra Romanistam fratrem

Augustinum Alvelden., Franciscanum Lipsicum, Canonis

biblici publicum lictorem [lectorem] tortorem ejusdem. Noch

in demselben Mai schrieb Johannes Feldkirch seine

confutatio. Luther hatte in den Briefe vom 5. Mai es

abgelehnt, auf solche elende Schrift zu antworten: exiit

tandem frater Augustinus Alveldensis cum sua offa, verum

ineptior est, quam ut horas perdam ei respondendo1) . .

Respondebitur ei ab aliis et fratrem famulum meum exercebo

ut in hunc stolidum bovum (cf. Anm. 8 bet Enders) poëticetur

et rhetoricetur." (Enders II, 397). Der Famulus ist

Lonicerus, und bei den alii hat man an Feldkirch zu denken.

Schliesslich grif ja Luther selbst noch zur Feder, als er

die Wirkung des Alveldschen Angriffs doch grösser fand,

als er sich gedacht (Brief von 17. Mai an Spalatin), und

Alveld ihn durch eine deutsche Streitschrift fast gleichen

Inhalts neu reizte. Luther antwortete nun mit der Gegen-

schrift: Von den Papsttum zu Rom wider den hochberühmten

Romanisten zu Leipzig.2)
 

Die Schrift Feldkirchs erlebte noch einige Nachspiele.

Der Mönch Johann Fritzhans, der nachher evangelisch

geworden ist, trat für Alveld ein und schrieb noch im

Juni 1520 (Weim. Luth. Aug. VI, 283. Enders II, 398.

Anm. 8): Epistola exhortatoria fratris Johannis Fritze-

hans ad fratrem Angustinun Alveldianum Franciscanum (10)
 

1) Feldkirch nimmt die dem Sinne nach wohl auch mündlich

weitergegebene Lutherwort auf und schmückt seine Einleitung damit;

s. Corp. Ref I 168.

2) Vgl. Luthers Werke. Weim. Ausg. VI, 977 ff; Walch XVIII;

73 (Einleitg.); Enders II, 397 ff; Corp. Ref. 1, 165 fff; Seckendorf

1. § 70 Add. II.
 

ne terreatur et conturbetur confutatione fratris Joannis

Veltkirchen, quia seipsa indigna, cum sit contumeliosa.1)

Auch kündigt Luther einmal eine Schrift Ochsenfurts

gegen Feldkirchen an (Enders II, 406; 31. Mai). Doch ist

nichts bekannt, ob sie je erschienen ist.2)

Die Frage ist nun, welcher Feldkirch die Streitschrift

geschrieben hat. Denn dass Bretschneider die Confutatio

mit Unrecht als ein heimliches Werk Melanchthons ins

Corp. Ref. gesetzt hat, darf als sicher angesehen werden

(vgl. Förstemanns Anm. Corp. Ref. 1, 166 Anm. 3). Es

gab zur Zeit drei Gelehrte dieses Namens in Wittenberg, die in

Betracht kommen könnten, zwei von ihnen mit dem Namen

Johannes: Johannes Dölsch und zwei Brüder mit dem Vater-

namen Bernhardi, Bartholomäus und Johannes. Melanchthon

bezeichnet den Autor in einem Brief an Schwebel als seinen

Schüler: Edidit quidaan ex meis libellum Apologeticum sed

breviorem TOU DEONTOS (Corp. Ref. 1, 191); spätter noch

deutlicher am 8. Juni an Joh. Ressus: Mitto Apologiam,

qua Franciscano Monacho responsum est a Feldkirchio meo,

fratre Bartholomaei Cameracensis Parochi." Der

Kemberger Pfarrer war Bartholomäus Bernhardi. Es bleibt

also keine Wahl, als Johannes Bernhardi für den Verfasser

anzusehen. Johannes Dölsch war damals übrigens schon

längst Licentiat und Melanchthons Kollege, niemals sein

Schüler. Seckendorf hat in seinen Scholien (Suppl. XXI.)

die Confutatio Dölsch zugeschrieben, und bis auf Förstemann

sind ihn leider alle hierin gefolgt. Auch Enders II, 399

ist hiernach zu corrigieren, und III. 129, sowie IV, 187,

Anm. 6 ist Dolsch zu streichen. (11)

1) Vgl. W. L Tentzel, Histor. Bericht vom Anfang u. Fortgang

der Ref. Luthers, mitgeteilt v. E. S. Cyprian. Leipzig 1715: II, 159

bis 160. (Urkundenband).

2) Tentzel II, 160. Gemeint ist Hieronymus Dungersheim aus

Ochsenfurt, Prof. in Leipzig.
 

In Kürze seien hier einige biographische Notizen über

diese drei Feldkirch mitgeteilt. Sie werden richtig unter-

schieden von Förstemann (Corp. Ref. 1, 166 Anm. 1) und

Enders (III, 129). Von Dölsch können wir vorläufig

absehen.

Bartholomäus Bernhardi ist nach seinem Biographen

Feustking1) geboren am 24. August 1487 in Feldkirch,

gestorben am 21. Juli 1551 in Kemberg (vgl. Enders 1, 58.

Anm. 3). Er ist zusammen mit Dölsch am 28. Mai 1504 in

Wittenberg immatrikuliert,2) wurde 1505 Bacca1aureus;3)

am 21. Februar 1508 Magister,4) und 1509 in den Artisten-

senat aufgenommen (Köstlin Bacc. 1, 28); 1512 wurde er

baccalaureus bilbicus (Liber decanorum ed. Foerstemann 1838

p. 14.); 1516 sententiarius (p. 19.);5) 1518 formatus (p. 22.).

Im Wintersemester 1512/13 war er philosophischer Dekan

(Köstlin 1, 13), im Winter 1518/19 Rector der Universität

(Album ac. p. 77.). Den Licentiatengrad scheint er nicht

erlangt zu haben, vielmehr wurde er schon 1518 Probst in

Kemberg bei Wittenberg. Drei Jahre später erregte seine

Heirat grosses Aufsehen, wenn es auch feststeht, dass er

nicht der erste verehelichte evangelische Pfarrer gewesen

ist. Spalatins Annalen enthalten eine Notiz über seine

Heirat,6) und durch Luthers Wartburgbriefe zieht sich die

Angelegenheit fortwährend. Bernhardi verteidigte seine (12)
 

1) Joh. Heinr. Feustking, das Leben des ersten verehelichten

Predigen Bart. Bernhardi von Feldkirchen in einer Gedächtnis-

Predigt am Tage Barthol. 1704 Wittenb. 1705.

2) Album Academiae Vitebergensis ed. C. E. Foerstemann

vol. I. Lipsiae 1841, p. 13.

3) Die Baccalaurei u. Magistri der Witltenberger Philosoph.

Fakultät, veröff. von Jul. Köstlin. (4 Osterprogramme der Univ.

Halle, 1887, 88, 90. 91). Heft 1, S.5.

4) Köstlin a.a.O. 1, 23. Späterer Zusatz: Praepositus Kem-

bergensis; instaurator conjugii sacerdotalis, mortuus anno 1551.

5) Dazu Luthers Thesen: Weim. Aug. 1, 142 ff.

6) Bei Mencken, Scriptores rerum Saxon. II. 607 f.
 
 
 

Eheschliessung in einer Supplik an den Kurfürsten (1521). 1)

Seine späteren schweren Lebensschicksale erzählt uns

Feutking in der angeführten Gedächtnispredigt. Dass er

mit Dölsch verwandt var, ist unwahrscheinlich. Scheurl,

der es wohl wissen musste, nennt ihn einfach seinen Lands-

mann (municeps). 2)
 

Johannes Berhardi aus Feldkirch, der Verfasser

der Schrift gegen Alveld war sein Bruder (Corp. Ref I,

191). Auch Feustking sagt (S. 48), es sei sein leiblicher

Bruder ,,und ein sehr geplagter und melancholischer Mensch

gewesen." In der scharfen, schlagfertigen Schrift gegen

Alveld tritt er uns als ein hoffnungsvoller Schüler der Re-

formatoren entgegen. Auch S e c k e n d o rf rühmt (Suppl.

XXI.) die elegantia libelli, den stilus minime vulgaris, exornatus

etiam Graecis flosculis etc. Er war schnell die Stufen der akade-

mischen Ehren hinangestiegen. Seine Immatrikulation findet sich

im Album nicht (drei Namensvettern Johannes Bernhard

oder Bernhardi aus andern Orten p. 36, 42, 65).3) Er wurde

Baccalaureus, als zweiter von 16 Commilitonen 1515 (Rand-

bemerkung: Huius extant tractatus pro Luthero, [offenbar (15)
 

1) cf. Feustking S. 50 f. Sie steht in Luthers opp. lat. Jenens.

II. 4406. Walch XV, 2363-2365; Corp. Ref. 1, 440 if.; vgl. noch

Kawerau, die Reformation u. die Ehe (Schriften des Vereins für

Ref. Gesch. No. 39) S. 15 ff. und Weim. Ausg. VIII, 314. (G. Kawerau).

Über Melanchthons Anteil an der Supplik s. Corp. Ref. 1, 166 nebst

Anm. 2.

2) Scheurls Briefbuch, heransggb. von Soden u. Knaake,

Potsdam 1867-72. Band 1, S. 136.

3) Auch in Frankfurt a. M. tritt i. J. 1525 ein Johannes Bernhardi

als Prediger auf, sehr reformatorisch gesinnt und vom Rat zum

Lehrer einer gesunden Lehre bestellt gegenüber den mannigfachen

Schwarmgeistereien in der Stadt. Seckendorf 1, § 139, Add. II, e;

vgl. zur Situation, die Luther zur Absendung Agricolas veranlasst

hatte, den Brief vom 30. Maj 1525 (Erl. Ausg. 53, 307), dazu Enders

V, 153 f.
 

seine Alveldschrift,] item physica Veleurionis. Köstlin

Bacc. I, 16.); im Jahre l519 Magister (Randbem. Velcurio.

D. Medic. Physic. Cycnaeus . Prof. Witeb. Kostlin II, 17),

am 23. Juni Mitglied der Artistenfakultät unter Dölschens

Decanat (Köstlin II, 24. Spätere Bem. Autor Physices).

Er war Rektor im Sommer 1530 (Alb. ac. p. 138.), Dekan

anscheinend niemals. Schon die Randbemerkungen erwähnen

seine Schriften, auch J ö c h e r s Gelehrtenlexicon neunt s. v.

Johannes seinen Kommentar in physic. Aristotelis. Er unter-

schreibt sich in einem Briefe aus Jena, wohin die Uni-

versität der Pest wegen geflohen war, am 13. August 1527

mit: ,,Johannes Bernhardus Velcurio (Feidkirch)." (Corp.

Ref. 1, 884.) An dem Beinamen Velcurio, den er allein

trägt, ist er am sichersten zu unterscheiden. Aber man

geht nicht fehl, wenn man die meisten Stellen, wo ein Feld-

kirch in den Jahren nach 1523 in Wittenberger Universitäts-

kreisen genannt wird, auf ihn bezieht 1).
 

Endlich sind noch einige Träger des Namens D ö 1 s ch

u. a. nachzutragen. G. Kawerau hat ein Exemplar von

Luthers themata de votis benutzt (Weim. Ausg. VIII, 319),

das von Luthers Hand die Widmung trägt: ,,V p Joh Dols

[ Dors ? 2] Seniori." Ist Dols zu lesen (venerabili patri

Johanni Dols ?), so trifft wohl Th. Koldes Vermutung zu3), (14)
 

1) Z B. im Briefe Eoban Hesses an Melanchthon, 1. Juli 1533

(Virorum clar. saec. XVI et XVII, epist. sel. ed. Ern. Weber. Lips.

Teubner. 1594. S. 24 mit falscher Anm.); oder 1529 Marcellus

Regius an Eob. Hesse (Helii Eob. Hessi poetae excell. et Amicor.

ipsius Epist. familiarium libri XII. Marpurgi 1543 p. 251) ; ferner 1532

Christoph Sangner an Stephan Roth Feldkirchs Quintilianvor-

lesung (Buchwald , zur wittenberger Stadt- und Universitätsgesch.

1593, S. 102 mit falscher Anm.) u. a. m. - Corp. Ref. 1. 201, 777 f.,

884 ist Johannes Bernhardi gemeint; Bartholomäus 1, 79 f. 1, 462 ist

zweifelhaft.

2) Ein Angustinermönch Frater Joh. Dors aus Nürnberg; Köstlin,

Bacc. 1, 8. Alb. acad. 1, 19.

3) Götting. Gelehrte Anzeigen, 1591, S. 887.
 

dass dieser Dölsch senior, der sicherlich unser Domherr

ist, damit unterschieden werden soll von einem Caspar Dolsch

de Veltkirchen Curien. dioc., immatrikuliert am 28. Sept.

1520 (Alb. acad. p. 97). Vielleicht ist dies ein jungerer

Bruder oder Verwandter. Sonst ist von ihm nichts be-

kannt

Ein Paulus Dolscius, Rektor in Halle, nicht Pfarrer

in Plauen, wie man gewöhnlich liest, hat 1558 die Augs-

burgische Konfession ins Griechische übersetzt1); und völlig

verkehrt ist es, wenn Löscher die Übersetzung für ein

Werk unseres Dölsch ausgiebt2). Sie ist eine ziemlich freie

Übertragung der deutschen Ausgabe von 1540 und wurde

1575 nach Konstantinopel geschickt3). Paul Dolscius ist

der Sohn eine Pastors Johann Dolscius in Plauen und

Reichenbach, den man wohi mit dem Plauer und Reichen-

bacher Johann Toltz (Dulscius, s. o.) . identificieren darf4).
 
 
 

III.

Unsere kritische Sichtung der Tradition über Dölsch

ist damit beendigt, und wir können uns den Nachrichten

über sein Leben zuwenden. (15)
 

1) Der Titel der zweitan Ausgabe lantet: (græsk tekst) i-L6np; tq; opp.

86>. stmm;~ to-ut-; xpwuuvtnt ~ Kupay

t.v Ta-., uhoxpåtopi, am'tn~ av go. zu,- 1'.pv6py tq;

~ "as'. 'ul bb tq; ~ £ ~ ~ Iaet.ypmhts 6.6

'[Såba toU LoXango, jflgj~~ fl~ låst 120.

2) V. E. Löscher, Reformationsacta u. Documenta. Leipzig

1740 Bd 1 S 560.

3) Ghr. A. Saligs vollständige Historie der Augsburgischen

Konfession. Halle 1730. Bd. I, s. 721ff. Doch ist nicht alles richtig,

was Salig von der Übersetzung sagt.

4) Vgl Eckstein in der Allg. Dtsch. Biogr., Band V; 321 f.

(Paul Dolscius); Corp. Ref IX,914, 991,935, XIX, 497,98 Melanchthons

Mitarbeit an der Übersetzung, die bestritten wird), -Über den kur-

sächsischen Marschall Johann von Dölzig, der mit Dölsch nichts zu

thun hat, vg. Flathe in der Allgem. Dtsch. Biogr. V, 322.
 

Sein Geburtsjahr lässt sich nicht mehr ermitteln. Die

Kirchenbücher in Feldkirch reichen nicht so weit zurück,

und ein Grabstein von ihm ist in Wittenberg nach den ge-

drückten Sammlungen1) nicht vorhanden. Da er aber mit

seinem Landmann Bartholomäus Bernhardi (geb. 1487)

ziemlich zu gleicher Zeit, nur wenig früher die Universität

bezogen und die akademischen Würden erlangt hat, so kann

man vermuten, dass auch er gegen die Mitte der achtziger

Jahre geboren ist, es müsste denn sein, dass er sehr spät

sich zum Studium entschlossen hätte. Seine Heimat ist das

Städtchen Feldkirch in Vorarlberg, dicht an der Schweizer

Grenze, jetzt Sitz einer Jesuitenschule, damals aber den

reformatorischen Ideen in hohem Maasse zugethan. Nach-

dem die drei Freunde Dölsch, Bartholomäus Berhardi und

Christoph Metzler 1504 zuerst die Reise nach dem neuge-

gründeten Wittenberg unternommen, strömten die Feldkircher

in auffallender Menge nach, erwarben sich auch gerne hier einen

akademischen Grad, besonders in den späteren Jahren, als

Luthers Stern aufgegangen war. Ein Blick in die Liste

der Baccalaurei und Magistri bestätigt dies 2). Luthers

Schriften und Predigten drangen dadurch schnell in diese

Gegenden, und im Jahre l523 konnte Eck in seiner Denk-

schrift znr Unterdrückung der Reformation 3) schreiben: Cur

in toto comitatu Tirolis patitur publice venundari libros

ludderanos et alios libellos famosos? . . Cur patitur ple-

banum et cooptatores in Rotenburg comitatus sui Hohen-

berch predicare Ludderana et seducere populum? Cur pa- (16)
 

1) Bailhasar Mentzius, Syntagma epitaphiorurn, Witten. 1614.

A. Sennert, Athenae itemque Inscriptiones Vvitebergenses 1655.

2) Baccalaurei u. Magistri finden sich bei Köstlin, Heft 1, 4,

5, 7, 9, 10, 11, 12, 15, 16, 21 23, 26, 27. Heft II, 5, 8, 9, 10, 14

u. s. w., öfter mehrere auf einer Seite.

3) Dr. Joh. Ecks Denkschriften zur deutschen Kirchenreformation

1523. Aus vatikanischen Handschriften von W. Friedensburg. (Th.

Koldes Beiträge zur Bay. Kirchengeschichte II, 159 ff.)
 

tiatur in Riedlingen, in Feltkirchio et aliis oppidis? (S.

185 f). Auch die Not des Bauernaufstandes blieb der Stadt

nicht erspart. Markgraf Casimir schreibt seinem Bruder

Albrecht von Preussen am 1. April 1527, dass auch in diesem

Jahr wieder trotz des üblen Ausganges im vorigen sich die

Bauern zusammenrotteten "in der Schweiz, dem Hegau und

und Feldkirch."1)

Die erste Spur von Johannes Dölsch findet sich 1502

in der Heidelberger Matrikel.2) Hier ist er mit zwei andern

Feldkirchern immatrikullert als:

Johannes Piliatoris de Feltkirchen nona Decembris

WolfgannusThischer Curiensis dioc.

Vtalricus Scriptoris

Dölsch ist als sein Vatername anzusehen, und wie mir

Herr Stadtpfarrer Bell in Feldkirch mitteilte, war dies ein

häufiger Familienname in Feldkirch, der 1654 zum lezten

Male auftritt. Dann hatte man den Genetiv Piliatoris auf

den Stand des Vaters zu beziehen, wie Scriptoris Sohn des

Schreibers heissen kann. Piliator ist zwar kein rein latei-

nisches Wort, aber doch als Mützenmacher, Hutmacher er-

klärbar (von pileum; pileatus ein Mann mit der Mütze; da-

von pileator). Wir hören, dass sein Vater arm gewesen,

und dass seine Eltern ihn gern wieder in Feldkirch gesehen

hätten, um eine Stütze an ihm zu haben.

Die drei Studenten, zu denen sich ein Vierteljahr später

noch zwei Landsleut gesellteen, waren in Heidelberg seit

längerer Zeit die ersten Studenten aus Feldkirch, und erst

30 Jahre später taucht dort wieder ein Sohn Feldkirchs auf.

Was sie dorthin getrieben, ist schwer zu sagen. Die

Blütezeit des Humanismus war für die Universität längst (17)
 

1) Joh. Janssen, deutsche Geschichte, 15. Aufl. Band II, S. 587.

2) Die Matrikel der Universität Heidelberg, bearbeitet und

herausgegeben von Gustav Töpke. Heidelberg 1884. Band I S. 445.

- Diese Notiz über Dölsch zum ersten Male bei G. Bauch (Neues

Archiv für sächs. Geschichte XVIII, 313t).
 

vorbei, wo Johann von Dalberg eine ungewöhnlich grosse

Zahl humanistischer Grössen, wenn auch nur für kurze Zeit,

an die Universitat fesselte. In den ersten Jahren des 16.

Jahrhunderts war sie wieder von der Höhe herabgesunken,

und man sehnte sich sehr nach einem frischeren Luftzug.

In Heidelberg blieb Dölsch vom Dezember 1502 bis

zum Ende des Wintersemesters 1503/4. Im Somner 1504

zog er mit Bartholomäus Bernhardi und Christoph

Metzler nach Wittenberg. Hier sind alle drei im Sommer

(23. Mai) immatrikulirt (Album Acad. I, 13.), Dölsch wieder

als "Johannes piliatoris d' feltkirchen". Von fremder Hand

ist beigeschrieben "Dölsch alias." Die Verhältnisse an der

jungen, frisch aufblühenden Universitat sind ja genügend

bekannt, und wir können schnell darüber hinweggehen.

Im Herbst wurde er Baccalaureus, in angaria sanctae

crucis (= 18. Sept 1504). Sein Name steht, als 36.

unter 40, hier wieder als "Johannes Piliatoris de Felt-

kirch«; Randbem. : »alias Joannes Doelsth." (Köstlin,

Bacc. 1, 4)1)

Anderthalb Jahr später, am 10. Februar 1506, wurde

er unter dem Dekanat des Sebastian Küchenmeister Ma-

gister artium als zweiter unter elf: Johannes Piliatoris

de Felkerch (!). Randbemerk. : alias Johannes Dölsth

nominatus (Köstlin 1, 23).

Im nächsten Jahre finden wir ihn wieder in Feldkirch,

als neugeweihten Priester. Der katholischen Sitte gemäss

hat er in der Pfarrkirche seiner Heimatsstadt seine

Primiz. Die Zeit lässt sich indirekt ziemlich genau be-

stimmen. Christoph Scheurl, der Nürnberger Jurist, eine

Zeit lang auch Professor in Wittenberg, erinnert in einem (18)
 

1) Im Ausschreiben von 1501 waren auf der 1502 zu gründenden

Universität für drei Jahre gebührenfreie Promotionen versprochen

worden, um die Auziehungskraft zu erhöhen (Grohmann, Annalen

der Universität Wittenberg. (Meissen 1801) I, S. 5).
 

späteren Briefe Dölsch an diese Zeit. Er hat selbst

Dölschens Primiz beigewohnt, als er, von Italien kommend,

Feldkirch berührte, Dölsch hier kennen lernte und ein paar

Tage mit ihm verlebte. Er schreibt davon am 31. Oktober

1517: "Bone Deus, qua charitate quibus officiis anno

abhinc octavo ex Lacio redeuntem ad portam Feltkirchiam

excepisti, tractasti atque etiam abeuntem deduxisti! O

montes caelum tangentes, qui me tantillum remorarunt vel

potius inviderunt adesse tibi primum offerenti deo patri

unigenitum suum." 1) Acht Jahre rückwärtsgerechnet,

würde die Jahreszahl 1509 ergeben. Diese muss aber not-

wendig in 1507 verbessert werden (also anno abhinc decimo

statt octavo zu lesen). Am 23. Dezember 1506 war Scheurl

noch in Bologna (Briefbuch I. 42 f), am 8. April traf er in

Wittenberg ein nach einem Aufenhalt in seiner Vaterstadt

Nürnberg. 2) Wir können die Primiz des jungen Witten-

berger Magisters also ziemlich sicher in das erste Viertel

des Jahres 1507 setzen.

Mit Scheurl blieb er seitdem in Freundschaft verbunden,

die durch ihr gemeinsames Wirken in Wittenberg gefestigt

wurde, aber schliesslich das Schicksal aller Freundschaften

des recht oberflächlichen Allerweltsfreundes teilte. Trotz-

dem sind uns Scheurls Briefe an ihn eine willkommene

Quelle für alle späteren Daten seines Lebens. Dölschens

Briefe an Scheurl scheinen verloren gegangen zu sein, 3) (19)
 

1) Christoph Scheurls Briefbuch, herausggb. V. Soden u.

Knaake, II. Band (Potsdam l872), S. 30. Dieselbe Anspielung auf

seine Gastfreundschaft damals: S. 85.

2) Franz v. Soden, Beiträge zur Geschichte der Reformation

und der Sitten jener Zeit mit bes. Hinblick auf Christoph Scheurl

den Zweiten. (Nürnberg 1855.) S. 10.

3) Ein Nachsuchen im Scheurl'schen Familienarchiv (Nürnberg,

German. Museum) verlief trotz der Bemühungen des Herrn Dr.

Schmidt resultatlos. Doch konnte ich einige noch ungedruckte

Briefe Scheurls an Dölsch benutzen, die allerdings wenig Ausbeute

lieferten.
 

und das ist sehr zu bedauern, denn seine Briefe sind nach

den Andeutungen in den entsprechenden Antworten wohl

gehaltvoller gewesen, wie die superlativischen Höflichkeits-

formeln, mit denen Scheurl sie erwidert.

Dölsch kam danach nach Wittenberg zurück, um sich

hier der akademischen Laufbahn zu widmen. Aus den

ersten Jahren hören wir nichts von ihm. Nur im September

1507 erwähnt Scheurl einen Dienst, den er ihm bei der

Universität leisten würde. Er wolle seinen Einfluss für ihn

geltend machen. 1) Jedenfalls aber steht fest, dass Dölsch

1509 als Mitglied in die Artistenfakultät der Wittenberger

Universität aufgenommen worden ist (Köstlin. Bacc. I 28:

Joannes Dölth (!) de Feltkirch zusammen mit Amsdorf,

Beskau, Barthol. Bernhardi, Carlstadt und anderen neuen

Docenten.

Die weiteren Stufen erstieg er in folgenden Zwischen-

räumen:

Am 24. Mai 1509 wurde er unter Staupitzens Decanat

baccalaureus biblicus (Liber decanorum ed. Förstemann

p. 5. : Die iouis proximo post exaudi magister iohannes

feltkirchen admissus est ad bibliam. Dies ist bekanntlich

der unterste theologische Grad.

Am 28. Mai 1511 erhielt er als sententiarius das

Recht, über die beiden ersten Bücher der Sentenzen des

Lombarden zu lesen (Lib. dec. p. 10. : In vigilia assumpti-

onis Respondit magister Johannes de feltkirchen canonicus

ecclesie omnium sanctorum ad sententias Theologicas

et admissus est die altera). In die Zwischenzeit fällt also

seine Wahl zum Stiftherrn von Allerheiligen. Wir kommen

darauf noch zurück.
 

1) In G. Bauchs Regesten: "Zu Chr. Scheurls Briefbuch."

Neue Mitteilungen aus dem Gebiete histor.-antquar. Forschungen.

Band XIX. Heft 3. Hier Brief No. 31b; im Cod. (des Scheurlarchivs)

306, fol. 360a.
 

Am 27. August 1512 wurde er formatus (= ad lec-

turam libri III. et IV. Sententiarum Lombardi admissus).

Das Dekanatsbuch enthält von Carlstadt, dem Dekan, fol-

gende ausführliche Bemerkung: Venerandus vir dominus

Joannes Doelsch de Velkirgen arcium liberali: magister acu-

tissimus ecclesie collegiate omnium sanctorum exempte in

Wittembergk canonicus, in vigilia S. Augustini huius alme

vniversitatis peculiaris patroni, pro formatura optime re-

spondit: atque ipso die e uestigio post eruditam responsionem

facultate concedente , est formatus in baccalaureum sacre

theologie (Lib. dec. p. 12).

Zwischen der Formatur und der Licentiatenpromotion

lag bei ihm ein Zeitraum von über fünf Jahren, der nur

unterbrochen wird von einer charakteristischen Episode, in

welche uns einige Akten des Weimarer Archivs einen Ein-

blick gewähren.1) Wenigstens in den äusseren Verlauf der

Verhaudlungen; denn was seine Heimatsstadt bewogen hat,

ihm im Jahre 1514 die Feldkircher Pfarrstelle anzubieten,

was man von dem Wittenberger Magister erwartete,

dem Luther soeben, wie wir noch sehen werden, die ersten

Zweifel an seinem scholastischen Lehrgebäude eingeflösst

hatte, das ist uns unbekannt. Vor dem Schriftenwechsel

mit seinen Landsleuten lässt sich eine Reise Dölschens nach

dem Suden bis Nürnberg nachweisen;2) ob sie zu der Be-

rufungssache in irgend welchen Beziehungen stand, lässt sich

höchstens vermuten.

Erhalten sind über die Berufung zuerst ein Brief des

,,Grafen Barbierer" aus Feldkirch an den Kurfürsten, an (21)
 

1) Ernestinisches Gesamt-Archiv. Reg. K. K. pag. 155. NT 73

34. Neue Signatur No. 1371.

2) s. den späteren Brief Scheurls an Trutvetter aus Nürnberg,

19. Okt. 1514, im Briefbuch (1, 134). Ob auch Dölschens Dankes-

brief für die erwiesene Gastfreundschaft, den Scheurl am 24. Nov.

1515 in dem Briefe Cod. 306 fol. 318b beantwortet, auf die vorjährige

Reise geht, diese bezeugend?
 

St. Bartholomäus Abend 1514 (= Sonnabend, den 24. August):

Mag. Hanns Tolsch, Priester zu Veldkyrch, sei mit der

,,pfruend vnd Lectur" zu Wittenberg vom Kurfürsten begabt

worden. ,,Wan er aber zw Veldkyrch Erporn, die Liebe

vund Natur seins Vatter Lands" ihn dahinzögen , er ferner

vom Rat in Feldkirch eine Pfründe erhalten habe; es auch

seines Vaters und seiner Verwandten Wille sei; endlich um

seiner Gesundheit und Verlängerung seines Lebens willen,

bäte man hier um die Erlanbnis zu seiner Übersiedelung

nach Feldkirch. Der Kurfürst möge in dieselbe einwilligen,

und Dölschens Stelle an Mag. Bartholomäus [Bernhardi]

geben, der ein züchtiger und gelehrter Herr sei.

Diesen Bittbrief sandte Dölsch als Einlage an den Kur-

fürsten zugleich mit seiner endgültigen Ablehnung der Be-

rufung. Im Schreiben rühmt er dankbar Amtmann und Rat

seiner Vaterstadt, die sich allezeit väterlicli gegen seine

armen Eltern und seine Person benommen und ihn schon

mannigfach unterstützt hätten. Jetzt, wo er ,,zu geordneten

zceiten schrifft Baccalaur worden", wollte der Rat ihn ,,in

diesem Jhare auff montag vor Johannis Baptiste (= 17. Juni)

mit eynem geistlichen genuglichen Lehn Jherlichs eynkommens

auf Lxx ader Lxxx gulden geacht" nach Feldkirch berufen;

,,wellichs Ich alszo auff guten Bedacht angenommen", haupt-

sächlich im Gedanken an seine Eltern, um sie durch tägliche

Handreichung zu erfreuen. Man hat ihn aber an der Uni-

versität dringend gebeten, seine angefangenen Studien der

heiligen Schrift nicht anfzugeben und mit einer Pfründe zu

vertauschen. ,,Szo hab ich mich aus Rat obgemeldter meyner

Herrn der Universität des Lehns zu Veltkirchen begeben

und das selbige mit gebürlicher Danksagung gelassen vnd

abgetreten". Unterz. : Johannes Dolsch, magister artium,

allerheiligen Stifftkirchen zu Wittemberg Thumherre.

Scheurl schreibt an ihn deswegen am 11. November 1514:

Recte fecisti et consilium tuum laudo, quod beneficio te do-

mestico abdicasti et academicum retines, ubi dei cultus pro (22)

gemmis et bonae litterae pro auro habentur, ubi virtus in

pretio est atque laudatur: offeret tibi deus conditionem pro

dignitate tua et amplitudine honoratissimam (Briefbuch 1,

135; vgl. II, 30.).1)

Aus seinem Verhalten in dieser Sache tritt uns bereits

seine Bedenklichkeit, sein schwankendes Zweifeln in Fällen,

wo er sich entscheiden soll, ziemlich anschaulich entgegen.

Dass die Gründe, die er in dem Briefe an den Kurfürsten

für die anfängliche Annahme der Berufung angeführt hat,

noch durch einen recht wesentlichen hätten ergänzt werden

können, zeigt uns sein Benehmen in den nächsten Jahren.

Dölsch war nämlich wieder irre geworden an seiner Be-

fähigung zum theologischen Lehrer und ohne das Zureden

der Freunde hätte er die Stiftsstelle wohl gern mit einer

Pfarrstelle vertauscht. Zwar docierte er nach dieser

Episode ruhig weiter, verwaltete sogar im Wintersemester

1516/l7 das Rectorat (Alb. acad. p. 63) 2), aber seine

Licentiatenpromotion, zu der er längst hätte schreiten

müssen, verzögerte sich von einem Jahr zum andern. Die

Freunde trieben ihn nnablässig an. Scheurl schreibt am

30. September 1517: ,,Renunciatum est nobis te cum quo-

dam alio (?) torpescere otio, ac si constituissetis non

progredi sed subsistere potius, et quidem pro jure nostrae

amicitiae dolui consilium pestilens, haud ignarus tam praeclaro

ingenio te donaum, ut inde plures celebres reddi possent." (23)
 

1) Worauf sich der Brief Scheurls an den Stiftsprobst Henning

Göde vom 5. Sept. 1514 bezieht (Bauchs Regesten S. 445. Cod. K. fol.

184b), vermag ich nicht zu sagen. Scheurl empfiehlt hier Dölsch auf

dessen Wunsch für eine Stellung an der Universität.

2) Die Amtszeit lief in Wittenberg vom Lukastag (18. Okt.) wo

die Universität gestiftet war, bis zum Tage Philippi und Jacobi

(1. Mai). Wie Dölschens Aufzeichnungen im Album zeigen, war

sein Wintersemester reich an Widrigkeiten. Der Pfalzgraf vom Rhein

und gut 200 Studenten verliessen Wittenberg wegen der Pestgefahr,

und einige Excesse unter den Studenten erregten die Stadt. (Alb.

ac. p. 63. unten.).
 

(Briefb. II, 25 f.). Offenbar hat man diese Stelle nicht auf

seinen Charakter und seine Thätigkeit im allgemeinen zu

beziehen, sondern auf sein ungebühlich langes Zaudern vor

der Erlangung des Licentiatengrades. Man sieht an seiner

Befähigung lag es nicht; wir lasen schon Carlstadts Urteil

über seine vorzügliche Disputation bei der Formatura; (in

dem angezogenen Brief lobt auch Scheurl die ihm über-

sandten Disputationsthesen ausserordentlich). Aber der

Entschluss wurde ihm schwer. Im nächsten Brief vom 31.

October 1517 ist die Angelegenheit nur um gute Vorsätze

weiter gerückt. Scleurl freut sich, dass wenigsten Döl-

schens ernstlicher Plan ihm gemeldet ist, auch die Doctor-

promotion schnell in Angriff zu nehmen; er schmeichelt sich,

dass sein Rat dabei nicht unbeteiligt gewesen und ermahnt

ihn weiter: ..quid sibi vult istaec quae dicitur licentia? ...

pro jure mutui nostri amoris te rogo obsecro, moneo, obtes-

tor, doctoreas infulas cogita" (Briefb. II 30 f.). Er möge

doch das Zweifeln lassen: .,satis superque eruditus es, sat

scio". Ein neues Leben begänne fü'r ihn in der theologi-

schen Fakultät. wenn ein conducticius für ihn die Künste

läse, und er Zeit zu theologischen Arbeiten hätte.1)

Endlich am 9. März 1518, wurde er Licentiat. Das

Dekanatsbuch berichtet darüber: "Quinta die Marcij vene-

rabilis vir dominus Joannes (adscriptus est nomen doelsch)

Veltkirgen, arcium et sacrosancte theologie baccalaureus

formatus Ecclesie Omnium sanctorum ekempte Canonicus du-

calis pro licentia respondit sibi presidente Petro Lupino

etc. argumentatique fuerunt In eadem disputatione ante et (24)
 

1) Leider fehlen, nebenbei bemerkt, allzusehr die Anhaltspunkte,

um diese gedruckten und die ungedruckten Briefe Scheurls mit

allen Anspielungen auf vertraute Dinge zu verstehen. Erwäht sei

hier z. B. ein Excurs, wo auf einen politischen Brief Dölschens an-

gespielt wird, in dem er utpote Caesareus sich lebhaft geäussert zu

haben scheint. Ohne den entsprecheden Brief von Dölsch versteht

man aber die Einzelheiten nur teilweise (Briefbuch, 31. Oct. 1517).
 

post prandinni ad minus decem et nouem eruditi viri eius-

dem facultatis non Ignorati. Omniumque vnanimi consensu

ad licentiam est admissus Ac die nona eiusdem mensis per

prefatum Petrum Lupinum In licentiatum promotus (Lib.

decan. p. 21).

Wieder bedurfte es einiges Drängens bis zur Doctor-

promotion. Schon im November 1518 schreibt Scheurl an

den Wittenberger Juristen Otto Beckmann, bei der Em-

pfehlung eines doctorandus (Johannes Frosch): ,,vellem illi

collegam nostrum Feltkirchium" (Briefbuch II, 57.). Frosch

promovierte auch am 21. November 1518 (Lib. decan. p. 22).

Dölschens Promotion aber fand erst am 23. Juli 1521

statt. (Lib. decan. p. 25: D. Joannes Dolicius Feldkirchius

custos edis omnium Sanctorum die 23. Julij fascibus doc-

toralibus est insignitus promotore Carolostadio). Im Sommer

1521 wird er auch als ordentliches Mitglied in die theolo-

gische Fakultät aufgenommen. (Lib. decan. p. 26: Egregius

D. Joannes Delicius Feltkirchius ecclesie ommium sanctorum

custos). Diese letzte Stufe der theologischen Würden hängt

mit seiner Erwählung zum custos der Stiftskirche zusammen,

mit der eine ordentliche theologische Lectur verknüpft war.

Im Winter darauf (1521/22) wurde er zum Dekan der

theologischen Fakultät erwählt (Lib. decan. p. 26 f.).

Philosophischer Dekan war er zweimal gewesen, im Winter

1511/12 als sententiarius (Köstlin, Bacc. 1, 12. 26. 29.),

und im Sommer 1520 als Licentiat (Köstlin II, 9. 24.) 1).

Er wurde also an der Universität, wie dieser Gesamt-

überblick zeigt, durchaus für voll angesehen, kein Titel und

kein Ehrenamt blieb ihm verschlossen. (25)
 

1) Dies zweite Dekanat fehlt bei Kolde, Gött. Gelehrte Anz.

1891. S. 887. - Die Zahlen bei Löscher, Ref. acta 1, 315 sind z.

T. unrichtig; am vollständigsten stehen die akademischen Daten bei

G. Bauch: Wittenberg und die Scholastik (Neues Archiv für sächs.

Gesch. und Altertumskunde XVIII (1897). S. 313 f.): Enders IV, 187

und Tschaekert im Eingangs citierten Artikel.
 

Wie die ganze Universität auf's engste mit dem Aller-

heiligenstift zusammenhing, so war auch die äussere Lage

Dölschens bedingt durch seine Stellung im Stift. Aus

seiner Domherrnstelle bezog er als Professor seine Präbende,

und wir müssen daher auf diese Verhältnisse etwas näher

eingehen.

Im Jahre 1507 hatte Papst Julius den glücklichen und

sparsamen Plan Friedrichs feierlich gebilligt, nach welchem Uni-

versitätsstellen mit den Parochien der Umgegend verbunden

werden sollten. Die Stellen am Stift waren zu dem Zwecke

bereits wesentlich vermehrt worden.1)

Für die Universität kommen hauptsächlich folgende

Stellen in Betracht: Der Stiftsprobst, der Dechant, der

Archidiakon, der Cantor, Custos, Scholaster und Syndikus,

wozu noch fünf kleinere Canonikate kamen. Zur Präpositur

gehörte die Probstei Kemberg mit ihrem Einkommen, zum

Archidiakonat Orlamünde, zur Cantoria Aysfeld, zur Custodia

Clöden, zur Scholastria Schlieben, zum Syndikat Schmiede-

berg, zu den übrigen Canonikaten kleinere Ortschaften,

Jessen, Liebenwerda u. a. 2) Probst, Dechant, Scholaster und

Syndikus bildeten die juristische Fakultät; der Archidiakon,

Cantor und Custos waren Theologen; und an fünf Canonikate

wurden die philosophischen Vorlesungen und die Übungen

der Artisten geknüpft. 3)

Als Magister artium und Canonikus -- zwischen 1509

und 1511 ist er es geworden -- las Dölsch über Philosophie,

bis er 1521 durch den Tod des Custos D. Petrus Lupinus (26)
 

1) s Jul. Köstlin, Friedrich der Weise und die Schlosskirche

zu Wittenberg. 1892. S. 15; vgl. ferner Th. Kolde, Friedr. d. Weise

und die Anfänge der Reformation. 1881. S. 13 ff. Grohmann,

Annalen der Universität Wittenberg. 1801 Andr. Sennert, Athenae

itemque Jnscriptiones Vvitebergenses. 1655.

2) Sennert, a. a. O. S.23.

3) Sodens Beiträge (s. o.) S. 18. Anm. 1. Ranke, Ref. Gesch

I 194.
 

In dessen Präbende rücken konnte und ein vollberechtigtes

Mitglied der theologischen Fakultät wurde. Petrus

Lupinus Rhademius (Wolff aus Radheim) war am 1 Mai

1521 gestorben, 1) in demselben Jahre, wo die Universität

eine ungewöhnlich grosse Zahl von Lehrern verlor: den

Stiftsprobst Henning Göde (+ 21. Jan. Enders III, 75.

Corp. Ref. I, 279); den Juristen Wolfgang Stählin (Enders

III 76); ferner im November 1520 den unverträglichen

Matthäus Adrianus (Enders II, 223, 511; III 87; Corp.

Ref. I, 359, 62 u. ö. endlich auch Carlstadt der im

Frühling 1521 nach Kopenhagen ging. 2) Am 7. Juni 1521

machte nun Melanchthon Spalatin den Vorschlag, mit der

Pfründe des Petrus Lupinus Johannes Crotus Rubeanus aus

Erfurt nach Wittenberg zu ziehen. 3) Doch schlug schon

wenige Tage später die Universität den einheimischen

Dölsch für diese Präbende vor. Das Schriftstück, in dem

der Kurfürst der Universität antwortet (15. Juni) ist uns im

Concept in Weimar erhalten: 4)

Wir haben euer schreiben, dorynnen ir uns ern

Johan Doltsch von Veldkirchen der heiligen schrift licen-

tiaten nach vormog unser ordinacion und bebstlicher bullen,

nach totlichem abgang doctoris Petri Lupini seligen zu der

custodia unnd prebend desselben vorstorben Lupini ernennen

tut, alles inhalts horen lesen unnd achten denselben Velt-

kirchen zu berurter custodia und prebend auch nit unge-

schickt, und weil wir mit hilf des almechtigen in kurz(em)

zu Wit(tenberg) zu sein verhoffn oder aber unsere treffentliche (27)
 

1) Luther an Melachthon, 26. Mai 1521. (Enders III 162)

Sein Grabstein bei Sennert S. 139; bei Mentzius a. a. O. 1, S. 65.

2) Jäger, Andreas Bodenstein vou Carlstadt. Stuttgart 1856.

S.170. --- Zeitschr. für Kirchengesch. XIII., 311 ff.

3) Corp. Ref. 1 393. Vgl. Max Lenz in der Marburger Luther-

festschrift (1883) S. 32. ff.

4) Ernest. Ges. Arch. Reg. O. pag. 91 A a a 18: neue Sign.

No. 177.
 

ret dohin zuverordnen, so wollet dem mitler zeit anstant

gebn, als dan sol euch diser und ander sachen halben unser

gemut eroffent werden" . . . (dat. Eilenburg, Sambstags

Sancti Viti, anno etc. XXI. an dy universitat zu Wit(tenberg).

Dass die Sache zu einem glücklichen Abschluss gedieh,

zeigt sein späterer Titel. Als Custos an einer Stiftskirche

lag ihm die Seelsorge an der Stiftspfarrei ob; ausserdem

hatte er für eine würdige Feier des Hauptgottesdienstes zu

sorgen und die Regie der Kirchenbedürfnisse zu führen.1)

Dazu kam die päpstliche Bestimmung des Wittenberger

Stiftsprivilegs für den Custos: singulis sextis feriis in sacra

scriptura publice disputare.2) Durch die allgemeine Pflicht

des Messelesens endlich, die eine gute Einnahmequelle

bedeutete, waren die Professoren, die Stiftsstellen inne

hatten, stets an ihren Zusammenhang mit den Kirchenämtern

erinnert. Scheurl beklagt in einem Briefe an Dölsch lebhaft

die geisttötenden Arbeiten, die die Stiftsherrn zu erfüllen

hätten, "quae asinariis potius conveniant, quam liberis, ac

si in stridore et ululatu perpetuo consistat divinus cultus"

(Briefb. II, 26). Hier dachte aber der lutherisch gesinnte

Dölsch anders, als der katholische Humanist, wie sich später

bei seiner Verteidigung der Messe zeigen wird. Er bedeutete

denn auch Scheurl in einem fehlenden Briefe, dass er das,

was das Capitel von ihm fordere (capitulares leges) durch-

aus nicht missbillige. Auch Schenrl meint nun, schwer seien

die geforderten Lasten ja nicht, beneficium dari propter

officium. Dieser Gedankenaustausch fällt noch in eine frühere

Zeit, als Dölsch einfacher Kanonikus war. (Briefb. II, 31). (28)
 

1) Art... Cu~tos I iii wetzer und ~Velte, Kirchenlexicon. 2. Aufi.

UL 12C~2 f.

-~ Gi

olimaun, ~(~Ten d. Univ. ~Vitt. 5. 110. ~ber die Frei-

tag.~disput~tiunen: Tu. Kolde. Zeit~cTir. fUr Kireli. Geseli. X{ 44S. -

~ die Stiftskirche zu (len <~kademise1ien Akten diente, hej Ko s tli 11,

Fnedr. d. ~V. 5. 1(3.
 

In diesen Rahmen seiner akademischen Laufbahn und

seines Stiftslebens wollen wir nun die spärlichen Nachrichten

von seiner Tätigkeit eingliedern. Zunächst sind es einige

über seine Vorlesungen. Im Wittenberger Lektionskatalog

von 1507, also noch vor seinem Kanonikat und seiner

Reception in die Fakultät, ist Mag. Joannes de Felkirchen

mit aufgeführt. Er steht unter der Rubrik: in philosophia

extra ordinarie, ohne Angabe von Vorlesungen.1) Wie

er selbst in seiner Streitschrift gegen die Löwener und

Kölner angiebt, hat er dann zwölf Jahre lang Physica

Aristoteles gelesen; 2) im Jahre 1517 nachweislich: "in phisica

naturali secundum viam Scoti". 3)

Aus dem Jahre, also seiner Licentiatenzeit, haben

wir ein Weimarer Aktenstück: "was man für Lektion in

artibus muss in alleweg haben". Es ist eine Denkschrift

Melanchthons für den Kurfürsten, seine Vorschläge für

zweckmässige Lektionen enthantend. 4) Da werden als

Docenten aufgezählt: Amsdorf für aristotelische Dialektik,

Hess für Ciceros Rhetorik u. s. w.; 5) Dölsch in folgender

Weise: "Aristoteles in philosophia vnd beuor de animalibus.

Veldkyrchen".

Das Lektionsverzeichnis in demselben Aktenbündel hat

die Rubrik "uff dem Stifft zu Wittenberg":

physicus artis lectionis Io. Veltkyrch. (29)
 

1) Strobel, Neue Beiträge zur Ltteratur, bes. des 16. Jahr-

hunderts (Nürnberg und Altdorf, 1792) Band III, Teil 2. S. 55 ff

Mag. Feldkirch auf S. 69.

2) Blatt Fijv. - Nach Sennert (a. a. O. p. 42f.) das sechste

der zehn philosophischen Ordinariate.

3) G. Bauch, Zu Luthers Briefwechsel, Zeitschr. f. Kirch. Gesch.

XVIII, 400 nach einem Weimarer Aktenstück. - Zur Vorlesung über

Physik vgl. Auch S. 398.

4) angedruckt bei K. Hartfelder, Melanchthons Paedagogica

(1892) S 76f.

5) vgl. auch K. Hartfelder, Phil. Melanchthon als Praeceptor

Germaniae. Berlin, 1889. S. 509.
 

Weil hier das Stift genannt ist, beziehen wir beide Stellen

auf Dölsch, und nicht auf Johann Bernhardi aus Feldkirch,

der 1520 in die philosophische Fakultät recipiert wurde und

für dies Fach, in dem er sich später auszeichnete, ebenfalls

in Betracht kommen könnte.

In derselben Denkschrift werden die Präbenden auf-

gezählt, die man zur Besoldung der "Artisten lektionen in

Aller heyligen kyrchen" zur Verfügung hat. Neben Amsdorf

u. a. steht auch: "Licentiaten Veltkyrchen prebend." 1)

Besonders lag Melanchthon 1521 eine neue, zweite

Professur für Mathematik am Herzen, 2) während bisher der

einzige Vertreter noch anderes zu lesen hatte: "Weil sie

(die Universität) dann selbst zum teyl angetzeigt, das man

eines guten und furtrefflichen mathematicus nicht kunt ent-

beren, wer itzo des licentiaten Feldkirchen prebend ledig,

demnach mochten sie ein geschickten mathematicum nomi-

nirn, das wurd seines C. G. auch gefallen". 3) Der Mathe-

matiker Volmar bekam dann die Präbende Dölschens,

nachdem dieser "zu der Custodia vnd in anhengigen Pre-

bend ist nominirt und presentirt worden".

Durch diese Verschiebung gewann man die Präbende

für den Mathematiker. So ist es auch in den Honorarbe-

rechnungen vom Jahre 1521 bemerkt: "Itzo geeth ab die

Besoldung der lection in Mathematica, die weil magister

Volmar auf des licentiaten Feltkirchen prebend nominirt

ist." 4) (30)
 

1) Die beiden letzten Notizen aus Weim. E. G.-A. Reg. O. pag.

124, ZZ. 6.

2) Corp. Ref. I 398. - Lenz in der Marburger Festschrift, S. 34.

3) Reg. O. pag. 124. ZZ 9.; einfache Sign. No. 319. In den

Spalatinischen Notizen zu des Rektors, Grafen Wolfgang von Stollberg-

Wernigerode, Bericht über die Universität (1521). Teilweiser Ab-

druck bei Hartfelder, Mel. Paedag. S. 81.

4) Weimar, a. a. O.
 

Von Dölschens theologischen Vorlesungen hören wir

durch Spalatins Annalen vom Jahre 1522 (bei Mencken,

II, 617): "Hoc anno Ph. Melanchthon Evangelium Johannis;

Joh. Pomeranus ut plerasque Pauli Epistolas et Psalterium,

ita Esaiam; Andreas Bodelsteinius Carlstadius Hieremi-

am; Joh. Dolschius Feltkirchius Lucam praelegerunt in

Acad. Witteb.; omnes frequentibus auditoriis". Und

aus dem Jahre 1523 sagt uns ein "Bedenken über den

Stand der Lectionen" (vom 19. März), dass genügend Vor-'

lesungen über Theologie vorhanden seien1). "Hr. Johann a

Pommern liest den Isaiam; der Franzoss (Franz Lambert

von Avignon) Minores Prophetas; Doctor Veltkirchen

Lucam; Doctor Carolstadt Zachariam; des probsts (Jonas)

lectio, der Paulum ad Romanos, - und Philippi (Mel.) lectio,

der Johannem gelesen seind itzo aus." In demselben Jahr

wird er in den Weimarer Akten auch schon als selig und

seine Präbende als erledigt bezeichnet. Diese Notizen 2)

können nur ein ganz ungenügendes Bild von Dölschens

akademischer Wirksamkeit geben, aber es ist ja bekannt,

wie wenig gedruckte Quellen für das Universitätsleben vor-

liegen, und dass zu einer Geschichte der Universität Witten-

berg nur Ansätze und Vorarbeiten vorhanden sind.

Da von Dölschens zauderndem, passivem Wesen schon

die Rede war, lässt sich hier am besten die Stelle aus einem

Pamphlet (1520) auf die Universität hersetzen, in dem man

ihn verspottet.3) Die Wittenberger Professoren sind einge-

teilt in "sectae philosophorum", Cyniker, Stoiker, Epikureer (31)
 

1) Reg. O. pag. 124. Z Z, 12 inf. Sign. No. 322.; abgedruckt in:

Justus Jonas Briefwechsel, herausg. v. G. Kawerau, (Geschichts-

quellen der Provinz Sachsen XVII, 1) S. 85. Anm. 2.

2) Ganz unwesentliche Nachrichten sind fortgelassen; Zeitschr.

f. Kirch. Gesch. XVIII, 51. (Teilnahme an einer anregend verlaufe-

nen juristischen Disputation): Burkhardt, Luthers Briefwechsel

S. 50 (Mitunterzeichnung eines akademischen Bittgesuchs) u. a. m.

3) Vollständig mitgeteilt von G. Bauch, Zeitschr. F. K.-G. XVIII,

411. f. (Vgl. Enders IV, 21).
 

U. s. w. Jede Secte hat ihren "Dekan", auf den sie Cha-

rakteristik passen soll. Unter der Überschrift Pythagorici

heisst es: "Homines sibi solis viuentes, muti, raro loquentes.

Melancolici sunt et Mathematici. Decanus iam olim Felt-

kirch. Sed tantum interim profecit, vt iam insignis sit

Cirenaicus. Albus monachus (?)." Er hat Fortschritte

gemacht, dass es zu den Cyrenaikern gehört, die so charak-

terisiert werden: "Crassi, von voluptarij, qui voluptatibus

indiscriminatim sine omni iudicio et electione fruuntur". Um-

sonst stichelt das Pamphlet sicher nicht auf seine Schweig-

samkeit. Das proficere kann auf sein Hervortreten im Jahre

1520 und auf seine gute Pfründe gedeutet werden.

Dölsch sah später mit Schmerz auf die Jahre zurück,

die er der scholastischen Lehrthätigkeit gewidmet hatte.

"Doleo certe, me annis plus quam XII his obscuratatibus, ac

tenebrarum officinis sophisticis dico calliditatibus/ steriliter

insudasse, saepeque non sine verborum fastu ac stomacho,

contra veritatem Christi meras nugas crepuisse". (doel01#6).

So bekennt er im Eingang seiner Schrift gegen die

Löwener und Kölner (1520). Und an spätere Stelle (Blatt

Fijv: "Egi iam Vvittenbergae supra quindecim annos

(1504-20), atque in iis amplius quam duodecim Physica

Aristotelis publice docui, non tantum in secta Thomae, sed

ex maxime parte in secta Scoti (s. o.). Ibi quicumque libri,

pro utriusque secta, vel conformanda, vel refutanda, ab acutis

philosophis ... prodierunt, eos michi coëmi. Ex quibus longo

usu cum didicissem, omnia diluere conarer, non in philosophicis

tantum studiis, sed etiam Theologicis; idque inter nostrae

Academiae homines ... omnium pertinacissime". Man liest dies

Bekenntnis eines akademischen Lehrers, der den Wechsel der

Zeiten lebhaft mitempfunden und dem neuen Geist mit Freuden

das Herz geöffnet, nicht ohne die Unmittelbarkeit des grossen

Erlebnisses herauszuhören, und da das Schriftschen nicht häufig (32)

ist, dürfen wir wohl noch einige Sätze daraus frei wiedergeben.

Da kan, heisst es weiter, als ich bei dem Narrenspiel der

dornigen Kunst fast als geworden war, zu uns, nicht ohne

göttliche Fügung, Martin Luther, zwar in denselben Pos-

sen erzogen, aber doch ihrer überdrüssig. Luther eröffnete

ihm die heilige Schrift (wir werden noch oft davon hören);

aber eine Zeit lang hat er zu Luthers Gegnern gehört, ihm

in theologico certamine mit Hand und Fuss widerstanden,

ut non primus, ita nec ultimus unter Luthers Gegnern. Im

Eingang der Schrift beruft er sich ausdrücklich auf den

Nutzen, den er aus dem theologischen Streit mit Luther ge-

zogen hat. Luther setzte es nun durch, dass die Doctoren,

primum unus et alter, deinde plures, sich von den scho-

lastischen Büchern zu den Kirchenvätern, von diesen zum

Bibel führen liessen. Für Luthers Rath, die Schrift zum

Massstab der Lehre zu machen und über alles zu schätzen,

seien andere durch die Beredsamkeit des Erasmus ge-

wonnen worden; er habe ihn ergriffen, omnium novissim

(tam obstinatus fui in inveterato studio) dei misericordia.

Tantae molis erat, veteratos ponere mores (Fiijv). Den

Erasmus nennt er nachher noch einmal (Bl. Fiiij; auch

B ijv.) als den vornehmsten Führer, um einzelne auf den

rechten Weg zu leiten. Genaueres über den Einfluss des Erasmus

lässt sich aus diesen Andeutungen nicht schliessen1). Luther

jedoch sei nächst Gott sein eigentlicher Helfer geworden. Fast

sechs Jahre habe Luther vergeblich an ihm gearbeitet, ut ingenue

verum dicam, vel propter meam hebetudinem, vel maligni-

tatem, vel, quod quidem magis credo, quod consuetas artes

desinere non potui. Aber er hat ihn schliesslich überzeugt,

und nun wird er zu ihm stehen im Kampfe gegen die

Menschensatzungen.

Über sein neugewonnenes Verhältnis zu Luther haben

wir auch ein Zeugnis von Luthers eigener Hand. In einem (33)
 

1) Seckendorf (Schol. XXI.) construiert sich hieraus (Beleg-

stellen führt er nicht an) ein Bild von Dölschens Entwicklung,

um seinen Abfall von Luther begreiflich zu machen.
 

Brief an seinen Lehrer Jodocus Trutvetter, der damals wieder

nach Erfurt zurückgegangen war, vom 9. Mai 1518 (Sonntag

vocem jucunditatis) zählt Luther die Stützen seiner Sache

auf: Scis ingenia eorum, qui apud nos sunt, puta Carlstadii,

Amsdorfii, D. Hieronymi, D. Wolfgangi, utriusque Feld-

kirchen [Dölsch n. Barth. Bernhardi], denique D. Petri

Lupini. At ii omnes constanter mecum sentiunt etc.

(Enders I, 188). Schon vorher hatte Scheurl seinen Freund

Dölsch ermuntert, er möge als Licentiat in der Theologie

nun mit Luther gemeinsam dahin arbeiten, ut praeter

Aristotelem theologari liceat (30. Sept. 1517, Briefb. II, 26). 1)

Fassen wir diese Geständnisse zusammen, so finden wir

in den ersten jahren einen eifrigen Schüler der älteren

Scholastik. Die via Thomae (wie Carlstadt) und die via

Scoti (wie Amsdorf) hat er erprobt. Ob er auch die via moderna,

die Trutvetter und Luther vertraten, in ihm einen Anhänger

gefunden hat, ist hiernach unwahrscheinlich2). Da Luther

1508 nach Wittenberg kam, könnte das Jahr seiner Um-

wandlung zu einem Anhänger Luthers schon bald nach 1514

gewesen sein; aber mit Bestimmtheit lässt sich hier nichts

sagen. (34)
 

1) Vgl Luthers 99 Thesen contra scholasticam theologiam, vom

4. Sept. 1517 (Weim. Ausg. I 221ff. Erl Ausg. opp. var. argum. I,

313 ff).

2) Vgl G. Bauch, Carlstadt als Scholastiker (Zeitsch. f. Kirch.-

Gesch. XVIII.); u.: Wittenberg und die Scholastik (Neues Archiv für

sächs. Gesch. u. Altertumsk. XVIII). In letzterem Aufsatz ist die

Episode (S. 317) beachtensweert, wo der Thomist Polich von Meller-

stadt das Einkommen des nach Erfurt zurückgegangenen Trutvetter,

seines Todfeindes, mit Beschlag belegt für seinen Anhänger Carlstadt

(Februar 1511). Es kan zu heftigen Scenen. Dölsch suchte zu ver-

mitteln. Dazu vergl. Scheurls Briefbuch I, 71 (Scheurl ist gegen

Polich, den delirus senex): Simon Stein sei energisch für Trutvetter

eingetreten, et Feltkirchius; hic visus est contra proprium comn-

modum dicere! Vgl. auch Zeitschrift f. Kirch.- Gesch. XVIII, 56. 57

über dieselben ärgerlichen Auftritte.
 

Vom Jahre 1517 ab beginnt in den Briefen Scheurls an

in Eck eine grosse Rolle zu spielen.

Scheurl war mit Eck befreundet, mit den Wittenbergern

glaubte er es nicht minder zu sein, und seine grösste Sorge

war es, zwischen beiden Parteien einen Freundschaftsbund

zu stiften. Er hat es bei diesem mit viel Selbstgefälligkeit

ausgeführten Versuch natürlich mit beiden Parteien ver-

dorben. Es ist gewiss eine seltsame Ironie, an demselben

Abend des 31. Oktober 1517, an dem Luther seine Thesen

an die Stiftskirche anschlug, ihn an unsern Dölsch schreiben

zu sehen: "Pro jure nostrae familiaritatis conciliavi illi

[Eckio] amicitiam cum doctoribus Eysenacensi [Trutvetter],

Luder, Carlstadino et Otthone [Beckmann]." (Briefbuch II,

33). Voran gingen Briefe an alle bedeutenderen Witten-

berger Freunde, die er ermahnt, einen höflichen Ton anzu-

schlagen, wenn sie an Eck schreiben1). Vom Jahre 1519

ab beunruhigt ihn Luthers scharfes Vorgehen gegen Eck,

und endlich, als alle Parteirn ihm zürnen, beklagt er sich

bitter: "de neutro me scio male meritum, utrique semper

paratus morem gerere." 2) doch es lohnt sich nicht, die Ver-

suches des Vermittlers im Einzelnen zu verfolgen, denn Döl-

schens Verhältnis zu Eck, das uns interessiert, klärt sich

aus den Briefen nicht auf. Wir hören nichts darüber. Drei

Jahre später, ein Zeitraum, in dem die Briefe an Dölsch spär-

licher fliessen, hatte auch diesen der Bann getroffen. Fragen

wir nach einem Grunde des Bannes, so bietet sich höchstens

die inzwischen erschienene Streitschrift gegen die Löwener und

Kölner mit ihrem offenen Bekenntnis zu Luther dar. Von (35)

einer persönlichen Spannung zwischen ihm und Eck ist nichts

bekannt, und daas generalisierende Urteil Koldes (M. Luther

I, 281) lässt sich in unserem Falle nicht beweisen.

Über die Bannangelegenheit giebt Auskunft die Mono-

graphie von Joh. Barth. Riederer, die alle Einzelheiten aus-

führlich bespricht 1). Nur einige Punkte werden auch heute

noch verschieden beurteilt.

Es ist immer noch strittig, ob Eck ein Recht dazu hatte,

Luthers Freunde und Anhänger mitzubannen. Man wird

kaum verstehen, wie jemand daran zweifeln kann, wenn man

Ecks Instruktion liest. Wir kennen das betreffende Stück

desselben aus einem Briege Ecks and den Bischof Georg von

Bamberg (12. November 1520) 2) wo es heisst: "so di ob-

gemeldten Herren [die Nürnberger] furwenden, das in des

Ecken macht nit stee, auch des keinen beuelich oder facultet

hab, etliche personen zu ernennen in Publicatione, so die

bull allein in gemein meldung thue, vnd befrembt mich nit

clein, an disem fürbringen, kann auch nit aussrechnen, war-

für sie mich angesehen haben, das ich der vermessenheit sein

soll, fines mandati vbertrit, dermassen treffennlich besonder

personen on beuelich zu ernennen". Nun beruft er sich auf (36)

seine obsignierte Instruktion, die er auf Verlangen jedem

zeigen könne und wolle:

"Sexto si nobis uidetur oportunum, in instrumento

publicationis bullarum nominare aliquos tanquam Martini

fautores vel adherentes, dicendo uerbi gratia talem bullam

legimus et publicauimus contra Martinum ac talem et talem,

nec non reliquos fautores et adherentes, prout in bulla, pru-

dentia vestrae relinquitur".

Trotzdem sind viele der Ansicht, dass Eck hier aus

persönlicher Rachsucht die Grenzen seines Auftrages über-

schritten,und zur Verdammnung der Anhänger kein Recht

gehabt habe. 1)

Diese Ansicht stützt sich hauptsächlich auf die Ver-

handlungen zwischen Friedrich dem Weisen und Carrioli

und Aleander in Köln. Hier wurde Friedrich auf der

Rückreise von der Kaiserkrönung in Aachen von den päpst-

lichen Legaten angesprochen. Inzwischen war er durch ein

Schreiben des Wittenberger Rektors, Peter Burkard, vom

Eintreffen der Bannbulle in Wittenberg benachrichtigt

worden. Die charakteristische antwort, die er den Legaten

gab, enthält nun folgende Wendung: 2) Eck habe den Ver-

such gemacht, contra Bullae pontificiae argumentum et vires,

ne quid amplius, praeter ipsum Lutherum nominatim non

solum in invidiam set etiam discrimen nonnullos alios

adducere." (p. 245)

Der Widerspruch wird sich so lösen lassen, dass die

unerhörte Vollmacht Ecks dem Kurfürsten und vielen

andern Leuten nicht bekannt gewesen ist, Eck sich vielleicht

aus allzusehr in geheimnisvolles Dunkel gehüllt hat, um (37)

wichtiger und fürchtenswerter zu erscheinen. Erst die Ent-

rüstung über sein Auftreten und der Zweifel an seinem

Recht zwangen ihn, sich vor dem Bamberger Bischof zu

legitimieren. 1)

Das gleiche Bewusstsein seiner unbestreitbaren päpst-

lichen Vollmachten, wie der Brief an den Bamberger Bischof,

atmet Ecks Schreiben an Rektor und Senat der Wittenberger

Universität. Es lautet in den hierhergehörenden Sätzen: "Quod

autem ego ex commissione Apostolica in publicatione Bullae

praeter Martinum addiderim quoque Carlstadium et Dolschium,

ita accipere debetis, ut a me non sine urgente causa factum

sit: at si illi matrem agnoscent ecclesiam, et parati

sunt omnem haeresim abiurare, libenter ego illos sum recep-

turus et humaniter, atque autoritate mihi specialiter super

hoc a summo pontifice tradita, eos absolvere et a poenis

incurrendis liberare. Si vero obduruerint, quod absit, digna

afficientur censura, nec lapso termino eos in vestro studio

teneatis aut foveatis sub poenis in Bulla expressis." 2)

Die Stellung, die die einzelnen Opfer der Bulle zu

ihr nahme, fiel sehr verschieden aus nach dem Charakter

der Getroffenen und den Verhältnissen, in denen sie

lebten. Adelmann hat sich bald unterworfen, die Absolution

nachgesucht und empfangen. 3) Von Egranus hat man (38)

dasselbe angenommen, aber mit Unrecht (Enders II, 512,

Anm. 10,11). Dagegen haben Pirkheimer, der Humanist,

und Spengler, der Nürnberger Ratschreiber, durch Ver-

mittlung des Bamberger Bischofs die Absolution gefunden,

die sie erbeten hatten. Man muss sich nur hüten, wie

Kalkoff und Westermeyer gezeigt haben, ihnen allein

diese Nachgiebigkeit zur Last zur legen; sie standen unter

dem Druck des Nürnberger Rats und waren nicht freie

Herren ihrer Handlungsweise 1).

Bei unsern Wittenberger Professoren lagen die Ver-

hältnisse wesentlich anders. Ranke weist darauf hin, dass

die Universität durch Exemptionen geschützt war und un-

mittelbar nichts zu fürchten hatte. Sie trat geschlossen für

ihre Mitglieder ein. Wie der Rektor Peter Burkard an

Lazarus Spengler schreibt (29. Oktober 1520), beschloss

man in gemeinsamer Versammlung, an der auch die Ge-

bannten teilnahmen, die Bulle nicht zu veröffentlichen. 2)

Die Universität litt einige Einbusse, etwa 150 Studenten,

indem die geistlichen Behörden, besonders der feindlich ge-

sinnte Würzburger Bischof, verschiedene Priester und andere

Studenten abberiefen, aber die grosse Menge in Wittenberg

stand doch fest zu Luther und seiner Partei. 3) Man sieht,

welche günstigen Folgen hier die Ausnahmestellung der

Universität hatte.

Etwas anders als Luthers Lage war die Carlstadts und

Dölschens. Schon vor der Leipziger Disputation zeigte sich

Carlstadt ängstlich besorgt für seine Pfründe, denn die Stift- (39)

kirche stand als exempt unter unmittelbarer Gerichtsbarkeit

des Papstes. Luther warf ihm das vor in dem Brief vom

3. April 1519 an Joh. Lang. 1) Dölsch befand sich in der-

selben Situation. Als Gebannter hätte er durch den Papst

ohne weiteres seiner Stiftstelle entzetzt werden können, an-

dererseits genoss er die Vorteile, über die sich Eck noch

1523 in der schon früher herangezogenen Denkschrift be-

klagt. 2) Er sagt hier, in einer Zeit, wo es sich bereits

herausgestellt, dass Bulle und Acht dem Evangelium nicht

Einhalt gebieten konnten: "Decernatur etiam, quod locus,

ubi moratur Ludder, aut eum declinare contigerit, cum Carl-

stadio, Dolchio et Joanne Egrano sit subjectus ecclesiastico

interdicto". In der ganzen Denkschrift wütet er machtlos

gegen Wittenberg und sucht gesetzliche Mittel, um an die

Universität mit der Kirchendisciplin heranzukommen. Immer-

hin versteht man, dass Dölsch und Carlstadt im ersten

Augenblick in einer schwierigeren Lage waren, als Luther,

- gegenüber der grossen Verantwortlichkeit, die auf Luther

lastete, natürlich in unendlich leichtere. Doch ist diese

ganze Situation zu bedenken, wenn wir über Dölsch in einem

Briefe Spalatins an dem Kurfürsten (3. Dezember 1520) lesen

(Zeitschr. f. K. Gesch. II, 121): "Licentiat Feltkirchen

heldeth auch vester, dan von etlichen gemeint und

gesageth." Dölsch hat festgehalten, und in den nächsten

Jahren noch manche kräftige Disputationsthese aufgestellt,

die der Universität Luthers keine Schande machte.

Eck schlug darauf Dölschens Namen mit den übrigen

in allen Städten an, wo man ihn zuliess, zuerst in Meissen,

Merseburg, Brandenburg. 3) Dagegen missglückte der Ver-

such des Brandenburger Bischofs, in Wittenberg die Bulle (40)

anzuschlagen, vollständig. 1) Im Dezember 1520 reiste näm-

lich Joachim von Brandenburg durch Wittenberg. Der

Bischof, der ihn begleitete, hatte die Bulle bei sich, fürchtete

aber mit Recht einen allgemeinen Aufruhr.

Der übrige Verlauf, die geringe Wirkung der Bulle in

Deutschland, das Zögern der Bischöfe, sie zu publicieren,

die Zustimmung, die man den Gebannten von vielen Seiten

zukommen liess, sind bekannte Dinge. 2)

Dagegen bietet uns das Leben Dölschens einen recht

interessanten Beitrag zum Verhalten des Bamberger Bischofs,

wenn es auch nicht gelingen wird, der Bamberger Politik

in unserm Falle auf den Grund zu sehen.

In Bamberg regierte der humanistische, vornehm und

vorurteilslos gesinnte Georg III., Schenck von Limburg, der

durch Goethes Götz ganz unverdient zum Typus eines schlechten

Bischofs gestempelt ist. 3) Sein Hof war auf dem besten

Wege, eine Pflegestätte der Reformation zu werden. Nach-

dem Hutten seinen Beschützer in Bamberg verlassen, blieben

doch noch immer eine Anzahl der besten Männer am Hof:

der treffliche Johann von Schwarzenberg; 4) der Hofkaplan

Johann Burkard; der Bamberger Reformator Johann Schwan-

häuser; 5) Christoph von Sand; und endlich die beiden Fuchs,

Jakob und Andreas (s. Enders II, 386; tui [Lutheri] nominis

imprimis studiosi).

In diese Stadt berief man 1520 Dölsch als Domprediger, (41)

und die Verhandlungen darüber ziehen sich durch dieselbe

Zeit hin, in der Dölschens Bannung bekannt wurde.

Die Bamberger Akten geben folgende Auskunft: 1)

1) Dienstags, St. Affre Tag (= 7. August 1520):

"Johann Dolitschen, Licentiaten von Wittenberg zum

Prediger drey Jharlang uffzunehmen; und mit ime davon zu

handeln, sein (seien) deputirt mein Herr Dechant, Herr

Erasmus von Wolffstain und Herr Daniel von Redwitz;

auch beschlossen, ine aus der Herberg frey zu lösen und

zehen Gulden zu schenken, ihme nach Fürschrift an Herzog

Friedrich zue Sachsen Churfürsten, ime sein Prebend noch

ein Jhar lang volgen zu lassen, zu geben und bey meinem

gnedigen Herrn von Bamberg dergleichen zu erlangen".

An demselben Tage petitionieren die Bamberger an

den Kurfürsten (es ist die eben erwähnte Fürschrift), Herrn

Licentiaten Dölsch seine Präbende noch auf ein Jahr zu

lassen. Pfründenhäufung war ja damals etwas ganz Ge-

wöhnliches. "Wir haben den wirdigen Herrn Johann Dolitzs,

der heiligen schrifft licentiaten zu vnserm Thumbprediger

auff nechstkunftigen vnser Lieben frawen tag, Lichtmes

genant (2. Febr.), anzutreten aufgenommen. Nun hat er

vnns aber angezeigt, vnd zuerkennen geben, wie er von

ewer Churfürstlichen gnaden auch gelehent, vnnd von Ir zu

Wittenberg auff dem Stifft ein Canonicat vnnd prebende hab,

derohalben er vnns vmb furbithenn an E. Churf. G. zu geben

mit allem vleis gebetten, das E. Churf. G. Ime gnediglich

erlauben, vorgonnen vnd zulassen wolle, dieselbigen prfunde

ein Jarlang nach seinem Hinwegkzihen zu behalten. Dann

er die, sampt der Lectur dartzu gehorende, desselben Jars

nichts destoweiniger so statlichen vorstehen wolle, als ob er

die selbst besess vnd personlich residiret". Die Bitte wird

dann noch weiter eindringlich wiederholt. Unterz.: "Enders (42)

Fuchs, Dechant, vnnd das Capittel gemein des thumbstiffts zu

Bamberg". Ebenfalls am Afratag 1520. 1)

2) Dienstags nach Mauritii perempt. prorog. (= 25.

Sept.), also sieben Wochen später, erfolgte in Bamberg der

endgültige Beschluss: "Die Annehmung des Neuen Bredigers,

so durch mein Herrn Dechant, Herrn Erasmus von Wolff-

stain und Herrn Daniel von Rredwiz als dartzu verordnete

beschehen, ist uff heute in Capitulo ratificirt worden".

Danach war Ende September die Berufung abgemacht,

allerdings, wie die ersten Aktenstücke lehren, nur auf drei

Jahre. Dadurch fällt auch Licht auf einen sonst dunklen

Brief Scheurls an Dölsch (13. November 1520; Briefbuch

((, 119), in dem er dessen Weggang von der Universität

beklagt und ihm zugleich einen Nachfolger für das Canonikat

empfiehlt, Johannes Hübschenauer. (cf. Briefb. II, 49 u. ö.)

Aber es kan anders.

3) Dienstags nach Catharina (= 27. November): "Johann

Dolitsch Licentiat zu Wittenberg, so hivor zu Brediger auf-

genohmen, ist uff sein underthenig Bitt seines Zusagens der

Predicatur halben gnediglich erlassen".

Auf "seine unterthänige Bitte" zerschlug sich die Berufung.

War sie ihm wieder leid geworden, wie früher schon die

Berufung nach Feldkirch? Oder hat der Bann, der gerade

in den letzten acht Wochen allgemein bekannt geworden

war, den Umschwung bewirkt und ihn zu einem freiwilligen

Verzicht bewogen, der schlimmere Erfahrungen verhüten

sollte?

Zur Enscheidung dieser Frage können wir die Ver-

handlungen des Bamberger Bischofs mit Pirkheimer und

Spengler heranziehen. Bei aller Bereitschaft zu milder Ver-

mittlung stand dem Bischof doch von vornherein fest, dass

es nur einen weg gab, Widerruf und Unterwerfung unter

die Kirche. In diesem Punkte hing Georg durchaus fest an (43)

der Tradition. 1) Dieser eine Punkt modificiert alle freund-

lichen Versprechungen und entgegenkommenden, verständnis

vollen Worte, die er an die beiden gebannten Nürnberger

richtete. Es bleibt bestehen, was man sich vom ihm erzählte.

Eck hatte die Verbrennung des lutherischen Bücher ge-

fordert und das "sey ime gelaint" (abgelehnt worden). 2)

"Es werde ain gespott auss Ecken handlung zu Bamberg

getriben". Der Bischof sagte Eck ins Gesicht, "er sey

Luthers opinion, ... sie seyen alle Lutherisch" (S. 328).

Aber Spengler bemerkt auch schon die Wirkung der Bann-

bulle auf einem Bambergischen Sekretär, mit dem er zu

unterhandeln hat: Manche Leute werden "ganz irrig, forchtsam

vnd kleinmütig macht" (S. 320). Der Würzburger Bischof,

der feindseligste im Süden, soll den Bambergischen mit Erfolg

bearbeitet haben. Jedoch sind alle diese kleinen vorüber-

gehenden Stimmungswechsel, die Spengler bemerkt, gering

anzuschlagen gegenüber Georgs prinzipieller Stellung zur

Autorität der Kirche.

Was gab nun bei Dölschens Absage den Ausschlag?

Wir haben auf der einen Seite seine stete Bedenklichkeit

und Zweifelsucht, eine unberechenbare Grösse; aber vielleicht

geht man doch richtiger, wenn man dem Bischof die

Initiative zuschreibt. Er wollte sich keinen gebannten

Domprediger nach Bamberg holen, bei dem er auf Widerruf

der verdammten Ansichten schwerlich zu rechnen hatte. So

wird er es Dölsch nahe gelegt haben, den Vertrag zu lösen.

Des Bischofs Auftreten gegen Eck wird ihm stets als ein

bleibendes Verdienst angerechnet werden. Und schliesslich

war es auch schon eine tapfere That, ween kurz vor dem

drohenden Bann Domkapitel und Bischof den Verfasser einer

Schutzschrift für Luther aus Wittenberg beriefen. Wenn (44)

nachher der Mut versagte, so hat man nur der Sorge vor

höchst unangenehmen Verwicklungen in der eigenen Stadt

nachgegeben.

Dölsch steht durch den Bann mit einem Male mitten

in den welthistorischen Begebenheiten. auch sein Geschick

knüpft sich an den Verlauf des grossen Winters 1520/21,

von der ersten Senatssitzung im Oktober bis zum 10. De-

zember, wo Lehrer und Schüler auf Melanchthons Anschlag

hin mit Luther hinausziehen zur Verbrennung der Bann-

bulle, und endlich bis zur Wormser Entscheidung. Doch

persönlich bleibt er nach wie vor für die Nachwelt im

Hintergrunde, nur an der Universität ging er nachweislich

seinen stillen Berufe nach.

Die Nachrichten sind von nun an, mit Ausnahme weniger

Monate, wo sie reichlich fliessen, sehr spärlich. Erwähnt

wird er kurz in einem Lutherbriefe vom 28. April 1521

aus Frankfurt a. M., wo Luther auf der Rückkehr von

Worms übernachtet hatte; und zwar klingt die Stelle nicht

sehr schmeichelhaft für Dölschens Predigttalent: "Ist euch

der Licentiat Feldkirch nicht gnugsam, mögt ihr Herr Amsdorf

zum Prediger ersuchen, er wirds gerne thun," (Erl. Ausg.

Bd. 53, S. 65. Amn. dazu: Enders III, 128f.).

Dann kommt der Winter 1521/22, für ihn die ver-

hängnisvollste Zeit seines Lebens, die wir gesondert im Zu-

sammenhang uns vergegenwärtigen wollen; dann die Ent-

fremdung Luthers, die bis zu Dölschens Tode nicht mehr

beigelegt wurde. Vielleicht ist er noch zu günstiger Zeit

gestorben, denn nach seinem Tode ging Luther mit rück-

sichtsloser Schärfe gegen die übrigen Stiftsherrn for, die

sich nicht fügen wollten, 1) und diese Demütigungen blieben

ihm wenigstens erspart von dem Manne, den er so hoch

verehrt hatte und dem er so viel verdankte. (45)

Sein Tod wird uns von zwei Seiten gemeldet. Spalatin

schreibt in seinen Annalen (bei Mencken II, 625f.): Doct.

Johannes Dolschius Feldkirchius Templi omn. divorum Witten-

bergae Custos & Canonicus obiit in mense Julio Fer. IV.

post. Mariae Magdal. Wie Enders (IV, 187) richtig ge-

schlossen hat, muss man das ungewöhnliche Datum als 29.

Juli 1523 auflösen. Luther meldet Spalatin den Tod noch

im Laufe derselben Tage: D. Johannes Feltkirchen extinctus

est, nescio quo mortis genere: metuo ne judicium Die in-

cipiat Bethaven istam visitare satis pertinacem verbi con-

temptricem (Enders IV, 184).

Bethaven (Haus des Frevels, der Abgötterei, Hosea

4,15; 10,5. Amos 5,5) war damals in Luthers Mund ein

beliebtes Wort für die Stiftskirche, wo die Messen weiter-

gelesen wurden. In der Schrift "Vom Missbrauch der Messen"

(Nov. 1521) redet er zum Schluss "seine Wittenberger" an:

"Ihr habt auch eyn Bethaven bey euch, aller heyligen

kirche, welche Hertzog Friderich von seyn vorfarn ererbet

hat und, durch Papisten betrogen, trefflich gemert und er-

haben" (Weim. Ausg. VIII, 561). Das Geld für die Messen

solle den Armen gegeben werden. Ähnlich an Spalatin

am 22. November 1521 von der Wartburg (Enders III, 250);

cf. S. 427; IV, 53). Die Anspielung auf die Domherrn in

der Todesnachricht über Dölsch wird noch deutlicher durch

eine andere Stelle der Schrift von Missbrach der Messe,

wo er von der geistlichen Deutung der Synagoge und Kirche

reden will, und die alttestamentlichen Abgöttereien dazu

durchgeht: "Die bischoffe mit yhren thumpfaffen sind

die pfaffen Bethaven. Die alden monchen und eynsidler

sind berg pfaffen" u. s. w. (W. A. VIII, 555, vgl. Enders

II. 450).

Luther hatte während der Abschaffung der Seelenmessen

bei den Domherrn nur Widerstand gefunden. Er sah dies

lediglich als Zeichen ihres verstockten Eigennutzes an.

"Aus dem Sakrament der Lebendigen machen sie ein (46)

Werk und Opfer für die Toten", ein Irrtum, "welchen die

Pfaffen und Münch umb ihres Bauchs willen haben auf-

bracht" (Erl. Augs. 53, 204 an Bartholomäus von Staren-

berg; 1. Sept. 1523); auch Enders IV; 210: nihil spectant

nisi lucrum. Ebenso dachte Bugenhagen (Stud. u. Krit.

1884, S. 568.): illa blasphemia quae tantum ventris causa

jactatur in deum.

Nun erlebte Luther, dass kurz nacheinander drei von

den widerstrebenden Domherren, z. T. ganz plötzlich, starben,

und wie die Briefstelle über Dölschens Tod zeigt, sah er

dies als ein deutliches Gottesgericht an. Es starben nämlich

am 10. Februar 1523 der Stiftsherr Johannes Raghals (End.

IV 90f.) und am 11. Februar der Dechant des Stiftes

Laurentius Schlaman (End. IV 81). Als dritter starb Dölsch

am 29. Juli, bei dem das nescio quo mortis genere einen

unerwarteten, schnellen Tod vermuten lässt.

Mit diesem harten, aber nicht unverdienten Urteil aus

Luthers Feder schliessen die Nachrichten über Dölsch. Es

bleibt übrig, den Verlauf seines Streites zu schildern und

seinen Abfall von der Sache der Reformation so darzustellen,

dass man den Triebfedern seines Herzens gerecht wird und

seine Eigenart dabei im Auge behält.