Tilbage til oversigten!
Inhalt: Leo X. über Luthers Auftreten 204 #1 --
Der Dialog des Silvester Prierias 205 #6 -- Einleitung
des Verfahrens gegen Luther 206 #14 -- Cajetan in Deutschland
207 #17 -- Luther gegen Prierias 209 #28
-- Luther über die Exkommunikation 211 #41 -- Luthers
Zeugenmut. #51 Akademische Tätigkeit 213 #54
-- Melanchthons Eintritt in Wittenberg, August 1518 214 #56
-- Verhandlungen über Luthers Citation nach Rom 215 #58
-- Luther vor Cajetan nach Augsburg citiert 216 #65 --
Reise über Weimar 217 a#1 -- Vorverhandlungen
218 a#8 -- Luther vor Cajetan, am 12.
Oktober 1518 220 a#18 -- Verhandlungen
am 13. Oktober 222 a#33 -- Schriftliche
Rechtfertigung Luthers 223 a#37 -- Übergabe
der Verantwortumg, am 14. Oktober 226 a#50
-- Luthers Appellation an den besser zu unterrichteten Papst 229 a#66
-- Abreise am 20. Oktober 231 a#77 --
Cajetans Verhandlungen mit Kurfürst Friedrich 233 6#1
-- Luthers Bericht über die Augsburger Verhandlungen 234 6#5
-- Appellation an ein Konzil, am 28. November 235 6#12
-- Der Gedanke an einen Weggang nach Paris 237 6#19.
1 Inzwischen bereiteten sich von Rom aus die Beschlüsse und Massregeln gegen den kühnen deutschen Mönch und Professor vor. | |
2 Die Hoffnung Luthers, dass der Papst wenigstens keine ihm schlechthin ungünstige Stellung in dem angeregten Streit einnehmen werde, war eine ernstliche und auch keine ganz grundlose gewesen. Hatte er ja doch wenige Jahre vorher darin, dass dieser den Verketzerern Reuchlins keineswegs unbedingt Recht geben werde, sich nicht getäuscht. Leo X. war ein Mann, der vor allem sein hohes Amt in äusserlich würdiger Ruhe zu geniessen bedacht war. Am Tage seiner Einsetzung hatte er ausgerufen: "Ich will, dass wir so sehr als möglich dieses Pontificat geniessen". | |
3 Als ein Mann moderner humanistischer Bildung und italienisch humanistischer Freidenkerei konnte er an Äusserungen, welche den alten Schultheologen ein Greuel waren, sich selbst, wenn sie mit Geist und Talent vorgetragen wurden , sogar erfreuen. So erklärte er anfangs in einem Kreis adeliger Römer, welche über seine Saumseligkeit gegen den Ketzer Luther sich wunderten: er halte den Bruder Martin für einen recht guten Kopf und den Streit für ein neidisches Gezänk der Brüder (d. h. der Mönche). Nicht so freundlich, aber um so leichter und geringschätziger soll er nach einer Angabe, welche Luther später vernahm, damals über die Thesen geurteilt haben: ein voller, trunkener Deutscher habe sie geschrieben; wenn er wieder nüchtern werde, werde er aners gesinnt sein. (n204a) | |
4 Übrigens hatte der Papst gerade damals besonderen Anlass, sich in stolzer Sicherheit als unangreifbarer Herrscher (205) der Kirche zu fühlen. Erst ein halbes Jahr vor dem Ausgehen der Lutherschen Thesen hatte er jenes durch Julius II. berufene sogenannte ökumenische Konzil im Lateran (vgl. oben S. 201 = 3,2#127) geschlossen; fast nur aus abhängigen italienischen Bischöfen bestehend, aber als die rechtmässige Vertretung der katholischen Christenheit sich gebärdend, hatte es für die von so vielen ersehnte Reformation nichts gethan und dagegen demütig die eignen, vor 100 Jahren so heiss verfochtenen Rechte der Konzilien dem Papst als dem "Fürsten der ganzen Welt", ja als dem "andern Gott auf Erden" zu Füssen gelegt. | |
5 Ohne viel Gefahr zu ahnen, erteilte dann Leo dem neu bestellten General der Augustinerordens Gabriel Venetus, welchem als Vorgesetzten des gesamten Ordens auch die deutsche Kongregation mit Luther untergeben war, am 3. Februar 1518 mit Bezug auf Luther die Anweisung, "den Menschen zu besänftigen; die eben erste entzündete Flamme werde sich leicht ersticken lassen, wenn man nur schnell dazu thue". | |
6 Im vollsten Bewusstsein von jener Allgewalt des Papstes aber und mit der grössten Geringschätzung des Deutschen, der sie antastete, erhob sich sofort gegen Luthers Sätze einer der höchst gestellten Männer in Rom, Silvester Prierias, mit einer Streitschrift. Silvester Mazzolini, nach sener Vaterstadt Prierio Prierias benannt, war in Rom Magister sacri palatii, d. h. eigentlich Lehrer der päpstlichen Dienerschaft, zugleich aber Zensor aller im römischen Gebiet erschienende Bücher, – ferner vom Papst zum Inquisitor und Richter in Glaubenssachen bestellt. (n205) : | |
7 Wie Tetzel war auch er Dominikaner, ganz in der Theologie des heiligen Thomas gebildet und von Ehrfurcht für diesen erfüllt, ein scholastisch gelehrter Mann, damals schon im Greisenalter stehend. Dieser – wie er selbst in einer Zuschrift an den Papst sagt – riss sich jetzt aus Studien zu Thomas, in die er versenkt war, und aus dem Genuss, welchen sie ihm bereiteten, heraus, um sich für die Ehre und Majestät des heiligen Stuhles und der Wahrheit als Schild hinzustellen; denn gegen dieselbe habe ein gewisser Martin Luther, von dem er weiter nichts wisse, mit dreistem Nacken öffentlich sich erhoben. (prilut1#8) | |
8 Er schrieb Entgegnungen auf die einzelnen Thesen Luthers unter dem Titel Dialogus und verehrte sie dem Papste. Mit der ganzen Arbeit will er voll Freude und Lust zur Sache in drei Tagen fertig geworden sein, und man hat durchaus keinen Grund, an der Hast, mit der er sie abgefasst, zu zweifeln. Als Grundlage, auf welcher sich dann alles weitere leicht abmachen liess, schickte er "Fundamentalsätze" über die Kirche voran. | |
9 Sie sind für uns wichtig als Ausdruck der streng papistischen Theorie, welche vom jüngsten Konzil angenommen war und der wir auch bei Wimpina begegnet sind, welche aber doch der übrigen abendländischen Christenheit und namentlich den Franzosen und Deutschen keineswegs allgemein oder auch nur überwiegend (206) für echt katholisch oder wahr galt und welche Luther insbesonders auch in Erfurt bei den scholastischen Lehrern nicht vernommen, gegen welche vielmehr die dort geltenden älteren Theologen Occam, d’Ailly, Gerson u. s. w. nachdrücklich protestiert hatten, ohne deshalb zu Ketzern zu werden. (eck04#5) | |
10 Gemäss jenen Sätzen ist die universale, allgemeine Kirche virtuell oder der Kraft und dem Wesen nach nichts anders als die römische Kirche, welche das Haupt aller andern ist. (prilut1#16) Und diese römische Kirche ist, was ihre Repräsentation betrifft, das Kollegium der Kardinäle; der Kraft und dem Wesen nach aber ist sie nichts anderes als der Papst selbst, wenn er eben als Papst, von Amts wegen redend, etwas bestimmt. Hiermit war vorweg entschieden, dass, wie Silvester erklärt, jeder, "welcher in betreff der Ablässe sagt, dass die römische Kirche das, was sit faktisch thut, nicht thun könne, ein Ketzer ist". (prilut1#21) | |
11 In jenem Wort Jesu "Thut Busse" fand dann derselbe gerade mit Wimpina, ohne alle Untersuchung des Schriftsinnes, die kirchliche Lehre vom Busssakrament mit den menschlichen Bussleistungen, auf welche der Ablass sich beziehen sollte. Des weiteren brauchen wir auf den Inhalt seiner Sätze, für die ihm das Zeugnis des "göttlichen Thomas" genügt, hier nicht einzugehen. – | |
12 Mit Rücksicht auf die grobe, beleidigende Sprache, welche uns nicht mit Unrecht anstössig klingt und welche man häufig vorzugsweis Luthern zu Last legt, ist wiederum auf den Ton zu achten, welchen hier gleich zu Anfang jener bejahrte, hohe geistliche Herr angestimmt hat. Poetisch und patetisch führt er sich als einen alten Mann ein, den Luther wie ein zweiter Dares zum Faustkampf rufe, – mit Bezug auf Virgils Äneide Gesang 5, Vers 368ff., wo mit dem dreisten jugendlichen Dares der greise, aber noch immer gewaltige Entellus den Kampf aufnimmt und ihn mit den Fäusten zerschlägt und herumtreibt. (prilut1#12) | |
13 Unfein erklärt er, erproben zu wollen, ob Martinus eine eiserne Nase und einen Kopf von Erz habe. (prilut1#10) Daneben nennt er ihn einen Aussätzigen, der eine verschiedenartige, in wahren und falschen Farben spielende Haut trage. Er sagt, wenn Beissen Eigenschaft der Hunde sei, so möge wohl Luther einen Hund zum Vater gehabt haben, da er zum Beissen geboren scheine. (prilut3#8) Er rückt ferner Luthern vor, dass dieser, wenn ihm der Papst ein gutes Bistum mit der Vollmacht zu Ablässen verliehen hätte, wohl von süsseren Worten überfliessen und die Ablässe hoch erheben würde. (n206) | |
14 Noch ehe diese echt papistischt Schrift in Deutschland bekannt wurde, hatte Papst Leo auch schon den förmlichen Prozess gegen Luther in Rom einleiten lassen. Durch den päpstlichen Fiscal Mario Perusco (Marius de Perusiis) wurde gegen ihn die Anklage wegen Ketzerei erhoben. Zu (207) besondern Richtern für seine Sache wurden Hieronymus Chinucci, Bischof von Ascoli, und eben jener Prierias vom Papste bestellt. Hieronymus war Auditor bei der päpstlichen "Camera", einer mit finanziellen und juristischen Dingen beschäftigten Behörde, hatte mit Fragen über Glauben und Ketzerei sonst nicht zu thun und galt nicht für einen gelehrten Theologen von Fach und Beruf. | |
15Die dogmatische Entscheidung in dem Prozess musste daher ganz an Prierias hängen. So übergab Leo die Untersuchung gegen Luther und das Urteil über ihn eben demjenigen Manne, der zuerst in Rom mit einer Schrift gegen ihn Partei genommen und öffentlich über ihn den Stab gebrochen hatte. – Am 7. August traf bei Luther eine Citation aus der Hand des Hieronymus ein, wonach er sich binnen sechzig Tagen zur Untersuchung und Aburteilung persönlich in Rom stellen sollte. (n207) | |
16 Von Rom aus waren bereits auch weitere Vorbereitungen getroffen, um den Massnahmen gegen ihn Erfolg zu geben. | |
17 Schon im Frühjahr fand sich als päpstlicher Legat der Kardinal Thomas Vio von Gaeta (nach diesem Orte Cajetan genannt) in Deutschland ein. Laut der Instruktion, welche ihm der Papst am 5. Mai erteilte, sollte er den deutschen Kaiser samt den Königen von Schweden und Dänemark zu einem Kriege gegen die Türken bewegen, für welchen bereits das letzte Konzil die Abgabe eines Zehnten der Christenheit auferlegt hatte, und zugleich dahin wirken, dass das mit der hussitischen Ketzerei noch immer behaftete böhmische Reich wieder ganz in den Gehorsam der Kirche zurückgebracht und auch benachbarte Gebiete, welche vom ketzerische Gift angesteckt seien, davon gereinigt werden. | |
18 Es versteht sich hiernach, wenngleich Luther hier nicht genannt ist, von selbst, dass Cajetans Aufträge wesentlich mit auf ihn sich bezogen. und es entsprach eben auch dies ganz der päpstlich kirchlichen Politik, dass man das neue, in Deutschland drohende Gift nur wie einen Ausfluss des alten böhmischen hinstellte. Cajetan erschien als der hierfür speziell geeignete Mann. Auf dem Konzil hatte er unter denVerehrern des päpstlichen Absolutismus und der päpstlichen Infallibilität an der Spitze gestanden, – hatte verkündet, dass die Kirche "die geborene Magd des Papstes sei". | |
19 Im Dezember 1517 war von ihm, übrigens noch ohne Beziehung auf Luthers Thesen, eine Abhandlung über den Ablass erschienen. Ihr Inhalt zeigt recht deutlich, wie vieles in den Ablasslehre auch bei den scholastischen Theologen noch unklar, unerledigt und streitig war, wie sehr also Luther damit Recht hatte, dass sie erst noch Gegenstand des Disputierens sei und sein müsse. Nur um so mehr aber hatte Cajetan sie ganz im Interesse der päpstlichen Vollgemacht festzustellen gesucht. (n207a) (caj-af1) | |
20 Im Sommer trat ein grosser deutscher Reichstag unter Kaiser Maximilian in Augsburg zusammen. Hauptgegenstand der Beratung sollte jener Krieg mit den Erbfeinden der Christenheit sein, der auch ganz den (208) persönlichen Neigungen des Kaisers entsprach, wogegen freilich andere Leute in Deutschland meinten, der Papst wolle ihre Türkensteuer für seine eignen Gelüste einziehen, und die wahren Türken seien in Italien zu suchen. | |
21 Eben dort erschien der Legat der Stellvertreters Christi mit ausgesuchter Pracht. Den Kaiser suchte er durch Zeichen päpstlicher Huld dem Papste noch enger zu verbinden und über Luthers gefährliche Irrtümer zu belehren. Dem Magdeburg-Mainzer Erzbischof erteilte er am 1. August nach einem grossen Hochamt unter feierlichen Ceremonien die Kardinalswürde: die stärkste Erklärung darüber, wie zu den Beschuldigungen, welche dieser wegen des Ablasshandels erleiden musste, der Papst sich verhalten würde. | |
22 Der Kaiser beobachtete jedoch in Luthers Sache eine Zurückhaltung, der seiner nicht etwa bloss ritterlichen und romantischen, sondern daneben mit kluger Berechnung gedachte er hier zu verfahren, ohne dass wir eine innere Teilnahme für die grosse religiöse Frage bei ihm wahrnähmen. Er stellte zwar in einem Briefe an den Papst vom 5. August die Beschwerden über Luthers gefährliches Disputieren, worüber er erst vor wenigen Tagen Kenntnis erhalten habe, ganz der päpstlichen Weisheit und Vollmacht anheim, äusserte sich jedoch darüber nur wir über ein fürwitziges sophistisches Gezänk unter theologischen Magistern. | |
23 Und zum kurfürstlichen Rat Pfeffinger sagte er: Luthers Thesen seien nicht zu verachten; Luther werde "ein Spiel mit den Pfaffen anfangen; der Kurfürst möge den Mönch fleissig bewahren, weil man seiner vielleicht einmal bedürfe". Er liess sich dann vom Humanisten Wimpheling ein Gutachten über die Lutherische Angelegenheit erstatten, worin dieser riet, den Handel zwischen Luther und dem Papst sich hinziehen zu lassen, bis die Bischöfe selbst nach einer Reformation verlangen, und dann der Kaiser als Schirmherr der Kirche wirksam einzutreten Gelegenheit haben werde: ein Rat, womit ohne Zweifel Maxmilians eigne Gedanken zusammenstimmten. (n208) | |
24 Auch Kurfürst Frierich beruhigte in Augsburg den Legaten; er habe sich der Schriften Luthers nie angenommen und werde willfährig die Aussprüche der Kirche vernehmen. | |
25 Luther bekam, soweit wir aus seinen Briefen schliessen können, die Schrift des Prierias erst kurz vor seiner Citation nach Rom in die Hände. Über den ersten Eindruck, den jene auf ihn machte, erzählte er später: nie habe ihn der Papst so wehe gethan, als dass er auf dem Titel dieses Buches gelesen habe "sacri palatii Magister". Da habe er gedacht: "Will’s dahin gereichen, dass die Sache vor den Papst komme? was will’s werden?" | |
26 Und recht "angegangen" sei die Sache erst damit, dass Prierias die Kirche in den Papst gesetzt, diesen über die heilige Schrift und die Konzilien gestellt (prilut1#16) und jeden, der gegen einen Ausspruch oder eine That dieser römischen (209) Kirche einen Zweifel hege, für einen Ketzer erklärt habe. Da er aber das lose Gerede des Buches gelesen, habe Gott ihm Gnade gegeben, dass er nur habe drüber lachen müssen. (prilut1#21) | |
27 Nachdem Luther am 7. August die Citation erhalten hatte, trug er gleich tags darauf als seinen und der ganzen Universität Wunsch dem beim Kurfürsten befindlichen Spalatin vor: der Kaiser und Kurfürst möchten beim Papst darauf hinwirken, dass in Deutschland Richter für ihn bestellt werden; denn er sehe jetzt wohl, wie man heimtückisch seinem Leben nachstelle. (n209) | |
28 In ebendemselben Briefe vom 8. August meldete er dem Spalatin, dass er mit einer Entgegnung auf Silvesters Dialogus, diese, wie er mit Anspielung auf dem Namen "Silvester" sagte, ganz waldmässige und unkultivierte Schrift, beschäftigt sei. Vierzehn Tage nachher hören wir, dass sie zugleich mit dem Dialogus in Leipzig unter der Presse war. (n209a??) | |
29 Hatte Prierias jenen in drei Tagen fertig gebracht, so schrieb Luther seine, ein paar Druckbogen starke Abfertigung in zwei Tagen nieder. Und offen und kühn schreitet er eben hier zu neuen Kundgebungen seines eignen Standpunktes weiter. Eingehend auf jene Lehren über das Wesen und die Repräsentation der Kirche, welche Prierias zu Grunde gelegt hatte, stellt er seine eignen Prinzipien entgegen. Sah Prierias die Kirche "virtuell" im Papste gesetzt und ihre Repräsentation im Kollegiumn der Kardinäle, so entgegnet Luther: "Ich kenne die Kirche virtuell nicht anders als in Christus, ihrer Repräsentation nach nicht anders als in einem Konzil"; (lutpri01#82) so wenig er also noch die Rechtmässigkeit einer päpstlichen Obergewalt bezweifelte, so gehörte ihm doch zum Wesen der Kirche nicht sie, sondern nur die Verbindung der Christenheit mit ihrem geistigen, himmlischen Haupte Christus, in welchem dieselbe ihre Kraft und ihr Leben hat. | |
30 Luther erkennt sodann immer noch an: der Glaube der katholischen, römischen Kirche sei der richtige und nach diesem solle der Glaube aller Christen sich gestalten; denn Christus habe, wie er dankend bekenne, diese Eine Kirche auf Erden durch ein grosses Wunder trotz aller sittlichen Verderbnisse also bewahrt, dass sie den wahren Glauben nie durch einen kirchlichen Beschluss verleugnen und von ihrem Ursprung an die Autorität der kanonischen biblischen Bücher und der kirchlichen Väter festgehalten habe, wenn gleich allzuviele Männer in ihn gar nicht an jene Bücher glauben, noch um sie sich kümmern. |
31 Er gesteht auch zu: "Ich werde ein Ketzer dann sein, wenn ich, nachdem die Kirche entschieden haben wird, mich daran nicht halte;" und: "auch jetzt noch disputiere ich nur, wartend auf den verdammenden Spruch eines Konzils." Aber zugleich erklärt er mit Worten Augustins: "Ich habe gelernt, nur die kanonischen Bücher der heiligen Schrift also zu ehern, dass ich glaube, es habe keiner ihrer Verfasser geirrt." (lutpri01#8) | |
32 Und sogar in betreff eines Konzils, (210) ja in betreff der Kirche überhaupt spricht er aus: zur Rechtfertigung einer Lehre genüge es auch nicht auf die That der Kirche sich zu berufen, - sowie Prierias die Lehre von der Vollmacht des Papstes über die von Gott verhängten Strafen mit der That der Kirche, die eben wirklich vollen Ablass ausspenden lasse, hatte beweisen wollen; es würde dies, sagt Luther, doch keinesfalls zum Beweis für die Wahrheit der Lehre genügen, -- den "sowohl der Papst als ein Konzil kann irren". (lutpri01#81) | |
33 Luther berief sich für diesen Satz auf eine Schrift des Nikolaus de Tudesco (todt 1445), Erzbischof von Palermo, eines sehr angesehenen kirchlichen Rechtslehrers, berühmten Mitglieds des Basler Konzils. Derselbe hatte ihn aufgestellt, um weder dem Papst, noch dem die Kirche vertretenden Konzil, sondern nur der allgemeinen Kirche selbst Unfehlbarkeit in Glaubenssachen beizulegen; er war deshalb nicht zum Ketzer gemacht worden, obgleich nunmehr Prierias auch ihn einen rebellischen, schismatischen, satanisch hochmütigen Menschen schalt. | |
34 Ähnlich hatte auch d'Ailly den Glauben an die Irrtumslosigkeit eines Konzils nicht für notwendig erachtet. Ähnlich scheinen ferner noch -- oder wieder -- in unseren Tagen altkatholische Theologen die Autorität des Aussprüche eines Konzils erst noch von der Zustimmung der gesamten Kirche abhängig machen zu wollen. Was aber dachte Luther bei seinen eignen Aussagen? Wie viel Gewicht konnte ihm hiernach ein gegen ihn gerichteter verdammender Spruch eines Konzils noch haben? | |
35 Oder wollte er etwa noch subtil unterscheiden zwischen einer "That", einer bloss thatsächlichen Massnahme der Kirche, und zwischen einer förmlichen Entscheidung derselben über eine Glaubensfrage? aber dazu lautet sein Satz viel zu allgemein und zu gewichtig und er denkt auch nachher nicht daran, ihn wieder zu beschränken. Oder wollte er vor dem Ausspruch eines Konzils auf ein Urteil der gesamten katholischen Christenheit sich zurückziehen? aber wo war es für diese möglich sich auszusprechen ausser eben mittelst eines Konzils? und was konnte Luther von der grossen Masse derselben erwarten, die er in so schweren Verderbnissen befangen und in deren Mitte er den Glauben an die heilige Schrift so dürftig vertreten sah? | |
36 Wir können Luthers Äusserungen über die Entscheidungen der Kirche oder eines Konzils, denen er entgegensehe, nicht mehr anders verstehen als jene Äusserungen über den Papst, die wir oben erörtert haben. Dass die Kirche mit ihren Konzilien wirklich noch nie von der Schriftwahrheit in Glaubenssachen abgewichen sei, stand für ihn noch fest; diejenigen Lehren, gegen welche er sebst bisher stritt, galten ihm überhaupt nicht für kirchlich sanktioniert. | |
37 Dass die Kirche auch fernerhin, wenn sie in einem Konzil sich versammle -- und dass sie so auch dann, wenn dies in seiner Angelegenheit geschehen würde, vor einem Abfall von der geoffenbarten Wahrheit behütet bleiben werde, das hoffte er zu Gott, der ja schon bisher nur wir durch ein Wunder dem (211) Abfall gewehrt habe. Allein sein Glaube an die von ihm selbst errungene Wahrheit konnte auch an dieser Hoffnung, obgleich sie viel länger als seine Hoffnung an den Papst standhielt, schon jetzt nicht mehr hängen: denn -- "sowohl der Papst als ein Konzil kann irren". | |
38 Es fiel ihm schwer anzunehmen, dass je eines wirklich irren werde oder gar schon geirrt habe. Dass es aber dennoch möglich sei, dass also keine der sichtbaren kirchlichen Autoritäten unbedingt zuverlässig sei, dass demnach möglicherweis einzelne wahrhaft gläubige Christen auf Grund der heiligen Schrift gegen alle diese Autoritäten zu zeugen berufen seien, -- das musste er offen demjenigen Mann erklären, der vom irdischen, äusseren Haupte der Kirche zum Richter über ihn verordnet war und soeben ihn vor sich geladen hatte. (n211) | |
39 Unmittelbar nach dem Einladen der römischen Citation schickte Luther auch jene Asterisken gegen Eck, wenn wir oben (S. 202 = 3.2#134) das Datum des 10. August richtig verstanden haben, zu weiterer Verbreitung an W. Link. | |
40 Gerade jetzt erfolgte die fertige Ausgabe seiner längst dem Papst übersandten, jedoch im Druck nur langsam vollendeten Resolutionen. | |
41 Er hatte ferner bereits mehrere Wochen früher, ja vielleicht schon am Sonntag Exandi, den 16. Mai 1518 (mit Anschluss an die sonntäglichen Perikope Joh. 15,26-16,4) eine Predigt über die Kraft des Bannes vor seiner Wittenberger Gemeinde gehalten. Schon vorher, in einer Predigt der Fastenzeit, hatte er sich über das "Spiel", das man gegenwärtig mit dem Bannen anrichte, geäussert und hatte dann seinen Zuhörern versprochen, sie einmal eingehender darüber zu belehren, was der Bann wirklich zu bedeuten habe. | |
42 Viele Gemeindeglieder sah er wegen kleiner Übertretungen durch Androhung des Bannes beunruhigt, womit besonders die Ablasskommissäre angst machten: die Bannbriefen, sagt er in der Fastenpredigt, fliegen wie die Fledermäuse um einer geringen Sache willen. Ihm selbst ward längst durch drohende Feinde und ängstliche Freunde ein schwerer Bannfluch in Aussicht gestellt. So predigte er endlich einmal eigens über den Bann. Was er da vortrug, erregte sogleich wieder grossen Lärm; wir erwarten alle, schrieb Luther an Link, dass daraus ein neues Feuer entbrenne. | |
43 Sätze daraus wurden unter Freunden und Feinden verbreitet, kamen namentlich auch nach Augsburg, wo der Reichstag versammelt war, und dort in die Hände des päpstlichen Legaten. Spalatin vermutete, dass sie, von diesem nach Rom geschickt, der Sache Luthers dort ganz besonders schadeten. Auch Kaiser Maximilian erwähnte in jenem Brief an den Papst vom 5. August nicht bloss die Behauptungen Luthers über den Ablass, sondern auch gefährliche Sätze, die ebenderselbe in Predigten über die Kraft päpstlicher Exkommunikation vorgetragen haben sollte. | |
44 Ebenso wurden ihm während eines Besuchs in Dresden (oben S. 204) (212) persönlich deshalb Vorwürfe gemacht. Luther wollte auch eine öffentliche Disputation über diesen Gegenstand halten, unterliess dies jedoch auf das Abmahnen seines brandenburgischen Bischofs und auf den Rat seiner Freunde hin. Gerade jetzt aber, nach Empfang seiner Citation, legte er auch diesen für die Gegner so anstössigen Sermon, den er aus den Gedächtnis niederschrieb, gedruckt -- übrigens in lateinischer Sprache -- der Öffentlichkeit vor. | |
45 Ein Brief Spalatins, der ihn davon abhalten wollte, kam, wie Luther am 31. August antwortete, zu spät. Da führte er denn bestimmt und zusammenhängend aus, was wir in betreff kirchlicher Strafurteile schon den Resolutionen entnehmen konnten, und begründete es auf seine Idee der kirchlichen Gemeinschaft überhaupt. Er lehrt also: Der Bann oder die Exkommunikation ist Ausschluss aus der Kommunion oder Gemeinschaft der Gläubigen. Dieser aber ist eine doppelte: eine innere, geistliche -- bestehend in der Einheit des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu Gott, und eine äusserliche, leibliche -- bestehend in der Gemeinschaft der Sakramente, welche Zeiehen des Glaubens u. s. w. sind, und weiterhin in der Gemeinschaft äusseren, leiblichen Verkehrs und Umgangs. | |
46 cDie geistliche Gemeinschaft kann keinerlei Kreatur, sondern nur Gott allein einer Seele mitteilen oder nehmen, vgl. Römerbr. 8, 35-39. Daraus folgt, dass der kirchliche Bann den Christen nur der äusserlichen kirchlichen Gemeinschaft berauben kann, nicht aber der wahren, geistlichen Güter der Kirche: denn diese behält man, so lange Glaube, Hoffnung und Liebe bleiben. Soll demnach der kirchliche Bann mit Recht über einen verhängt werden, so muss man bereits innerlich in der Sünde und dem gelistlichen Tode gebannt sein; die kirchliche Exkommunikation wirkt nicht die geistliche Exkommunikation, sondern setzt sie schon voraus und ist Zeichen und Ausdruck für sie. | |
47 Wird dagegen der kirchliche Bann nicht um wirklicher Sünde, ja vielmehr gar um einer gerechten Sache willen über einen verhängt, so ist man darum nicht verdammt, sondern vielmehr selig; en solcher Bann ist das edelste Verdienst, und man hüte sich wohl, dasjenige zu lassen, um deswillen man so exkommuniziert ist. So ist denn hiernach für Luther nicht bloss das Verhältnis der Seele zu Gott und Christus, sondern auch ihre wahrhafte, geistliche Zugehörigkeit zur Kirche, deren wahres Wesen ja eben in der Gemeinschaft mit Christus steht, nicht durch irgend welche menschlich kirchliche Gewalten, sondern allein durch eignes Verhalten zu Gott, zur göttlichen Gnade und zu den sittlichen Geboten Gottes bedingt. | |
48 cMehr und mehr tritt so eine neue Anschauung vom Wesen der Kirche überhaupt zu Tage. Ja auch der äussere Genuss der Sakramente, wofern ein Christ seine Schuld desselben beraubt wird, ist nicht mehr ein unbedingtes Erfordernis für sein Heil; es gilt hierfür der jetzt so oft von Luther ausgesprochene Satz, dass die Seele nicht durch das Sakrament selbst, sondern durch den Glauben gerecht- (213) fertigt werde; das göttliche Wort, an welches der Glaube sich hält, und das Gebet, in welchem sie frei zu Gott sich erhebt, verbleibt ihr ja doch unbeeintrachtigt. | |
49 Auch jetzt wiederholt übrigens Luther, wie in den Resolutionen: man solle dennoch auch einen ungerechten Bann geduldig ertragen, - nämlich wie ein von Gott verhängtes äusseres Leiden; denn auch die Gewalt der Kirche zu diesem äusserlichen Bannen sei ihr von oben gegeben und müsse deshalb gefürchtet und geehrt werden, auch wenn Gott sie unsrer Sünden wegen in die Hand eines Kaiphas oder Pilatus oder noch ärgerer Tyrannen gelegt habe, -- ebenso wie Christus auch den Kaiphas und Pilatus geehrt habe. -- Ausfälle auf die Tyrannei päpstlicher Kommissäre, welche er auf der Kanzel gethan, scheint Luther in dem gedruckten Sermon weggelassen zu haben, um hier ganz nur eine ruhige Lehrausführung zu geben. (n213) | |
50 Schon rüstete sich Luther noch auf weitere, schärfere Polemik. Namentlich erklärte er, dass er, wenn Prierias ihn ferner herausfordern sollte, seinem Geist und seiner Feder gegenihn freien Lauf lassen werde; er werde ihm zeigen, dass es in Deutschland Leute gebe, welche sich auf die schlauen Künste und Tücken der Römer wohl verstehen. | |
51 Dem Staupitz versicherte er, dass die römische Citation und die andern Drohungen keinen Eindruck auf ihn machen, und fügte hierzu die merkwürdigen Worte: "ich leide, wie Du weisst, unvergleichlich Schlimmeres, was mich nötigt, jene zeitlichen und augenblicklichen Blitze leicht zu nehmen". Er meinte hiermit ohne Zweifel persönliche, innere, wohl mit leiblichen Affektionen zusammenhängende Leiden und Anfechtungen, wie sie bei ihm dem Staupitz schon von früher her bekannt waren und wie sie später noch oft mit neuer Heftigkeit über ihn kamen. | |
52 Es waren, wie wir näher wieder bei diesen späteren Vorgängen sehen werden, Anfechtungen, bei welchen ihm immer noch wie früher um sein persönliches Heil im Gedanken an die verborgenen Tiefen des göttlichen Willens bange wurde, während ihm der Weg, auf dem Gottes Gnade zur Seligkeit führe, jetzt an sich klar und gewiss war; es fragte sich für ihn, ob er denn auch persönlich den erforderlichen Glauben oder das Vertrauen zu dieser Gnade habe und haben könne, -- ob er von Gott dazu erwählt se u. s. w. | |
53 Menschliche Drohungen erscheinen ihm hiergegen geringfühig. Wohl aber mussten diese inneren Zustände auch auf die Art, wie er seine Überzeugungen weiter verfolgte, einwirken. Sie dienen mit zur Erklärung für die Kühnheit, womit er jetzt ohne Menschenscheu weiter streitet, und zugleich für jene Versuche, doch noch möglichst am bestehenden Kirchentum festzuhalten, um ja nichts gegen Gottes Willen zu thun, -- für sein nur ganz allmähliches Voranschreiten und auch wieder für die heftige, gewaltsame Weise, wie er zu neuen Schritten sich erhebt. (n213a) (214) | |
54 Unter allen den äusseren und inneren Kämpfen wandte Luther endlich seine stete besondere Thätigkeit und Fürsorge der Universität zu, welcher er diente. Und eben von hier aus eröffneten sich ihm auch für ein erfolgreiches Einwirken auf die Kirche noch die besten Hoffnungen. Denn die Jugend was es ja, auf der für ihn, wie wir ihn selbst sagen hörten, seine Aussichten ruhten. Unter den Lehrern eiferte ihm jetzt besonders Carlstadt nach. Ja seinem Standpunkte stimmten, wie er dem Trutvetter versichern konnte, schon alle seine theologischen Kollegen mit Ausnahme eines einzigen Lizentiaten beharrlich bei. | |
55 Die Studierenden drängten sich in diejenigen Vorlesungen, denen er weitaus den grössten Wert beilegte, -- in die Vorlesungen über die heilige Schrift. Seine eigne Hauptvorlesung war damals die über den Galaterbrief. Es wurde Bedürfnis, mit Rucksicht auf die neuen Studien auch die Leistungen behufs ERlangung der akademischen Grade und Würden zu ändern. Ein Brief Luthers aus den nächstfolgenden Semester berichtet, das Studium werde in Wittenberg mit Feuereifer und Ameisenfleiss betrieben. Der Eifer für biblischen Studien verbreitete sich mächtig bereits auch unter die Studierenden der Leipziger Universität. (n214) | |
56 Eben jetzt erfüllte sich auch Luthers Verlangen nach einem tüchtigen Lehrer der griechischen Sprache in einer Weise, welche alles sein Hoffen überstieg. Als Lehrer des Griechischen wurde ihm der künftige grösste Genosse seiner Arbeiten und Erfolge, Philipp Melanchthin, zugeführt. Dieser, erst einundzwansig Jahre alt und in seiner äussern Erscheinung fast noch ein Knabe, aber wegen seiner Begabung und klassischen Bildung sogar für Erasmus ein Gegenstand der Bewunderung, wurde vom Kurfürsten auf Reuchlins Empfehlung berufen und führte sich am 29. August, am vierten Tag nach seiner Ankunft in Wittenberg, mit einer Antrittsrede bei der Universität ein. | |
57 Mit Freuden hörte ihn Luther gleich hier gegen die Verderbnisse der bisherigen scholastischen Wissenschaft sich aussprechen, die Sprachstudien, welche zur heilige Schrift und zu Christus hinführen sollen, empfehlen und bereits neben einer Vorlesung über Homer auch eine über den Titusbrief ankündigen. Bewundernd äusserte er sich in Briefen über die Reife und die ungemeinen Kenntnisse dieses Jünglings. Mit ängstlicher Sorgfalt bat er Spalatin, beim Kurfürsten dahin zu wirken, dass auch Melanchthons zarte Gesundheit Rücksicht genommen und dass er nicht durch Anbietungen, welche ihm bereits von Leipzig aus gemacht wurden, der Universität, deren Zierde er sei, wieder entrissen werde. Eifrig suchte sogleich auch er selbst mit Melanchthons Hülfe sich im Griechischem weiter zu bilden. (n214a) | |
58 Während Luther so trotz der Gefahr, mit welcher er durch die Citation nach Rom bedroht war, weiter lehrte und stritt, wurde dieselbe für ihn durch seinen Kurfürsten und durch Verhältnisse und Rücksichten, die dem (215) Papste wichtiger als der Handel mit dem deutschen Mönche waren, wenigstens bis auf weiteres noch abgelenkt. (n215) | |
59 Luthers Freunde gerieten wohl auf den Plan, der Kurfürst möge ihm das freie Geleit für die Reise durch Sachsen verweigern und ihm hiermit einen Entschuldigungsgrund dafür, dass er nicht nach Rom komme, an die Hand geben; Luther selbst schrieb hierüber an Spalatin. Der Kurfürst aber beharrte vielmer bei der Absicht, eine kirchliche Verhandlung über Luther und mit Luther auf deutschem Boden herbeizuführen. | |
60 Er wandte sich in Augsburg wegen Luthers persönlich an Cajetan. Und dieser wusste, welche Rücksicht er aufh ihn zu nehmen hatte. Denn Kurfürst Friedrich war vermöge seiner reifen Erfahrung, Einsicht und Klugheit vom grössten Gewicht im Rate des deutschen Reiches. Und wie schwer die deutschen Reichstände samt ihm für die Zwecke des Papstes zu gewinnen waren, zeigte eben jetzt der Augsburger Reichstag: sie wiesen eine für den Türkenkrieg bestimmte Steuer ab und erneuerten dagegen ihre alten Beschwerden über die unbefugten und geldgierigen Eingriffe des Papstes in die Angelegenheiten der Kirche Deutschlands. |
61 Andererseits sah sich der Papst durch den Plan Kaiser Maximilians, die deutsche Kaiserthrone seinem Enkel Karl, dem Herrscher Spaniens und Neapels, zuzuwenden, in seiner Machtstellung sehr schwer bedroht; eben jetzt bemühte sich dieser, die Reichsfürsten hierfür zu gewinnen, und es lag daran, wie Friedrich sich hierzu verhalten werde. | |
62 So äusserte sich denn Cajetan, von dessen Aufträgen an den Kaiser und die Fürsten Luther Schlimmes vernommen hatte, gegen den Kurfürsten über Erwarten mild und vertraulich, wie Spalatin am 5. September noch von Augsburg aus Luthern berichtete. | |
63 In Friedrichs Auftrag verwandte sich Spalatin auch noch beim kaiserlichen Rat Renner dahin, dass der Kaiser den Papst bestimmen möge, Luthers Citation ruhen zu lassen und die Untersuchung gegen ihn deutschen Bischöfen und einer unparteiischen deutschen Universität zu übertragen. | |
64 Der Papst selbst erliess zwar unter dem 23. August ein Schreiben an den Kurfürsten, in welchem er Luther bereits als ein ausgemachtes "Kind der Bosheit" bezeichnete, dem Fürsten bemerklich machte, dass derselbe seines Schutzes sich rühme, und von ihm forderte, denselben gemäss der Requisition Cajetans in die Gewalt des päpstlichen Stuhles abführen zu lassen. Er respektierte aber den Kurfürsten doch so sehr, dass er gleich darauf, um ihm sich zu verbinden, ein grosses Zeichen seiner Huld, nämlich die geweihte goldene Rose, ihm zudachte: so meldete sich Kammerherr Karl von Miltitz aus Rom am 10. September dem Spalatin. | |
65 Cajetan berichtete in der ersten Hälfte des Septembers über jenen Wunsch des Kurfürsten nach Rom, wovon dieser selbst LUthern mit dem (216) Bemerken, dass er das weitere zu erwarten habe, die Mitteilung machte. Endlich verstand er sich -- wir wissen nicht ob aus eigner Vollmacht oder mit ausdrücklicher päpstlicher Genehmigung -- wenigstens dazu, dass er selber in Augsburg den Luther vernehmen wolle. Friedrich ging auch hierauf ein. | |
66 Mit banger Teilnahme sahen Luthers Freunde dem weiteren Verlauf seiner Sache entgegen. | |
67 Der gelehrte und besonders ums alttestamentliche Studium sehr verdiente, mit Erasmus eng befreundete Basler Prediger Capito, der schon früher mit Zwingli von einem Sturze des Papsttums geredet hatte, mit Luther schon im Februar 1518 korrespondierte, eben jetzt eine Ausgabe der gesallemten Schriften Luthers in Basel veranstaltete und später Butzers Kollege bei der Reformation Strassburgs wurde, schrieb am 4. September an Luther: er möge doch, obgleich mit den Waffen der Wahrheit ausgerüstet, den Scharen der Feinde, welche mit Waffen ganz andrer Art kämpfen, nicht so offen die Brust darbieten, -- möge namentlich den Papst nicht reizen, -- möge sich im Disputieren ein Fenster zum Ausweg offen halten u. s. w. -- | |
68 Staupitz, welcher damals in Salzburg bei dem ihm sehr gewogenen dortigen Erzbischofe sich aufhielt, äusserte sich über Luther tief bewegt in einem Brief an Spalatin, worin er Luthers Sache auch zur seinigen machte, seine Hoffnung auf den alles beherrschenden Gott und die freilich auch durch Leiden und Tod zu bezeugende Wahrheit setzte und in betreff des Kurfürsten nur wünschte, dass derselbe ohne persönliche Rücksicht auf ihn oder Luther allein darum sich bemühen möge, der Wahrheit noch einen Ort zu sichern, wo sie reden könne. | |
69 Luthern selbst aber schrieb er am 14. September: "Ich sehe nichts, was auf Dich wartet, als das Kreuz; -- Du hast wenig Gönner, und o dass sie sich verbergen aus Furcht vor den Feinden; meine Meinung ist, Du solltest Wittenberg zur Zeit verlassen und zu mir kommen, damit wir miteinander leben und sterben". -- | |
70 Der Rektor und die Doktoren der Universität verwandten sich noch unter dem 25. September in einer Bittschrift an den Papst und einem Brief an Miltitz, ihren deutschen Landsmann in Rom, dafür, dass die Untersuchung gegen Luther in Deutschland geführt werden möge; sie bezeugten, ihn stets als ein ausnehmend gelehrtes, sittenreines, rechtgläubiges Glied ihrer Hochschule gekannt zu haben, wenn er gleich jetzt im Disputieren vielleicht zu weit gegangen sein sollte; auch machten sie geltend, dass sein schwacher Leib den Anstrengungen und Gefahren einer Reise nach Rom nicht gewachsen sei. -- | |
71 Als endlich Luthers Vorladung nach Augsburg bekannt wurde, da erhielt er von Freunden und Bekannten, auch von hochgestellten Männern geistlichen und weltlichen Standes dringende Warnungen ihr zu folgen, ja alle seine Freunde rieten ihm ab. Was konnte der päpstliche Legat dort (217) mit ihm vorhaben, der ja vom Papst als "Kind der Sünde" schon so gut wie verdammt war? Und bereits unterwegs, hiess es, laure man ihm auf, um ihm durchs Schwert oder durch Gift ein Ende zu machen. So hatte auch schon früher, im Juli, der Graf Albrecht von Mansfeld einmal an Luthers Freund Lange geschrieben, man solle ihn nicht aus Wittenberg gehen lassen, weil von gewissen grossen Herren Anstalten getroffen seien, ihn aus dem Weg zu räumen. | |
72 Luther aber folgte ohne Widerrede der Weisung seines Fürsten, der ihn im Vertrauen auf Cajetans Redlichkeit nicht einmal vorher um sicheres Geleit für die Reise und Rückreise beim Kaiser nachsuchen liess. Er selbst bekannte indessen später noch, er habe sich doch sehr gefürchtet, weil er so allein gestanden habe. Sein Gedanke sei gewesen: "nu muss ich sterben". Den Scheiterhaufen vor den augen sei er gereist und habe oft gesagt: "ach wie eine Schande werde ich meinen lieben Eltern sein". (n217) | |
73 cVidere til Koestlin3,5a! | |
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Noter:
n204a: Op. 1, 16. T. R. 3, 197. Löscher
2 8 Tzl 1,283 Gieseler a. a. O. 38. Janus, der Papst u. d. Konzil S. 381.
n205: Op. 2, 70. Kolde, Aug. cong. 313.
n206: Silvestri-dialogus. Op. 1, 334sqq. Gegen
die Zeitbestimmung bei Plitt u. Pet. 83ff. s. Anm. 1 zu S. 204 u. Anm 1
zu S. 240.
n207: Op. 2, 355. 359. 401. 441. Br. 1,131.
n207a Löscher 2,312f. 308ff. Jäger,
Zts. f. h. Th. 1858 S. 432ff. Janus 398.
n208: Op. 2, 349. EA 64, 361 (fra Luthers
tischreden, citatet i #23 er fra Luther selv) Seck. 1, 42 sq. Herz. Enc.
18,177.
n209: Diet. 173. T.R. 3,269. 81. C. 3, 176.
n209a: Br 1.131. - Nicht hierher gehört
Friedrichs des Weisen Antwort an Kardinal Raphael auf den ihm am 7. Juli
überbrachten Brief des Kardinals vom 3. April (Op. 2, 351sq.) Denn
er wird fälschlich vom 5. August 1518 datiert (vgl. hiegegen auch
die Erwähnung des Erzb. v. Trier in demselben. Der Brief des Kardinal
ist in seinem zu Weimar befindlichen Original "Romae 3. April 1520" datiert,
das eben dort befindliche Konzept des kurfürstlichen Briefs aus Lochau
vom 10. Juli 1520 (Knaake). (Stedet i teksten, hvorfra der henvises til
note 209a, mangler; jeg har indføjet det, hvor jeg synes, det kunne
passe, rr).
n211: Ad dialog. -- -- responsio Op. 2, 1sqq.
Br. 1,131ff. 141. Auf Nikol. de Tud. bezieht sich Luther ebenso noch Diet.
56. Über ihn und andere dieser Richtung: Langen, das vatik. Dogma,
Th 3.
n213: EA 16,10. -- S. de virt. excommunic.
Op. 2,298 sqq. Br 1, 130, 134. 138. Bk. 12. Br. 1,84f (vgl Anm. 1 zu S.
204). Brief Spalatins (Cod. Goth. 399): Anm. 1, zu S. 190.
n213a: Br 1, 137
n214: Br. 1, 108.138.140. 193 Seck. 1,90.
n214a: Br. 1, 134f. 140f. 138. 212ff.; oben
S. 116; C. R. 11,866; Br 2,314.
n215: Zum Folgenden: Br. 1, 133. Bek. 11.
Löscher 2, 445. Op. 2, 352sqq. Seidemann, K. v. Miltitz S. 3f. Löscher
2, 553. Br. 141.
n217: Seck. 1,176. Scultet. Annal.Evangel.
Dec. I p. 32. Baum, Cap. u. Butzer S. 36. Jen. 1, 384b. Löscher 2,445.
Op. 2, 361sqq. Br. 1, 176. 184. 129. Val. Bav. 1, 353. C. 2, 175.