Julius Köstlin: Luther, sein Leben und seine Schriften
Drittes Buch:
Das reformatorische Werk und der fortschreitende Kampf, vom Ablassstreit 1511 bis zum Wormser Reichstag 1521.
Eberfeld 1883

Kap. 18:

Luther in Worms.


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Inhalt: Die Reise nach Worms. Begrüssung in Erfurt 439 #2 -- Kaiserliches Edikt gegen Luthers Schriften 441 #12 -- Luthers Einladung auf die Ebernburg 442 #17 -- Ankunft in Worms 443 #22 -- Berufung vor die Reichsversammlung 444 #26 -- Luther vor Kaiser und Reich am 17. April 445 #29 -- Die Bedenkzeit 447 #38 -- Donnerstag, den 18. April, zweite Verantwortung 448 #41 -- Die Bedeutung des Tages 454 #70 -- Weitere Unterhandlungen mit Luther 455 #79 -- Luther vor die Kommission des Reichstages, am 24. April 458 #87 -- Luther und Cochläus 459 #92 -- Verhandlungen des 25. April 460 #97 -- Des Kaisers Bescheid 462 #105 -- Abschied von Worms am 26. April 463 #108 -- Entführung auf die Wartburg 465 #114 -- Die Reichsacht 466 #120.
 
1 Achtzehntes Kapitel
Luther in Worms. 
       Spätestens am 16. musste Luther, wenn er die Citation am 26. des vorigen Monats erhalten hatte, sich vor dem Kaiser stellen. Die Zeit bis dahin genügte gerade, um die Reise ohne unnötigen Aufenhalt, jedoch auch ohne zu grosse Anstrengung zurückzulegen. (n439
        Luther nahm seinen Freund und Kollegen Amsdorf und den begabten jungen pommerschen Edelmann Peter Swaven, der damals in Wittenberg studierte und mit ihm und Melanchthon befreundet war, mit sich. Er wurde ferner, wie es seine Ordensregel forderte, auch jetzt wieder, wie auf seiner Reise nach Augsburg, von einem Wittenberger Ordensbruder begleitet, nämlich diesmal von Johann Pezensteiner aus Nürnberg, einem allem nach unbedeutentenden, übrigens gutmütigen Manne. Sein Freund Schurf, der Jurist, den man öfters seinen Begleitern beigezählt hat, befand sich schon vor ihm beim Reichstag. Jene vier sassen beisammen in einem Wagen, der eine Decke gegen Sonne und Regen hatte. Wagen und Pferde gab ihnen der Wittenberger Magistrat. (n439a
3         Die ganze Fahrt nahm, im direkten Gegensatz gegen die Wünsche des römischen Legaten, einen gewissen öffentlichen Charakter an. Der kaiserliche Herold geleitete sie, vorausreitend. Wie der Kaiser, so hatten auch die verschiedenen Fürsten, durch deren Gebiete der Weg ging, Geleitsbriefe ausgestellt. In Leipzig wurde Luther wenigstens mit der gewöhnlichen Ehrengabe des Weines vom Magistrat empfangen. In den thüringischen Städten und weiterhin strömte, wie der damals in Weimar lebende Mykonius berichtet, das Volk ihm entgegen, um den Wundermann zu sehen, welcher so kühn wäre und wider den Papst und alle Welt, die diesen für einen Gott halte, sich zu legen wagte. 
4         In Erfurt, wohin Luther sich schon am 29. März seinem Freund Lange angesagt hatte, wurde er bei der Universität, deren Schüler er gewesen war, mit Begeisterung begrüsst. Dort glänzte damals Eoban Hesse als Poet und Lehrer der schönen Wissenschaften. Das Rektorat bekleidete Crotus, der im vorigen Herbst bei einem Besuch in Erfurt als Lehrer festgehalten worden war. Der gleichfalls den Humanisten zugehörige Jonas, welcher als Jurist und jetzt auch als Theolog dort arbeitete, war Luthern auch schon verbunden und sollte eben damals als Lehrer des Kirchenrechts nach Wittenberg gerufen werden. 
5   Unter den Mitgliedern der theologischen Fakultät eiferte Lange für Luthers Sache, während die Anhänger des alten sich zurückhalten mussten. So wurde Luther jetzt, nachdem Jonas ihm schon bis Weimar entgegengereist war, vom Rektor der Uni- (440) versität an der Spitze eines stattlichen Zuges, darunter vierzig zu Pferd, an der Grenze des städtischen Gebietes feierlich eingeholt. Crotus hielt eine begeisterte Ansprache. Auch Eoban sprach, wie er selbst erzählt, einige stammelnde Worte. In der Feier, die hier dem Reformator bereitet wurde, und in den darauf folgenden Beschreibungen derselben hat die Teilnahme der "Poeten" für ihn ihren gesteigertsten Ausdruck gefunden: mit feurigem Enthusiamus, doch auch nicht ohne den Schwulst und die Übertreibungen, die ihnen anzuhängen pflegten. Crotus schrieb nachher an Johann Hess in Schlesien: der Pomp habe dem "frommen Vater" nicht zugesagt; aber das Wort Gottes, dessen Vorkämpfer er sei, habe geehrt werden müssen. 
6        Luther brachte den Sonntag (7. April) in Erfurt zu und hielt eine Predigt über das Evangelium des Tages Joh. 20,19-23, die von einem Zuhörer niedergeschrieben und wegen der gegen sie erhobenen üblen Nachreden in den Druck gegeben wurde. (serm-joh20#1) Von seinem grossen Gang nach Worms, von seinem ermunternden Empfang durch die Erfurter u. s. w. berührt er darin garnichts. Er predigt vom Kern aller Christenlehre -- wie man "fromm werde und zur ewigen Seligkeit komme", nicht durch eigne Werke, sondern durch Christus im Glauben; er mahnt, wie die von Christus gesandten Hirten die Schafe weiden müssen, -- indem sie Gottes Wort und den Glauben verkünden. 
7  Da wird die Rede zur Warnung und Strafrede gegen diejenigen, welche aus der Frömmigkeit äussere Werke und einen Gehorsam gegen des Papstes Gebote machen, -- auch gegen diejenigen, welche den lieben "Aristoteles" einmischen, der doch wider Gott sei. Er sagt: "es sind wohl dreitausend Pfaffen, unter denen man nicht vier rechte findet: Gott erbarme sich über den Jammer!" Auf den alten Einwand, dass "vor hundert oder fünfzig Jahre auch gelehrte Leute gewesen", entgegnet er: "ich frage nach der Länge oder Menge nichts; -- ich will die Wahrheit sagen und muss es thun, darum stehe ich hier". 
8  Jene Nachreden gegen seine Predigt haben hiernach nichts Verwunderliches. Eoban aber versicherte, von der Gewalt seines Mundes seien die Herzen geschmolzen wie Schnee von Hauche des Frühlings, als er den jahrhundertelang verschlossenen Weg zu des Himmels Gütern gezeigt habe. Dabei ereignete sich, dass in der übervollen Kirche während der Predigt ein Krachen auf den Emporen entstand, durch welches erschreckt die Menge fliehen wollte. Luther aber sprach: "Ich kenne deine Tücke, Satan", und beruhigte die Zuhörer. 
9       Auch in Gotha und Eisenach predigte Luther. Ein Verbot, dies zu thun, war ihm für die Herreise nach Worms nicht zugekommen. Denn jener Wunsch der Reichstände, dass er mit Predigen und Lehren innehalte, war nicht zu einem Edikt für ihn erhoben worden. Aus Gotha wurde als bedeutsam erzählt, dass hier nach der Predigt der Teufel Steine vom Giebel der Kirche abgerissen habe. (441) 
10      Auf dem weiteren Wege, von Eisenach über Berka, Gersfeld, Grünberg, Friedberg nach Frankfurt hatte Luther, wie er von hier aus dem Spalatin erzählt, fortwährend mit Krankheit zu kämpfen: der Satan, sagt er, habe ihn am Kommen verhindern wollen. 
11        In Frankfurt traf er am 14. April, einen Sonntag, ein. Hier war ihm und seiner Sache besonders der angesehene Gelehrte Wilhelm Nesen befreundet, welcher einer Schule für die Frankfurter Patriziersöhne vorstand. Luther übernachtete in dem dieser Schule gegenüber liegenden Gasthaus zum Strauss auf dem Kornmarkt. Ohne Zweifel war er da mit Nesen zusammen; er soll auch zwei Zöglingen Nesens segnend die Hände aufgelegt haben. Eine hochbetagte Matrone, Gilbert von Holtzhausens Witwe, begrüsste ihn, seine Hand küssend, und schickte ihm zwei Mass Malvasierweins. Hier, auf dieser letzten Hauptstation vor Worms, mag sich zugetragen haben, was der eben hier wohnhafte Papist Cochläus, damals Dechant am Frankfurter Liebfrauenstifte, in spottender und schmähender Absicht erzählt hat: dass nämlich Luther, wie überhaupt auf seine Reise in den Herbergen gezecht und auch Musik getrieben worden sei, sogar einmal selbst hell die Laute geschlagen und aller Augen auf sich gerichtet habe. 
12        Noch auf der Reise durch Thüringen aber hatte Luther die Nachricht erhalten, dass jenes Edikt vom 10. März, welches die Auslieferung seiner Bücher gebot (oben S. 435 = 3,17#105), veröffentlicht worden sei. Dasselbe war schon am 26. März in Worms an den Kirchenthüren angeheftet und am 27. öffentlich ausgerufen worden. Bereits fand er es auch in den Städten, durch die er weiter reiste, angeschlagen. Laut seiner Citation war er zu einer Untersuchung in betreff seiner Lehre vorgeladen: das Mandat nahm einfach die päpstliche Verurteilung derselben für endgültig; es besagte: die Bücher sollen überantwortet werden, "dieweil alle in päpstlicher Bullen verdammt und verboten und wider unsern bisher geglaubten und gehaltenen christlichen Glauben, Lehre, Satzung und Gebrauch sein". (n441
13c        Der Kaiser gab kein Motiv an, weshalb er jetzt doch auf einmal mit dieser Verfügung hervortrete. Sie wollte jedenfalls Luthern und seinen Gönnern alle Aussicht darauf abschneiden, dass eine Verhandlung über die Berechtigung oder Verwerflichkeit seiner Lehre noch werde zugelassen werden. Luther sollte entweder noch von der Reise nach Worms zurückgeschreckt und dann nur um so gewisser verurteilt und unschädlich gemacht werden: man hätte ihm vor dem Reichstag Ungehorsam gegen den Kaiser, vor dem Volke Mangel an Mut vorgeworfen; oder sollte die Überraschung und Angst ihn doch noch zum Entschluss eines Widerrufes bringen. 
14 Die römisch Gesinnten scheinen meist das erste gehofft zu haben; schon hörte man sie triumphierend äussern, er werde nicht kommen. Auch fragte man ihn der kaiserliche Herold, ob er dennoch gen Worms zu ziehen gedenke. -- Luther selbst (442) erzählt später, er sei da wohl erschrocken und habe gezittert. Aber er zögerte nicht. Aus Frankfurt schrieb er an Spalatin: "ich vernehme, dass ein kaiserlicher Befehl ausgegangen ist mich zu erschrecken; doch Christus lebt und wir werden in Worms einziehen trotz allen Pforten der Hölle und den bösen Geistern, die in der Luft herrschen". (Ephes. 2,2). 
15        Unter Luthers Freunden in Worms war Bestürzung und Unschlüssigkeit, was man ihm raten solle. Wir haben darüber noch ein schriftliches Bedenken, welches Kanzler Brück dem Spalatin aufsetzte. Die einen meinten: der Kaiser achte laut seines Mandats Luther bereits für einen verdammten Ketzer; einem Ketzer dürfe man nach päpstlichem Recht das Geleit nicht halten; leicht werden die Papisten ein Fündlein finden, den Kaiser zu überreden, dass er es auch Luthern, falls dieser den Widerruf verweigere, nicht zu halten habe. 
16 Luther möge demnach nicht kommen, sondern nochmals um ordentliche Vernehmung bitten. Die andern vertrauten auf die Fürsten, welche einen Bruch des Geleits nicht dulden würden, und auch auf die Ehrenhaftigkeit des Kaisers, der noch in dem Mandat des sicheren Geleites gedacht hatte; zugleich bemerkten sie, dass eben sein Nichtkommen von allen seinen Widersachern samt dem Kaiser gewünscht werde; Brück fügt bei: ein spanischer Sekretär bane ihn befragt, ob Luther wohl kommen werde, und sei über seine bejahende Antwort ganz entsetzt gewesen. Spalatin selbst aber schickte eine Warnung an Luther, während dieser schon von Frankfurt heranreiste; er verwies ihn auf das Schicksal des Hus. 
17        Noch eine andere Botschaft kam ihm in Oppenhagen zu. Bei seinem Gönner Sickingen, bei welchem Hutten und der Theolog Butzer sich befanden, war auf der Ebernburg kurz zuvor der kaiserliche Beichtvater mit dem kaiserlichen Kämmerer Paul von Amsdorf persönlich erschienen. Sie stellten sich an, als thäten sie den Schritt aus eignem Antrieb, während sie ihn natürlich nicht ohne Wissen und Einverständnis ihres Herrn und seiner andern Räte unternehmen konnten. Da sprach Glapio scheinbar sehr unbefangen mit den beiden Rittern, ganz ähnlich wie einige Wochen früher (oben S. 420 = 3,17#43) mit Kanzler Brück, über die kirchliche Bewegung. Er wollte, wie Hutten berichtet, durchaus nicht leugnen, dass Luther das Verdienst zukomme, wieder die Thüre in den tiefsten Inhalt der heiligen Schriften geöffnet zu haben. 
18 Ja er beantragte, dass Luther, anstatt nach Worms weiterzureisen, mit ihm selbst unter dem sichern Dache Sickingens sich besprechen möge. Es war ihm ohne Zweifel vor den Wirkungen bange, die der kühne Bekenner in Worms erzielen könnte, und vor den Anschlägen der Ritter zu seinen Gunsten. Über die allgemeine Begeisterung des Volkes für Luther hatte auch der kaiserliche Herold zu berichten. Von der Bestürzung, welche sein Kommen bei vielen in Worms erregte, meldete auch Aleander nach Rom. Da mochte denn der vielgewandte Mann sich's zu- (443) trauen, ihn noch im letzten Augenblick durch seine persönliche Einwirkung, durch scheinbares Wohlwollen, Fürsorge für seine Sicherheit und Interesse für das, was in seinen Leistungen Anerkennung verdiene, geschmeidig zu machen oder wenigstens durch seien Vorstellungen ihn einzuschüchtern, zi erschüttern und zu verwirren. 
19 Jedenfalls aber verlor Luther, wenn er sich auf die Ebernburg ziehen liess, die Zeit, um zum vorgeschriebenen Termin in Worms einzutreffen, und hiermit den Anspruch aufs freie Geleite: er musste dan ganz von Worms wegbleiben oder war dort der äussersten Gefahr ohne Rechtsschutz ausgesetzt. Von Glapio vernam man in Worms auch in betreff des Edikts vom 10. März das Hoffnung erregende Wort: der Kaiser habe es nur zu einem Spiegelfechten ausgehen lassen, auf Andringen der Könige von Frankreich und England. 
20 Auf der Ebernburg gelang es ihm, jenen Männern so viel Vertrauen abzugewinnen, dass sie seinem Antrage zustimmten. Hutten und Butzer sprachen hoffnungsvoll in Briefen von dem dort verhandelten merkwürdigen Geheimnisse. Butzer brachte die Einladung dorthin an Luther nach Oppenheim. Dieser musste sich entscheiden, ob er die Aufgabe und Gefahr, die in Worms vor ihm stand, wirklich bestehen, oder nach dem Rat jener Freunde unter Sickingens Schutz den Ausweg versuchen wollte, der ihm von seiten des kaiserlichen Hofes selbst noch im letzten Augenblick dargeboten wurde. 
21       Luther aber kannte nur den geraden Weg. Er erklärte, wie er von Oppenheim aus dem warnenden Spalatin schrieb: er wolle gen Worms, wenn auch so viel Teufel drin wären als Ziegel auf den Dächern; wenn gleich Hus zu Feuer verbrannt worden sei, so sei doch die Wahrheit nicht verbrannt. Dem Butzer erwiderte er: wenn des Kaisers Beichtvater etwas mit ihm zu reden habe, könne er's in Worms thun. So zog er weiter: Über die Stimmung, die ihn damals beseelte, äusserte er noch wenige Tage vor seinem Tod: "Ich war unerschrocken, fürchtete mich nichts, Gott kann einen wohl so toll machen; ich weiss nicht, ob ich itzt auch so freudig wäre". (n443
22        Am 16. April, einem Dienstag, langte Luther vormittags um zehn Uhr in Worms an. Er fuhr in seiner Mönchstracht auf offenem Wagen, mit seinem Ordensbruder, Amsdorf und Peter Swaven. Voran ritt der kaiserliche Herold, den Wappenrock mit dem Reichadler umgehängt, samt einem Diener. Hinter Luthers Wagen folgte zu Pferd Justus Jonas mit einem Diener: er hatte sich an Luther in Erfurt angeschlossen. Eine Schar reitender Begleiter hatte unterwegs sich um Luther gesammelt; andere ritten aus Worms entgegen, namentlich drei Herren vom kursächsischen Hof. Nach einem Bericht, welchen der Legat Aleander nach Rom schickte, kam der "grosse Häresiarch" gar mit etwa hundert Pferden ans Thor der Stadt. 
23 Durch die Stadt geleiteten ihn etwa zwanzig Herren und Diener, (444) einige vor, die meisten hinter seinem Wagen reitend. Es war, als er durch die Stadt fuhr, die Zeit des Frühmahls, das heisst nach damaliger Sitte einer ordentliche Mahlzeit. Dennoch eilte, als der Wächter auf dem Thurm des Doms seine Ankunft mit Trompetenstoss anzeigte, eine Menge Volks herbei, ihn zu sehen. Man zählte an zweitausend Menschen, die sich um ihn drängten. 
24       Luther erhielt seine Herberge in einem Hause der Johanniterritter, neben den kursächsischen Räten Philipp von Feilitzsch (der ihm 1518 in Augsburg zuseite stand) und Friedrich von Thun; ebendaselbst wohnte der Reicherbmarschal Ulrich von Pappenheim, ganz in der Nähe der Kurfürst Friedrich. (n444
        Als Luther dort vom Wagen stieg, blickte er, wie Aleander schreibt, mit seinen "dämonischen Augen" um sich und sprach: "Gott wird mit mir sein". Zwei Herren des kurfürstlichen Hofs, die ihm auch entgegen geritten waren, Bernhard von Hirschfeld und Hans Schott, nahmen ihn auf und führten ihn in di Wohnung. 
25        Die römisch Gesinnten erschracken über seine Ankunft. Seinen Freunden -- auch denen, welche vorher über die Folgen ängstlich waren, wie Spalatin, war sein getrostes Erscheinen eine grosse Ermunterung. Gleich an jenem Tage erhielt er von vielen Grafen und anderen Adeligen, Priestern und Laien Besuche bis tief in die Nacht hinein.
         Dem Glapio liess er sofort melden, dass er jetzt zu einem Gespräch mit ihm bereit stehe. Jener erwiderte aber, jetzt wäre es umsonst. Auf seiten des Kaisers war beschlossen, jetzt unverzüglich die Entscheidung vor dem Reich herbeizuführen. 
26       Schon am nächsten Morgen vor dem Frühmahl wurde Luther durch Pappenheim auf abends vier Uhr vor die Reichsversammlung citiert. 
       Luther machte an diesem Morgen noch einen Krankenbesuch bei Ritter Hans von Minkwitz, liess ihm beichten und reichte ihm das Sakrament. 
27 c       Nachmittags versammelte sich der Reichstag in einem Saale ihre bischöfliche Palastes, wo der Kaiser und sein Bruder Ferdinand ihre Wohnung hatten (dieses Lokal, wo der "Reichsrat" standfand, heisst deshalb später in Luthers Tischreden "Rathaus"). Dorthin wurde Luther von Pappenheim und dem Herold Sturm geleitet. Sie führten ihn, weil das Volksgedränge auf den Strassen zu gross war, durch den Garten der Johanniter und auf Seitenwegen; viele aber suchten auch dort Zugang, ja stiegen auf die Dächer, um Luther zu sehen. (n444a
28          Es verzog sich bis um sechs Uhr, ehe Luther vorgelassen wurde. Damals (wenn nicht erst am folgende Tage) klopfte ihn nach alter Überlieferung der berühmte Kriegsmann und Feldherr Georg von Frundsberg auf die Schulter mit den Worten: "Mönchlein, Mönchlein, Du gehst jetzt (445) einen Gang, einen Stand zu thun, dergleichen ich und mancher Oberster auch in unsern allerernstesten Schlachtordnungen nicht gethan haben; bist Du auf rechter Meinung und Deiner Sache gewiss, so fahre in Gottes Namen fort und sei nur getrost, Gott wird Dich nicht verlassen". (n445
29          Als Luther vor dem Kaiser, den Fürsten und andern Reichsständen stand, wurde er zuerst durch Pappenheim erinnert, dass er nicht reden dürfe, ausser soweit er befragt sei. 
        Ihm gegenüber führte im Auftrag des Kaisers Johann Eck, Offizial des Erzbischof von Trier, -- nicht zu verwechseln mit dem Leipziger Disputator Eck -- das Wort. Als Rechtbeistände waren ihm einige Juristen, namentlich sein Freund Schurf, beigegeben. 
30        Eck erklärte ihm sogleichm lateinisch und dann deutsch, dass er vor den kaiserlichen Thron berufen sei, um auf diese beiden Fragen zu antworten: ob er die hier vorliegenden Bücher für die seinigen anerkenne oder nicht; und: ob er sie und ihren Inhalt widerrufen oder vielmehr darauf beharren wolle. Dazu gab er ihm zu bedenken, dass in denselben viel böse Lehren seien, welche unter dem Volk zu Unzufriedenheit und Aufruhr führen möchten. Neben sich hatte Eck einen Haufen Bücher auf einer Bank liegen.
       Ehe Luther erwidern konnte, rief Schurf: "Man nenne die Titel der Bücher". Eck verlas sie. Es waren mehrere darunter, welche nicht zu den Streitschriften gehörten, wie die Auslegung des Vaterunsers und der Psalmenkommentar. 
31         Dann gab Luther, und zwar zuerst deutsch, dann lateinisch, (n445a) folgende Antwort: Was des Kaisers erste Frage anbelange, so müsse er jene Bücher für die seinigen annehmen und werde nichts davon je ableugnen. Fürs zweite sei er befragt, ob er sie -- und zwar alles gleichmässig -- verteidigen wolle oder widerrufen. Bei dieser Frage aber handle sich's um den Glauben und der Seelen Seligkeit; sie betreffe das göttliche Wort, was das höchste sei im Himmel und auf Erden; da wäre es vermessen und sehr gefährlich, etwas Unbedachtes auszusprechen; er könnte ohne vorherige Überlegung leicht weniger behaupten, als die Sache erforderte, oder mehr, als der Wahrheit gemäss wäre, und durch das eine oder andere jenem Urteile des Herrn verfallen: "wer mich verleugnet vor den Menschen, den werde ich vor meinem himmlischen Vater auch verleugnen". Deshalb bitte er demütig um Bedenkzeit, damit er ohne Nachteil für das göttliche Wort und ohne Gefahr für die eigne Seele dieser Frage genugthun könne. Luther sprach dies, wie der Frankfurter Gesandte berichtet, "mit fast niederer, gelassener Stimme, dass man ihn auch in der Nähe nicht wohl hören mochte, und als ob er erschrocken und entsetzt wäre". 
32        Nachdem hierüber der Kaiser mit seinen Räten und die Stände untereinander zu einer kurzen Beratung zusammengetreten waren, wurde das (446) Ergebnis Luthern durch Eck dahin eröffnet: er habe zwar aus dem kaiserlichen Mandat schon genugsam wissen können, zu was man ihn vorgeladen habe, und sei deshalb nicht würdig, dass man ihm die Bitte gewähre; doch wolle der Kaiser aus angeborener Güte ihm noch einen Tag zur Überlegung schenken, und zwar dürfe er seine Meinung nicht etwa schriftlich ausführen, sondern habe sie mündlich vorzutragen. Eine Minorität im Reichsrat hatte gar keinen Aufschub zulassen wollen. Man fürchtete, dass jede weitere Auseinandersetzung, die man Luthern noch gestatte, die beabsichtigte rasche Entscheidung seiner Sache bei den Reichsständen unmöglich machen und vielmehr in deren eigner Mitte zu gefährlichen Debatten führen möchte. 
33         Unter ermunternden und beifälligen Zurufen der Menge, welche sich in dem Haus und um dasselbe drängte, ging Luther hinweg; man hörte unter anderen eine Stimme: "Selig ist der Leib, der dich getragen". 
          Bei denjenigen Mitgliedern des Reichstages, welche übel von Luther zu urteilen geneigt waren, wurde dieses sein erstes Auftreten vor ihnen sehr ungünstig aufgefasst und ausgelegt, wie ja auch aus der Antwort des Offizials ersichtlich ist. Während Gönner in der Versammlung ihn mit dem Worte Jesu sollen ermuntert haben, dass seinen Jüngern der Geist seines Vaters in der Stunde der Verantwortung geben werde, was sie sagen sollen, konnten Gegner ihm jetzt vorrücken, dass es ihm eben nicht gegeben worden sei; es haben's ihm auch späterhin katholische Schriftsteller fort und fort vorgerückt. 
34 Ferner scheint man, wenigstens unter den anwesenden Spaniern und Italienern, in seiner äusseren Erscheinung und Rede die vor so hohen Herren erforderlichen Formen feiner Bildung vermisst zu haben; wir werden eine Hindeutung darauf in seinen eignen Worten des nächsten Tages finden. Der Kaiser äusserte gleich auf den ersten Eindruck hin, der werde ihn nicht zum Ketzer machen; übrigens fehlte es ihm auch so ganz an Sinn und Urteil für Luthers Persönlichkeit, dass er garnicht begreifen konnte, wie dieser Mann jene Bücher geschrieben haben sollte: wiederholt erklärte er, dass er dies nicht glaube und nie glauben werde. 
35       Wenn nun Luther im Anblick der glänzenden Versammlung, des Kaisers, der päpstlichen Legaten, der Reichsfürsten u. s. w. die üblichen Formen nicht fand, so ist dies nicht z verwundern; ebensowenig, wenn er überrascht und betroffen war durch die Zumutung, alsbald einfach mit Ja oder Nein auf jene ihm vorgelegten Fragen zu antworten: es war nicht wahr, dass er dies im voraus hätte wissen können, da seine Citation nichts davon sagte, dass er nur hierzu berufen sei, noch der Kaiser sonst vorher angekündigt hatte, dass in dieser Weise dem Antrag der Stände entsprochen, noch viel mehr aber dem Wunsch Aleanders genügt werden sollte. 
36 Dazu lautete die Fragstellung (worauf auch Luthers Antwort hindeutet) so, als ob er alle jene Schriften unterschiedlos entweder revozieren (447) oder behaupten müsste, während sich doch erst noch fragen musste, ob nicht gewisse Unterschiede zwischen ihnen von Luther zu machen und von seinen Richtern zuzulassen seien: di Verhandlung des folgenden Tages wird und wirklich hierauf führen. 
37 Mannhaft aber erwies sich Luther jetzt eben auch in jenem Mangel an Formen: er war innerlich ein anderer geworden als damals, wo er vor dem Legaten Cajetan sich auf die Erde warf, er wollte sich den Grossen der Welt nicht demütiger erzeigen, als er jetzt noch war. Klare, ruhige Fassung behielt er trotz der imposante Umgebung und trotz der Fragen, die ihn nicht bloss überraschen, sondern auch indignieren mussten. Und vor allem war er sich richtig bewusst, dass, was er in dieser Hinsicht Unterschiedliches zu sagen habe, von ihm gewissenshalber und im Interesse der Wahrheit so klar, bestimmt und überlegt als möglich müsse ausgesprochen werden; eben zu einer solchen Aussprache hätten ihm unbillige Gegner lieber gar keine Möglichkeit gelassen. Überdies wollte er, so weit es möglich wäre, seiner Antwort auch noch Worte der Rechtfertigung und Mahnung für die Zuhörer beifügen. 
38        Von der Entschlossenheit und innere Ruhe, mit welcher er aus dem Reichstag nach Hause kam, hat sich uns zufällig noch ein Zeugnis in einem kurzen Briefe von ihm erhalten, welchen er damals an den humanistisch gelehrten kaiserlichen Rat Cuspinianus in Wien gerichtet hat. Er hatte über diesen und seine Gesinnung gegen ihn eben jetzt, in Worms, sehr günstiges von einem Bruder desselben vernommen. Da benützte er noch in der Abendstunde, in welcher er vor dem Kaiser gestanden hätte, nach seiner Heimkehr einen freien Augenblick, um ihn brieflich zu begrüssen, meldete ihm zugleich, dass man ihm Widerruf abgefordert und Bedenkzeit bewilligt habe, und setzte bei: "Ich werde aber nicht einen Strich widerrufen, so Christus mir gnädig ist.". 
39       Es besuchten ihn auch mehrere adelige Herren und wollten ihn beruhigen, dass er den Scheiterhaufen nicht zu fürchten brauche, indem sie es dahin nicht würden kommen lassen. 
        Indem wir aber so bei den Stunden der wichtigsten Überlegung für Luther stehen, werden nochmals auch diejenigen Gedanken uns gegenwärtig, welche bei den in Worms vorangegangenen Verhandlungen und Erklärungen uns entgegentreten sind. Konnte Luther nicht zwischen dem, was er widerrufen sollte und doch nicht alles gleichmässig widerrufen wollte, jetzt geschickte Unterschiede machen, -- zwar seine Grundlehre vom Heil festhalten, hinsichtlich derjenigen Punkte auber, in welchen er auch bei redlichen, nach kirchlicher Besserung begierigen Gliedern des Reichstages am gröbsten anstiess, namentlich hinsichtlich der Autorität der allgemeinen, in einem Konzil repräsentierten Kirche doch noch einlenken und eine Vermittlung versuchen? 
40 Konnte er nicht hierdurch klug diejenigen, welche einen Widerruf wollten, (448) in entgegengesetzte Parteien, eine päpstliche und eine nationale gesinnte teilen? musste nicht, wenn er ganz auf demjenigen bestand, was seiner Überzeugung nach recht und gut war, dieses Bessere ein Feind desjenigen Guten werden, das für jetzt allein erreichbar schien? Die Gesandten und Anhänger des päpstlichen Stuhles fürchteten nichts mehr, als weitere Verhandlungen des Reichstages mit Luther, die in der angedeuteten Weise sich entwickeln möchten. Dem Kurfürst Friedrich und andere Gönnern Luthers wäre ohne Zweifel ein Verfahren der angedeuteten Art bei ihm am erwünschtesten gewesen, wenn er es irgend mit seinem Gewnssen hätte vereinigen können. Allein für ihn waren derartige Fragen garnicht erst noch Gegenstand der Überlegung. Wo es sich ums "Höchste im Himmel und auf Erden" handelte und jedes Nachgeben eine Verleugnung der Wahrheit war, hörten alle andern Erwägungen und Rücksichten für ihn auf. 
41        Der Kaiser besprach sich unterdessen mit seinem Beichtvater, mit Eck und mit Aleander; er gab Eck neue Weisungen für den folgenden Tag. 
       Am Donnerstag, den 18. April, ging Luther, wie ihm befohlen war, bald nach vier Uhr wieder nach dem Bischofshofe. Man liess ihn dort in einem dichten Gedränge wieder bis nach sechs Uhr warten, weil die Fürsten noch mit andern Sachen beschäftigt waren. 
42        Vor dem Verhör unterhielt er sich mit dem Augsburger Reichstagsgesandten Peutinger, der zu ihm kam, noch ganz unbefangen und heiter, erkundigte sich nach seiner Frau und seinen Kindern u. s. w.; Peutinger fand ihn, wie er sagt, in diesen Tagen nicht anders, denn guter Dinge. 
        Der Reichstagssaal war heute dicht angefüllt. 
43        Eck nahm wieder das Wort gegen Luther im Namen des Kaisers. Indem er ihm die zweite der gestrigen Fragen neu vorzulegen hatte, meisterte er ihn zugleich noch einmal wegen der Verzögerung seiner Antwort: "Ihr habt", sagte er, "Euch gestern Bedenkzeit erbeten, die jetzt zu Ende ist, wiewohl Ihr ein Recht zu längerem Bedenken nicht hattet, denn Ihr habt lange schon gewusst, wozu Ihr erfordert seid, und des Glaubens Sache sollte füglicherweise für alle gewiss sein, so dass jeder zu jeglicher Zeit auf Erfordern gewisse und feste Rechenschaft geben könnte, geschweige denn Ihr, ein so grosser und gelehrter Professor der Theologie: wohlan, antwortet jetzt endlich auf das Anfordern des Kaisers, dessen Güte Ihr erfahren habt". Die Frage fasste er selbst jetzt bestimmter so: "Wollt Ihr die Bücher, die Ihr für die Eurigen anerkannt habt, alle verteidigen, oder wollt Ihr etwas zurücknehmen?"
44        Eck hielt diese Ansprache wieder zuerst lateinisch, dann deutsch. 
        Luther erwiderte in einer wohldurchdachten lateinischen Rede. Wir besitzen dieselbe noch in einer Aufzeichnung, die ohne Zweifel von ihm selbst herstammt und von ihm gleichfalls lateinisch niedergeschrieben war. Und (449) zwar sprach er jetzt, wie jener Frankfurter Reichstagsgesandte erzählt, mit tapferer, unerschrockener Stimme und Rede, anders denn am Abend zuvor, -- oder, wie ein anderer Bericht sagt, zwar in Ton eines Bittenden, mit bescheidener, nicht schreiender Stimme, doch nicht ohne festen christlichen Mut, ja Stolz, -- so laut, dass er im ganzen Saale deutlich verstanden wurde. Seine Haltung war schlicht. Seine Ehrfurcht erwies er der Versammlung mit leichtem Beuge der Knie. 
45          Wir geben die Rede hier mit wenigen Verkürzungen deutsch wieder. 
       "Allerdurchlauchtigster, grossmächtigster Kaiser! Durchlauchtigste Fürsten! Gnädigste und gnädige Herren! Auf den Termin, so mir gestern gestellt worden, erscheine ich gehorsam und bitte um Gottes Barmherzigkeit willen, Euer Kaiserliche Majestät und Gnaden wollen geruhen, diese Sache, welche, wie ich hoffe, Sache der Gerechtigkeit und Wahrheit ist, gnädiglich anzuhören und, so ich wegen meiner Unerfahrenheit jemanden seinen gebührenden Titel nicht geben oder mit einigen Weisen oder Gebärden wider die höfische Sitte handeln würde, mir solches gnädig zu verzeihen als einem, welcher nicht an fürstlichen Höfen, sondern in Mönchswinkeln verkehrt hat: der ich von mir nichts anderes bezeugen kann, denn dass ich bisher mit solcher Einfalt des Gemüts gelehrt und geschrieben habe, dass ich nur Gottes Ehre und die lautere Unterweisung der Christgläubigen suchte. 
46         "Allergnädigster Kaiser! Gnädigste und gnädige Kurfürsten, Fürsten und Herren! Auf die zwei Artikel, die mir gestern vorgelegt worden, habe ich gestern meine bereite und klare Antwort für den ersten Artikel gegeben, darauf ich noch bestehe, dass nämlich dieselben Bücher mein sind, es wäre denn, das durch Betrug Missgünstiger oder durch ungeschickte Weisheit mittlerzeit etwas darin verändert oder verkehrt ausgezogen worden wäre. 
47       "Weil ich aber auf den andern Artikel antworten soll, bitte ich Eure Kaiserliche Majestät und Gnaden unterthänig, Sie wollen fleissig achthaben, dass meine Bücher nicht einerlei Art sind. 
48        "Denn es sind ihrer etliche, in welchem ich von Glauben und Sitten so evangelisch und schlicht gehandelt habe, dass sie auch meine Widersacher für evangelisch und wert des Lesens bekennen müssen. Es macht auch die Bulle, die doch grimmig ist, etliche meiner Bücher zu unschädlichen, wiewohl sie dieselben durch ein widernatürlich Urteil mit verdammt. Wenn ich nun diese zu widerrufen anhöbe, was thäte ich anders als dass ich allein die Wahrheit verdammte, welche Freund und Feind zugleich bekennen? 
49       "Eine andere Art meiner Bücher ist diejenige, welche gegen das Papsttum und der Papisten Lehren losgeht, als gegen solche, die durch ihre Lehren und Exempel die Christenheit mit Übeln des Leibes und der Seele verwüsten. Denn das kann, weil die Erfahrng und Klage aller zeuget, niemand verneinen, noch verhehlen, dass durch päpstliche Gesetze und (450) Menschenlehre die Gewissen der Christen aufs jämmerlichste gefangen und gemartert seien, auch Hab und Gut sonderlich in der deutschen Nation durch unglaubliche Tyrannei verschlungen werde; und doch sagen sie in ihren eignen Gesetzen, dass Gesetze und Lehren des Papstes, die dem Evangelium und den Sätzen der Väter zuwider wären, für irrig sollten gehalten werden (Luther citierte dafür zwei Stellen aus den kirchlichen Rechtsbüchern). Wenn ich nun diese Bücher widerriefe, würde ich die Tyrannei stärken und dem unchristlichen Wesen nicht allein die Fenster, sondern auch die Thüren aufthun, -- zumal, wenn man sagen dürfte, dass dies von mir geschehen sei aus Autorität Kaiserlicher Majestät und des ganzen römischen Reiches. Guter Gott, was wäre ich da für ein Schanddeckel der Bosheit und Tyrannei!
50       "Die dritte Art Bücher sind die, welche ich wider einzelne Privatpersonen geschrieben habe, die sich unterwanden, die römische Tyrannei zu beschützen und die gottselige Lehre, so ich lehrte, zu vertilgen. Wider dieselben bekenne ich heftiger gewesen zu sein, denn sich ziemte. Denn ich mache mich nicht zu einem Heiligen, disputierte auch nicht über mein Leben, sondern über die Lehre Christi. Widerrufen aber kann ich auch diese Bücher nicht, dieweil Gefahr wäre, dass ich dadurch der Tyrannei und Gottlosigkeit Vorschutz gäbe. 
51         "Doch weil ich ein Mensch und nicht Gott bin, kann ich meinen Büchlein nicht anders wider Anklagen beisteen, als wie der Herr Christus selbst seiner Lehre beigestanden hat, welcher, da er vor Hannas nach seiner Lehre gefragt und von einem Diener auf den Backen geschlagen ward, sagte: "Habe ich übel geredet, so beweise, dass es böse sei". So denn der Herr selbst, der da wusste, dass er nicht irren könne, sich dennoch nicht geweigert hat, Beweis wider seine Lehre auch von dem schnödesten Knecht anzuhören, wie viel mehr muss ich niedrigste, irrende Kreatur des warten und begehren, ob jemand Gegenzeugnis wider meine Lehre vorbringe. 
52 Derhalben bitte ich um der göttlichen Barmherzigkeit willen, Ew. Kaiserliche Majestät, die Durchlauchtigsten Herrschaften oder wer sonst es kann unter Hohen und Niedrigen, mögen mir Gegenzeugnis geben, mich Irrtums überführen, mich mit prophetischen und evangelischen Schriften überwinden. Ich werde aufs willigste bereit sein, so ich des überwiesen werde, jeglichen Irrtum zu widerrufen, und werde der erste sein, meine Bücher ins Feuer zu werfen. 
53 Aus dem allem ist, meine ich, offenbar, dass ich die aus meiner Lehre erwachsenden Gefahren, Zwietracht und Aufruhf, davon ich gestern ernstlich hier erinnert worden bin, genugsam bedacht habe. Ja, mir ist das liebste, zu sehen, dass über Gottes Wort Eifer und Zwietracht sich erhebe; denn so ist es der Lauf des göttlichen Wortes, wie der Herr sagt: "Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert, ich bin gekommen, den (451) Menschen zu erregen wider seinen Vater und die Tochter wider ihre Mutter". 
54 Darum müssen wir bedenken, wie wunderbar und schrecklich unser Gott ist in seinen Gerichten, auf dass nicht das, was jetzt unternommen wird, um Ruhe wiederzubringen, hernach, so wir den Anfang dazu mit Verdammung des göttlichen Wortes machen, vielmehr zu einer Sündflut unerträglicher Übel ausschlage; bedenken müssen wir und fürsorgen, dass nicht diesem jungen, edlen Kaiser Karl, von welchem nächst Gott vieles zu hoffen ist, ein unseliger Eingang und ein unglücklich Regiment zu teil werde. 
55 Ich könnte dafür reichliche Exempel bringen aus der heiligen Schrift, von Pharao, vom König zu Balen und von den Königen Israels, welche gerade dann am meisten Verderben sich bereiten haben, wenn sie mit den klügsten Anschlägen ihr Reich zu befrieden und zu befestigen gedachten. Denn Er ist's, der die Weisen erhaschet in ihrer Klugheit (1 Kor. 3,19), ehe denn sie's merken; darum thut's not, Gott zu fürchten. Solches sage ich nicht, als ob so hohe Häupter meiner Lehre und Mahnung bedürften, sondern weil ich dem Dienste, den ich meinem Deutschland schuldig bin, mich nicht entziehen darf. Und hiermit befehle ich mich Eurer Allerdurchlauchtigsten Majestät und Euren Herrschaften, demütiglich bittend, dass Sie mich nicht durch meine Widersacher wollen bei Sich verunglimpfen und in Ungnade bringen lassen. Ich habe geredet."
56        Es wurde gewünscht, dass auch Luther seine Antwort deutsch wiederhole, wie Eck mit der Frage gethan. In dem Gedränge und vor den Fürsten war ihm sehr heiss geworden und Herr von Thun sagte zu ihm, wenn's ihm zu schwer werde, sei es auch so genug. Er wiederholte jedoch wirklich seine ganze Rede. (n451). 
57         Die Antwort entsprach aber natürlich dem nicht, was der Kaiser und die Majorität im Reichstag wollte: ein Disput mit Gründen und Gegengründen über den Inhalt seiner Schriften sollte eben fern gehalten werden. Die Fürsten hielte darüber Rat und der Kaiser gab hierauf dem Eck neue Weisung. Mit strafendem Tone wandte sich dieser wieder an Luther. 
58        Er warf ihm vor, unbescheiden und nicht zur Sache gesprochen -- die vorgelegte Frage nicht beantwortet zu haben. Dann blieb er bei Luthers Verlangen nach schriftgemässen Gründen und Gegenbeweisen stehen. Er erklärte: über Luthers Sätze sei nicht erst neu zu disputieren und Beweis zu führen, da ihr Inhalt schon durch Hus, Wiclif und andere Ketzer vorgetragen und bereits auf dem Konstanzer Konzil mit genügenden Gründen vom Papst, Kaiser und den versammelten Vätern verdammt worden sei. 
59 Heran genüge es. Luther solle anerkennen, dass Gott seine Kirche bisher nicht im Irrtume werde hingegeben haben, und deshalb bei der Einheit der Kirche bleiben. Wenn jeder, welcher Aussprüchen der Konzilien und der Kirche widerstreite, erst noch Widerlegung aus der heiligen Schrift (452) fordern dürfte, so hätte man nichts in der Christenheit, was gewiss und festgestellt wäre. Wolle nun Luther solche Artikel, sonderlich die zu Konstanz verdammten, widerrufen, so möchte wohl mit seinen andern Büchern, denen solche Artikel nicht einverleibt seien, gemäss der angebornen Gnade des Kaisers billig gehandelt werden. Andernfalls aber dürfe man auf das, was er sondt etwa christlich geschrieben, keine Rücksicht nehmen. So solle er den auf die Frage, ob er die ihm vorgehaltenen Artikel widerrufen wolle, eine einfache Antwort geben, die keine Hörner trage und keinen Mantel umgelegt habe. 
60          Die Antwoert, welche Luther hierauf gab, lautete nach derjenigen, ursprünglich lateinischen Aufzeichnung, die wir auf seine eignen Hand zurückführen dürfen, also: 
        "Weil denn Eure Kaiserliche Majestät und Eure Gnaden eine schlichte Antwort begehren, so will ich eine Antwort ohne Hörner und Zähne geben diesermassen: es sei denn, dass ich durch Zeugnisse der Schrift oder durch helle Gründe überwunden werde -- denn ich glaube weder dem Papst, noch den Konzilien allein, dieweil am Tag liegt, dass sie öfters geiirt und sich selbst widersprochen haben, -- so bin ich überwunden durch die von mir angeführten heiligen Schriften und mein Gewissen ist gefangen in Gottes Wort; widerrufen kan ich nichts und will ich nichts, dieweil wider das Gewissen zu handeln unsicher und gefährlich ist". 
61       Auch diese Antwort gab er wohl lateinisch und deutsch. Am Schluss rief er deutsch aus: "Ich kan nicht anders, hier stehe ich, Gott helf mir! Amen."
62        Auf Luthers "ungehörnte" endgültige Erklärung folgte dich noch eine kurze Wechselrede.Noch einmal fragte ihn nämlich Eck im Namen des Kaisers, ob er wirklich dafür halte, dass die Konzilien irren können: dies wurde so recht sichtlich der Punkt, in welchem die ganze Entscheidung sich zuspitze. Luther "verharrte", wie eine alte Angabe (n452) sich ausdrückt, "als ein harter Fels": er erwiderte, es sei offenkundig, dass Konzilien mehrmals geiirt haben; ja das Konstanzer Konzil habe gegen klare und helle Texte der heiligen Schrift entschieden, deshalb dränge ihn die heilige Schrift, zu sagen, dass dieses Konzil geiirt habe. Eck antwortete, er könne es nicht beweisen, dass die allgemeinen Konzilien geiirt hätten; Luther dagegen: er wolle es beweisen in vielen Stücken. 
63         Da hatte Kaiser Karl genug gehört. Entsetzt über solche Worte machte er der Verhandlung ein Ende. Im Saale war zuletzt Unruhe und Geschrei entstanden. Die Nacht war hereingebrochen. Die Versammelten gingen auseinander je nach ihren Wohnungen. Luther wurde weggeführt, nachdem er sich noch unterthänig der Kaiserlichen Majestät empfohlen hatte. (n452a) (453) 
64          Unsere genaue Kenntnis jener grosser Rede und jener entscheidenden Antwort Luthers ruht, wie schon bemeerkt, auf Aufzeichnungen, die er selbst -- ohne Zweifel in Worms und zwar wohl für Spalatin -- lateinisch gemacht hat; ihr Inhalt ist damals sogleich durch Zeitungen oder Flugblätter und umfassendere Flugschriften verbreitet worden. Nicht aufgenommen hat Luther dort die auf jene Antwort noch folgende, für uns anderwärts bezeugten Reden. Von seinem schliesslichen Ausrufe ferner hatte er nur die Worte "Gott helf mir" aufgenommen, und nur sie sind si auch in die Mehrzahl jener gedruckten Berichte übergegangen. 
65 Aber wir dürfen mit dem Ausruf, der so besonders tief sich der Nachwelt eingeprägt hat, auch sie entschieden festhalten, so wenig sachlich daran gelegen ist. Sie stehen nämlich doch schon in einem lateinischen Flugblatt, das eben nur jene Reden samt Ecks Gegenrede verbreitete und so sicher zu den ersten Zeitungen aus Worms gehörte, und ebenso in einem der ältesten deutschen Berichte über die Wormser Vorgänge. Eine andere damalige Flugschrift setzt dem Ruf zu Gott zwar nicht "hier steh ich", wohl aber "da bin ich" bei, wohl in unklarer Erinnerung an jene Worte, die in Luthers Mund auch sonst (vgl. z. B. oben S. 440 = #7) ähnlich uns begegnen. 
66 Der Band von Luthers Werken endlich, der von seinen nächsten Freunden gleich nach seinem Tod herausgegeben wurde und schon vor seinem Tod zum Druck vorbereitet und teilweis im Druck fertig war, berichtet die vollen, seither in die allgemeine Tradition aufgenommenen Worte "Hier steh ich, ich kann nicht anders, Gott helf mir"; Luther selbst aber hatte, wie wir von Mathesius hören, den Freunden wiederholt die Wormser Vorgänge erzählt, und Freund Amsdorf, sein Begleiter nach Worms, lebte noch und achtete auf die Treue jenes Berichts. Zu Luthers Charakter und Art stimmt beides recht gut, dass er die männlichen asketvollen Worte im Drange des Augenblicks sprach, und dass er sie nicht auf dem Papier festhalten zu müssen meinte. 
67 Nur die Reihenfolge der Worte ist, wie wir sehen, in der Tradition nicht dieselbe wie in den ältesten Berichten geblieben; in diesen schliessen sie noch besser als in jener an die vorhergegangene Erklärung sich an. -- Dazu erhebt sich indessen noch die Frage, ob die Worte von Luther schon direkt an diese Erklärung angeschlossen und nicht vielleicht erst am Schluss der noch folgenden,in Luthers Aufzeichnung nicht aufgenommenen Wechselreden gesprochen worden sind. So möchte man nämlich vermuten nach einer Darstellung des Augsburger Reichstagsgesandten Peutinger, der erst nachdem er diese und den Schluss der Verhandlungen kurz berichtet hat, noch beifügt: "Im beschluss sprach er die Worte: Gott komm mir zu Hülfe". Sicher entscheiden können wir hier nicht mehr. (n453). 
68       Aus der Versammlung des Reichstags hinweg ging Luther inmitten zweier Geleitsmänner durch die umstehende Menge. Ein grosser Teil der (454) anwesenden Spanier verfolgte ihn da mit lautem Zischen und Höhnen. Unter den Deutschen aber hatte er durch sein standhaftes Bekenntnis auch solchen, die nicht zu seiner Partei halten wollten, Teilnahme abgewonnen; der gut katholische Herzog Erich von Braunschweig liess ihm beim Weggehen eine silberne Kanne mit eimbecker Bier reichen. (n454) Über seine Abführung erhob sich bei den Deutschen zuerst Unruhe und Getümmel, weil sie meinten, man führe ihn gefangen. 
69         Etwa um 8 Uhr kam er in seine Herberge. Freunde und Anhänger erwarteten ihn dort. Sobald er bei ihnen eintrat, reckte er, wie einer derselben (n454a) unmittelbar darauf berichtet hat, die Hände in die Höhe und schrie mit fröhlicher Angesicht: "Ich bin hindurch, ich bin hindurck!" Gleich nachher sagte er von Spalatin und anderen: wenn er tausend Köpfe hätte, wollte er sie scih eher alle abhauen lassen, denn einen Widerruf thun. 
70          So war von seiner Seite das entscheidende Wort vor Kaiser und Reich und vor den päpstlichen Legaten gesprochen. Eck hatte ihm bei dieser zweiten Vernehmung den Hauptpunkt, um welchen es sich handelte, nämlich die Autorität der Konzilien und hiermit eines endgültig urteilenden kirchlichen Tribunals überhaupt, sehr bestimmt vor die Augen gehalten, auch angedeutet, dass, wenn er die Konzilien gelten liesse und namentlich seine in Konstanz schon verdammten Sätze zurücknähme, seine übrigen Lehren wenigstens nicht in eine Linie mit diesen gesetzt werden sollten. 
71  Luther hat die Handhabe, welche sich ihm hier noch darbot, schlechthin zurückgewiesen, hat auch die nach modernem Sprachgebrauch liberal katholische Richtung von sich gestossen, hat sich so scharf als möglich zu demjenigen Standpunkt bekannt, auf welchem ihm einst der Ingolstädter Eck in Leipzig der christlichen Welt zeigen wollte. Die Papisten mochten sich zu seiner Antwort Glück wünschen; für den Kaiser war sie eine gewisse Bestätigung, dass bei diesen grundstürzenden Ketzer alles vergeblich sei. 
72         Luther fühlte tief das Gewicht der Entscheidung: so rief er sein "Gott helf mir" und nachher sein "Ich bin hindurch"; er gab sie ohne rhetorisches Pathos und theatralischen Effekt, aber sicher und bestimmt, als einer, der den Kopf hinzugeben bereit ist. 
          Luthers Kurfürst kam in grosser inneren Bewegung aus der Sitzung. Er winkte noch vor seinem Abendessen dem Spalatin in seine Kammer und sagte mit dem Ausdruck der Bewunderung: "Wohl hat der Pater, Doktor Martinus, geredet  vor dem Herrn Kaiser und allen Fürsten und Ständen des Reichs in Latein und Deutsch; er ist mir viel zu kühn". 
73       Der Kaiser sah jetzt wirklich die Sache für abgemacht an. Schon am folgenden Morgen liess er dem Reichtag einen Bescheid vortragen, den er eigenhändig in französischer Sprache geschrieben hatte: er, als Nachkomme der allerchristlichsten Kaiser deutscher Nation und der katholischen Könige (455) Spaniens, habe beschlossen, alles aufrecht zu halten, was durch seine Vorfahren, und zwar namentlich auf dem Konstanzer Konzil, festgestellt wordensei; offenkundig sei, dass der eine Luther mit seiner Privatmeinung der Lehre der gesamten Christenheit widerstreite; zu lange habe man denselbem schon Frist gegeben; er, der Kaiser, wolle ihn nicht mehr hören, sondern gemäss seinem Geleitsbrief ihn nach Wittenberg zurückbringen lassen und dann mit ihm als einem ausgemachten Ketzer verfahren. 
74        Allein noch wollten auch viele derjenigen Reichstände, welche von Luther Unterwerfung unter die Kirche forderten, ihn nicht preisgeben. Der Reichstag bat den Kaiser, durch eine besondere Kommission noch einen Versuch bei Luther zu machen, dass er von seinem Widerspruch gegen den Glauben der Kirche und die Konzilien weiche. Und der Kaiser gestattete dies endlich, bestand aber darauf, ihn in die Acht zu thun, wenn dies vergeblich wäre. 
75 Luther blieb bis zum Montag ohne Bescheid: da wurde er durch den Erzbischof von Trier auf den folgenden Mittwoch zu einer Verhandlung vorgeladen; bis zu diesem Tag wollte der Kaiser noch Frist geben. Am Dienstag (23. April) waren die Mitglieder der Kommission durch ein Fest in Anspruch genommen, das der Kaiser dem heiligen Georg und den Georgs-Rittern zu Ehren veranstaltete. 
76        Inzwischen war Luther der Gegenstand grosser Aufmerksamkeit und mannigfacher Teilnahme für Hohe und Niedrige. Manche reisten aus der Ferne herbei ihn zu sehen. Vornehme Herren, wie Herzog Wilhelm von Braunschweig und Landgraf Philipp von Hessen, erschienen bei ihm in seiner Herberge. Der Landgraf sprach hier zum erstenmal den Reformator, dessen Werk er bald nachher kräftig mit seiner weltlichen Gewalt und Politik zu schirmen unternahm, dem er aber mit seinem heissen und leichten Blut auch schwere Sorgen bereitete; er eerlaubte sich bei diesem Besuch zuerst einen losen Scherz wegen eines Satzes übers eheliche Leben in Luthers "Babylonische Gefangenschaft", wovon ihm kaiserliche Räte gesagt hatten, gab ihm aber zum Abschied die Hand mit den Worten: "Habt Ihr Recht, Herr Doktor, so helfe Euch Gott". (n455
77         Zwischen solche vornehme Besuche hinein nahm übrigens Luther unter andern auch zwei Juden an, welche ihm, als berühmten Gelehrten, Fragen aus der Schrift vorlegen wollten und ihm dafür etliche Flaschen guten Weines verehrten, jedoch bald zur Belustigung der anwesenden Herren unter einander in Disput gerieten. (n455a)
        Aus der Ebernburg erhielt Luther Briefe Huttens vom 17. und 20. April mit ermunternden Bibelsprüchen und mit der Zusage, dass es ihm an Verteidigern nicht fehlen werde. 
78        An öffentlichen Gebäuden in Worms erschienen zwei annonyme Anschläge mit Bezug auf Luther. Der eine richtete sich gegen ihn. Nach dem an- (456) deren kündigten vierhundert Edelleute, die zu Luthers Schutz verschworen seien, den Romanisten und zuvörderst dem Erzbischof von Mainz ihre "ernstliche Feindschaft" an, weil Ehre und göttliches Recht unterdrückt werden solle; dabei wurde gedroht mit 8000 Mann Kriegsvolk und drunter standen die Worte: "Bundschuh, Bundschuh, Bundschuh" (der Name einer aufrürerischen Verbindung unter der Bauernschaft). Auch soll in des Kaisers Gemach ein Zettel gefunden worden sein mit dem Spruch: "wehe dem Lande, dessen König ein Kind ist". (Pred. 10,16)
79            Freunde Luthers schrieben übrigens jenen zweiten Anschlag boshaften Gegnern zu, welche ihn und seine Sache verdächtigen möchten. Auch stand es damals nicht etwa so, dass schon mächtige Beschützer Luthers zum Losschlagen bereit gewesen wären. Wohl glühte Sickingen, wie Hutten berichtet, von Eifer für Luther, liess sich sogar bei Tisch aus dessen Schriften vorlesen und schwur, die Wahrheit trotz aller Gefahr nicht zu verlassen; Hutten selbst sprach von Schwertern, Pfeilen und Bombarden, welche man gegen die Wut der bösen Geister brauchen werde. 
80 Allein derselbe Hutten klagte, als er von jenem Anschlag hörte, über die Menschen, welche Luthern verderblichen Schaden thun, während sie ihm nützen wollen; und Sickingen hatte eben jetzt dem Kaiser sich verpflichtet, von welchem er die Stelle eines Feldhauptmanns mit reichem Gehalt annahm und für welchen er zu einem Zuge gegen Frankreich sich rüstete. Am heftigsten und leidenschaftlichsten äusserte sich damals in Worms Huttens Gesinnungsgenosse Hermann von Busch, ein anderer adeliger Humanist; wir dürfen vielleicht auf ihn jenen Anschlag zurückführen. Aber er wusste eben nichts von thatkräftigen Planen, die auf Ebernburg reifen würden; vergebens wies er in den folgenden Tagen den Hutten auf den Spott der Römlinge hin, welche sich darüber lustig machten, dass Hutten drohe, aber nicht schlage, und belle, aber nicht beisse. (n456
81        Plötzliche stürmische Ausbrüche, aus denen weiter auch grosse blutige Kämpfe erwachsen konnten, musste man bei einem gewaltsamen Vorgehen gegen Luther wohl fürchten: davor wurde der Kaiser auch von seiten der Reichsstände auf jenen Bescheid hin wieder gewarnt. Aber eine sofortige, grossartige, durchschlagende Erhebung für Luthers Sache war nicht zu erwarten. 
82        Luther selbst wollte in seiner bedrängten Lage überhaupt jeder Hoffnung auf Menschen entsagt haben. Man hat von ihm ein Gebet aufbewahrt, das er während des Reichstags zu Worms gethan habe (Luther betete gern abends laut in seiner Kammer) und für dessen Echtheit auch die unnachahmliche Eigentümlichkeit der Sprache zeugt. Er sagt darin: "Allmächtiger, ewiger Gott! Wie ist es nur ein Ding um die Welt! Wie sperret sie den Leuten die Mäuler auf! Wie klein ist das Vertrauen der Menschen auf Gott! Wie ziehet sie so bald die Hand ab und schnurret dahin und lauft (457) die gemeine Bahn und den breiten Weg zur Hölle zu, und sieher nur allein an, was prächtig und gewaltig ist und ein Ansehen hat! Wenn ich auch meine Augen dahin wenden soll, so ist's mit mir aus, die Glocke ist schon gegossen und das Urteil gefället. 
83 Ach Gott, Du mein Gott, stehe Du mir bei wider aller Welt Vernunft und Weisheit. Du musst es thun; ist es doch nicht meine, sondern Deine Sache. Hab ich doch für meine Person allhie nichts zu schaffen und mit diesen grossen Herren der Welt zu thun ... Hörest Du nicht mein Gott, bist Du tot? Nein, Du kanst nicht sterben, Du verbirgst Dich nur. Hast Du mich dazu erwählt? ich frage Dich, wie ich es denn gewiss weiss. Ei so walt' es Gott, denn ich mein Leben lang nie wider so grosse Heerren zu sein gedachte ... 
84 Komm, komm, ich bin bereit, auch mein Leben dafür zu lassen geduldig wie ein Lämmlein. Denn gerecht ist die Sache und Dein, so will ich mich von Dir nicht absondern ewiglich. Das sei beschlossen in Deinem Namen. Die Welt muss mich über mein Gewissen wohl ungezwungen lassen, und sollte mein Leib, der Deiner Hände Werk ist, darüber zu Trümmern gehen; die Seele ist Dein und gehört Dir zu und bleibet auch bei Dir ewig. Amen. Gott helf mir, Amen!" So mochte er beten, als er auf sein Bekenntnis für den 18. April sich vorbereitete, -- so auch nachher, als man ihm dort so stark ans Gewissen gedrungen hatte, und er das weitere Verfahren der hohen Herren mit ihm ohne menschliche Hülfe und Rat menschlicher Weisheit abwarten musste. (n457
85        Es wurden nun also doch von Reichs wegen noch weitere Unterhandlungen mit ihm veranstaltet. Vergebens hatte sie Aleander zu hintertreiben sich bemüht. Die Leitung derselben war dem Trierschen Kurfürsten und Erzbischof übergeben: er war es, den Luther bei den Verhandlungen mit Miltitz vertrauensvoll zum Richter hatte annehmen wollen; mit Kurfürst Friedrich dem Weisen stand er in freundlichen Verkehr; es war ihm ernstlich daran gelegen, für Luthers Person und Sache eine heilsame Vermittlung zu erzielen. 
86 Als der Hauptpunkt aber, von welchem hierfür alles abhänge, stellte sich jetzt vollends recht deutlich jene eine Frage dar, ob Luther auch auf Sätzen, welche die im Konzil vertretene Gesamtkirche verurteilt habe, beharre, oder ob er seine eigne Überzeugung von der christlichen Wahrheit und dem Inhalt des göttlichen Wortes überhaupt noch einer äusseren kirchlichen Entscheidung unterwerfe; von des Papstes Autorität war hierbei gar nicht die Rede. Dabei war die Form, in der man jetzt mit ihm verfuhr, weit mehr als seine Behandlung am 17. und 18. April geeignet, ihm, wenn es überhaupt möglich wäre, noch eine befriedigende Antwort abzudringen. Auch solchen freundlichen und drohenden, aufrichtigen und diplomatisch klugen fortgesetzten Zusprachen gegenüber hatte er jetzt das zu vertreten, was er vor dem Reichstag, in jener einen Stunde kurzweg behauptet hatte. (n457a) (458) 
87         Am Mittwoch, den 24. April, morgens um sechs Uhr, wurde Luther beim Erzbischof von Trier vor jene Kommission gestellt, an welcher Kurfürst Joachim von Brandenburg, Herzog Georg von Sachsen, Die Bischöfe von Augsburg und Brandenburg, der deutsche Ordensmeister, Graf Georg von Wertheim, der Augsburger Peutinger und der Strassburger Gesandte Bock teilnahmen. Neben Luthe wurden dann auch Schurf, Amsdorf, Jonas und Spalatin zugelassen. Zu ihrem Sprecher ihm gegenüber hatte die Kommission den Dr. Hieronymus Vehus (Veuss), den markgräflich badischen Kanzler, bestellt, -- einen Juristen und Laien. Die Konferenz fand im Deutschen Hofe, d. h. dem Hof des Deutschritterordens statt, wo der Erzbischof wohnte. 
88        Vehus begann mit einer langen Ansprache an Luther, welche dieser selber nachher als recht geschickt rühmte. Er wollte darin ihm, der um Gegenzeugnisse gegen seine Lehre gebeten habe, fürs erste die Zeugnisse der Konzilien und gemeinen Christenheit, denen man keineswegs Widersprüche nachweisen könne, entgegenhalten, und fürs zweite das Zeugnis seines eignen Gewissens. Denn sein Gewissen m¨sse ihm sagen, dass keiner auf den eignen Verstand bauen dürfe, und ihn ermahnen, die Ärgernisse zu fliehen, deren so viele aus seiner Lehre erwachsen. 
89 Endlich solle er gewissenshalber derjenigen eignen Schriften gedenken, in welchen er viel Gutes gesagt und vieler Menschen Gemüt zur Einsicht in mancherlei Missbräuche erweckt habe, und solle nicht Ursache geben, dass solche gute Frucht auch mit unterdrückt würde, wie das ohne Zweifel des Teufels Hinterlist anrichten möchte. Unter ihnen nannte Vehus speziell Luthers Sermon von den guten Werken und von der dreifachen Gerechtigkeit, welche beide zu seinen klarsten Zeugnissen von der Glaubensgerechtigkeit gehörten und unter denen de erstere auch so scharfe Angriffe auf die kirchlichen Verderbnisse und die päpstlichen Machtansprüche enthielt. So konnte damals noch ein offizieller Vertreter des katholich kirchlichen Standpunktes reden!
90        Luther dankte für das Wohlwollen, aus welchem diese Ermahnungen geflossen seien. Er bestand aber mit Bezug auf die Konzilien darauf, dass das Konstanzer wenigstens jenen Satz des Hus nicht hätte verdammen dürfen, wonach die Kirche Christi die Gemeinschaft der Erwählten sei, wie ja auch das apostolische Symbolum zu einer "heiligen Kirche, der Gemeinschaft der Heiligen" sich bekenne; das Konzil habe hiermit Gottes Wort verdammt; er müsse sein Leben dran geben, ehe er sich zwingen lasse, ein offenbares Wort Gottes zu widerrufen; denn Gott müsse man mehr gehorchen als den Menschen. Ärgernisse, sagte er, seien in Sachen des Glaubens oder der durch Gottes Wort gegebenen Lehre nicht zu vermeiden: er könne nicht verhindern, dass Christus ein Stein des Anstosses werde. Dass man von eignen Meinungen weichen müsse, wisse er wohl; man möge ihn nur nicht nötigen, Gottes Wort zu verleugnen. (459) 
 91         Die Kommission liess ihn abtreten und alsdann durch Vehus die Aufforderung an ihn stillen: er möge seine Schriften dem Urteile des Kaisers und Reiches unterwerfen. Er erklärte sich hierzu gerne bereit, wofern man nur seine Lehre allein auf Grund der heiligen Schrift beurteilen wolle und ihn aus Gottes Wort eines besseren belehre; so sage der Apostel: "Prüfet alles" und "Wenn ein Engel vom Himmel anders predigte, denn wir euch gepredigt haben, der sei verflucht" (1. Thess. 5,21; Gal 1,8). Man möge nur nichts gegen sein Gewissen von ihm erzwingen. Kurfürst Joachim fragte: "Herr Doktor, verstehe ich Euch recht, so meinet Ihr, Ihr könnet Euch nicht anders weisen lassen, denn durch die heilige Schrift?" Luther erwiderte: "Ja, gnädiger Herr, oder durch helle Gründe". 
 92        Die übrigen Mitglieder der Kommission ausser dem Erzbischof gingen hierauf weg zu der Sitzung des Reichstages. Der Erzbischof behielt Luther nebst Schurf und Amsdorf noch bei sich und rief dazu seinen Offizial Eck und den Theologen Cochläus, Domdechant in Frankfurt a. M. Cochläus, der noch vor neun Monaten als Freund der Humanisten sich für Luther ausgesprochen, neuerdings aber zu Ehren des Papstes sehr heftig gegen ihn als einen neuen Catalina geschrieben und jetzt voll heissen Verlangens nach einem Kampf mit dem Ketzer sich in Worms eingefunden hatte, war am frühen Morgen jenes Tages von Aleander angewiesen worden, im Hause des Erzbischofs zu warten, bis es zu einer Konferenz berufen würde, sich dann aber ja in keine Disputation mit Luther einzulassen, sondern nur zuzuhören, damit er nachher genau berichten könne. Hier bestritt nun Eck nicht bloss das Recht der einzelnen Christen, sich gegen Konzilsbeschlüsse auf die heilige Schrift zu berufen, sondern bemühte sich, jenen vom Konstanzer Konzil verworfenen Satz auch sachlich und mit Schriftgründen zu widerlegen; und Cochläus liess sich durch jenes Verbot Aleanders nicht zügeln, sondern mischte sich eifrig ins Streitgespräch. Luther aber fand die gegen ihn vorgebrachten Beweise sehr schwach. Man ging ohne Erfolg auseinander. 
 93        Nachmittags erschien Cochläus sogar in Luthers Wohnung, wo er, wie er sagte, den Spalatin aufsuchen wollte und nun bei Luther den Schurf, Amsdorf und andere Freunde traf. Er blieb da und suchte alsbald tapfer Bekenntnis abzulegen und zu kämpfen, wurde auch von Luther und den meisten andern freundlich angehört, obgleich er, wie er selbst nachher sich rühmte, den "notorischen Ketzer Luther" nie mit den im Verkehr üblichen höflichen Titeln anredete. Er beschwor ihn, das Volk und so treffliche Männer, wie Melanchthon und Jonas, nicht zu verderben, fing über den Laienkelch und die Transsubstantiation zu disputieren an, wurde dan von Luther auch noch ohne die Gegenwart der anderen in einem besondern Gemache angehört, wo er ihm noch eindringlichere Vorstellungen zu machen (460) versuchte. 
 94  Dazwischen trug er in Gegenwart der andern Luthern eine Disputation vor Richtern an, welche sie beide, wie er sagte, auf gleiche Gefahr hin bestehen wollten, um derenwillen aber Luther auf sein freies Geleite verzichten solle: eine si dreiste Zumutung, dass einer der anwesenden Adeligen über ihn herfallen wollte und von den andern zurüchgehalten werden musste. Er selbst erzählte nachher, dass Luther vor seinen Vorstellungen errötend die Augen gesenkt und Thränen vergossen, wenigstens hier und schon in der Vormittagskonferenz oft sich die Augen gewischt habe. 
 95  Luther mochte sich in jenen Stunden wohl tief bewegt zeigen, entgegnete aber auf jene ERzählung, dass die "perikleische" Beredsamkeit des Cochläus keineswegs so viel ausgerichtet, dieser vielmehr sich in Worms nur lächerlich gemacht habe. -- Für die grossen Verhandlungen zwischen Luther und dem Reiche war das Eintreten des Cochläus ohne Bedeutung. Wir werden aber beim späteren Verhältnis Luthers zu ihm uns darauf zurückbeziehen müssen, und es gehört mit zu dem Bilde der schweren Tage, welche Luther in Worms noch durchzumachen hatte. (n460
 96        Unterdessen trug Vehus im Reichstage vor, was er mit Luther gesprochen habe. Darauf wurde diesem des Abends angezeigt, dass der Kaiser für seinen Aufenhalt in Worms noch zwei Tage zugebe, damit die Verhandlungen mit ihm fortgesetzt werden können. Noch schienen dieselben nicht aussichtslos. Kurfürst Friedrich und andere Freunde meinten wohl, er könne doch in etwas nachgeben; wenigstens erzählte Luther selbst später, dass sie mit seiner Standhaftigkeit nicht einverstanden gewesen seien. Schurf hoffte nach der Konferenz jenes Morgens, es werde jetzt dadurch sich Rat finden lassen, dass Luther dem Erkenntnis des Kaisers und Reichs sich unterwerfe, hierbei aber nichts wider Gottes Wort gehandelt werden solle. Es ist übrigens klart, dass die Schwierigkeiten so sich nicht heben liessen, da ja der Inhalt des göttlichen Wortes von den Reichständen oder den durch sie zu bestellenden Richtern möglicherweise anders als von Luther verstanden wurde und diesem dann doch eine Beugung der eignen Überzeugune unter ein menschliches Urteil zugemutet werden musste. 
 97        Am Morgen des nächsten Tages, des Donnerstags, liess der Erzbischof bloss den Vehus und Peutinger, zu welchem Luther noch von Augsburg her Vertrauen hegen durfte, mit ihm sich besprechen; Kurfürst Friedrich gab diesem den Schurf und die Herren von Feilitzsch und von Thun bei. Jene kamen jetzt darauf zurück, dass er sich dem Kaiser und Reich untergeben sollte, -- aber ohne Vorbehalt. Sie suchten ihn zu beruhigen, dass er sich des Besten versehen dürfe, versicherten ihn, dass von seiten des Reichts nur nach Christenpflicht und gemäss den göttlichen Geboten werde beschlossen und seine Bücher ganz unverdächtigen Richtern werden vorgelegt werden; sprachen auch wieder von den guten Früchten seiner Schriften, sowie von (461) den Verkehrtheiten der sophistischen Theologie, den überhandnehmenden Menschensatzungen, der Ablasspredigt u. s. w. 
 98  Sie getrauten sich aber nicht, den ausdrücklichen Zusatz anzunehmen, dass nichts gegen Gottes Wort beschlossen werden dürfe. Dagegen fragte sie Luther auf ihr Gewissen, ob sie ihm raten könnten, auf den Kaiser und die andern zu vertrauen, welche ihn bereits verdammt und seine Bücher verbrannt haben. Und auch abgesehen hiervon erklärte er: "Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt" (Jer. 17,5). Nur mit jenem Vorbehalt wollte er sich untergeben. -- 
 99  Von neun bis ein Uhr liessen sie ihm Zeit zu weitere Überlegung und fingen dann aufs neue an, in ihn zu dringen. Nun schlugen sie vor, die Entscheidung einen künftiges Konzil anheimzugeben; bei dem bekannten Widerstreben des Papstes gegen ein neues Konzil wäre hierdurch eine Verurteilung der lutherischen Sätze mindestens auf unbestimmter Zeit hinausgeschoben und das vom Papst verworfene Recht, gegen ihn an eine höhere Instanz zu appellieren, von Kaiser und Reich aufs förmlichste anerkannt worden. Allein Luther wollte auch hinsichtlich eines Konzils nicht zusagen, was die Wahrheit und sein Gewissen gefährden könnte. Er machte wieder zur Bedingung, dass dort durch Schriftzeugnisse Beweis geführt würde, und forderte auch, dass man ihm vorher die Sätze vorlege, die man aus seinen Büchern zum Vortrag vor dem Konzil ausziehen wolle. Dann wollte er über diese streitigen Artikel inzwischen stillschweigen. 
 100         Sofort berichteten jene beiden hierüber dem Erzbischof, der ihnen erwiderte, dass er den zuletzt vorgeschlagenen Weg durch ein Konzil für den richtigsten und angemessensten halte. Und zwar hatten sie sich so ausgedrückt, dass derselbe meinte, Luther wolle jene Artikel wirklich dem Urteil des Konzils überlassen. Er wollte schon zum Kaiser gehen, ihm dies anzukündigen. Luther aber, den er vorher noch zu sich beschied, erklärte ihm mit Bestimmtheit, wie er es meine, -- dass er von der heiligen Schrift nicht weichen könne. Der Erzbischof sprach freundlich erst unter vier Augen mit ihm und liess dann auch den Spalatin rufen. Er forderte Luther auf, ihm selber Mittel vorzuschlagen, wie die Sache beigelegt werden könne. Luther antwortete mit dem Rate Gamaliels, Apostgesch. 5, 38: sei seine Sache nicht aus Gott, so werde sie in zwei oder drei Jahren von selbst untergehen; sei sie aus Gott, so werde man sie nicht dämpfen können; das mögen die Kaiser und die Reichstände dem Papste schreiben. 
 101  Jener fragte ihn ferner, was er nun thun würde, wenn man aus seinen Schriften Artikel zur Entscheidung für ein Konzil auszöge; Luther erwiderte: "Gnädigster Herr, dass es nur nicht die Artikel wären, so im Konzil zu Konstanz verdammt sind!" Der Erzbischof: "Ich fürchte, die sind's eben". Luther: "Gnädigster Herr, da kann ich nicht weichen, es gehe mir, wie Gott will." Endlich bat Luther den Erzbischof, ihm beim Kaiser die Erlaubnis zur Ab- (462) reise auszuwirken, weil man ja nichts mit ihm ausrichte, und der Erzbischof versprach ihm dies zur Stunde zu thun. 
 102         Gefasst und ruhig ging Luther weg; auf dem Heimweg nach seiner Herberge machte er noch einen Krankenbesuch bei dem Ritter Hans von Minkwitz, sprach ihm christlichen Trost zu und sagte zum Abschied: "morgen gehe ich weg". 
 103        Kaum drei Stunden nach seinem Gespräch mit dem Erzbischof, abends gegen sechs Uhr, wurde ihm im Namen des Kaisers durch Eck und einen kaiserlichen Geheimsekretär angekündigt: weil das vielfache Mahnen des Kaisers und der Reichsstände bei ihm vergeblich gewesen sei, bleibe nichts übrig, als dass der Kaiser als Beschützer des katholischen Glaubens gegen ihn vorgehe; er habe binnen einundzwanzig Tagen an seinen Ort zurückzukehren; so lange habe er freies, sicheres Geleite; er dürfe aber unterwegs nicht predigen oder schreiben, um das Volk nicht aufzuregen. 
 104  Luther antwortete: es sei gegangen, wie der Herr gewollt, des Name sei gelobt; er danke dem Kaiser und den Ständen demütig, dass sie ihn gnädig angehört und ihm das sichere Geleite gewahrt haben und wahren wollen; er werde dem Kaiser allezeit unterthänig gehorsam verbleiben, sei auch bereit, alles für Kaiser und Reich zu leiden; das allein behalte er sich vor, dass man ihm Gottes Wort ungebunden lasse, dasselbige zu predigen und zu bezeugen. So schieden sie von einander, nachdem sie sich gegenseitig die Hand gegeben. 
 105        Hiermit waren Luthers persönliche Verhandlungen mit dem Reich zu Ende. Nur das zugesagte Geleit zur Her- und Rückreise sollte er vollends geniessen. Das wurde ihm jetzt also aufs neue ausdrücklich auch für seine Heimkehr nach Wittenberg zugesichert. Die Besorgnisse, welche in dieser Beziehung Brück ausgesprochen, hatten zwar insofern sich bestätigt, als dem kaiser wirklich angeraten worden war, dem Ketzer das Wort nicht zu halten, sondern mit Luther ebenso zu verfahren, wie in Konstanz mit Hus verfahren worden sei; Kaiser Karl kannte jedoch die Stimmung der Reichsstände und des Volkes zu gut und hatte auch zu viel Gewissen und Ehrgefühl, um hierauf einzugehen. Aleander war auch schon darauf bedacht, dass man Luther, wenn er nach Sachsen zurückgekehrt sei, an einer Flucht zu den Böhmen hindere, wo er sein Wesen noch ärger treiben und durch weitere Schriften und namentlich durch einen Bericht über seine Wormser Erlebnisse auf Deutschland wirken würde; er wünschte, dass deshalb von Rom aus Schritte in Ungarn geschehen, unter dessen Herrscher damals Böhmen stand. 
 106        Unter der Menge von Luthers Anhängern war ein bis ins Übertriebene gehender Argwohn wegen der ihm schon in Worms drohenden Gefahren. Es entstand ein Gerede, welches bis auf unsere Zeit noch da (463) und dort im Volke fortlebt, dass man ihn sogar mit Gift habe aus dem Weg raümen wollen, und zwar am Tisch eines Bischofs, wohl des Erzbischofs von Trier: da sei dem Glase, in welchem man ihm den vergifteten Tranke gereicht, der Boden ausgefallen, als er's habe an den Mund setzen wollen. Dieses Zerbrechen des Glases fand auch nach dem Bericht eines Augenzeugen wirklich statt; Luther selbst aber war nicht so argwöhnisch, sondern erklärte es einfach daraus, dass das Glas in zu kaltes Wasser getaucht worden sei. (n463
 107         Dagegen war daran jetzt nicht mehr zu zweifeln, dass der Kaiser, nachdem Luthers freies Geleit abgelaufen wäre, das Äusserste mit ihm vorhabe, und es war nicht zu hoffen, dass die Mehrheit der Reichsstände fernerhin ihre Zustimmung hierzu versagen werde. Luther hatte sich stets bereit erklärt, auch dieses Äusserste zu erdulden. Konnte aber der Kurfürst, sein unmittelbarer Landesherr und Schutzherr, ihn, den er eben nicht widerlegt sah, preisgeben? oder durfte und konnte derselbe als Reichsfürst einem dorthin gehenden Befehle des Kaisers und Reichs Widerstand entgegensetzen? Friedrich der Weise hatte bereits das weitere erwogen. Noch an dem Abend, an welchem Luther den letzten kaiserlichen Bescheid empfangen hatte, liess er ihm in Gegenwart weniger vertrauter Personen seines Hofes anzeigen: man werde ihn beiseite bringen. Luther war zufrieden, wie sein Fürst mit ihm thun wolle. 
 108        Am andern Morgen, den 26. April, gegen 10 Uhr, fuhr er von Worms ab, mit den gleichen Begleitern, mit welchen er angekommen war, und mit seinem Freund Schurf. Der Herold Sturm, der ihm nach kaiserlichem Befehl wieder das Geleit geben sollte, ritt erst einige Stunden nachher ab und holte ihn in Oppenhein ein. So verliess Luther ohne Aufsehen die Stadt, um auf seinem früheren Wege Eisenach zuzufahren. 
 109         Unterwegs schrieb er am 28. April aus Frankfurt a. M. an seinen Freund Cranach in Wittenberg. Da fasste er seinen Bericht über Worms in die Worte zusammen: "Es ist nichts mehr hie gehandelt denn so viel: Sind die Bücher Dein? Ja. Willst Du sie widerrufen oder nicht? Nein. So heb Dich. O, wir blinde Deutsche, wie kindisch handeln wir und lassen uns so jämmerlich die Romanisten ässen und narren". Zugleich nahm er bis aufs weiteres also Abschied: "Ich befehle Euch  Gott; ich lass mich einthun und verbergen, weiss selbst noch nicht wo;und wiewohl ich lieber hätte von den Tyrannen, sonderlich von des wütenden Herzog Georgs Händen den Tod erlitten, muss ich doch guter Leute Rat nicht verachten bis zu seiner Zeit; es müssen die Juden einmal singen Jo, Jo, Jo, (nämlich jubelnd wie bei Christi Tod); der Ostertag wird uns auch kommen, so wollen wir dann singen Halleluja". Er war auch besorgt wegen der (464) Versehung seines Predigtamts in seiner Abwesenheit und empfahl hierfür den Wittenbergern den Amsdorf, der mit ihm heimwärts reiste. 
 110         Am nämlichen Tage liess er sodann aus Friedberg ein längeres lateinischen Schreiben an den Kaiser abgehen und zugleich dasselbe in deutschen Text an die Reichstände. In sehr würdiger und ruhiger Sprache rechtfertigt er darin noch einmal sein Verhalten zu den in Worms ihm gestellten Forderungen. Der Angelpunkt des ganzen Streites sei dort die Bedingung gewesen, unter welcher er seine Schriften dem Reich oder der Entscheidung eines Konzils habe anheimgeben wollen, dass nämlich "nichts wider das heilige Wort Gottes darin von ihm begeben, oder von jenen beschlossen werde"; in zeitlichen Dingen, die mit den ewigen Gütern nichts zu thun haben, seien die Christen schuldig, sich gegenseitig zu vertrauen, in Sachen des göttlichen Wortes aber und der ewigen Güter leide Gott nicht, das man sich Menschen, sondern nur, dass man sich ihm allein untergebe, und wer in Dingen der ewigen Seligkeit also auf Menschen vertraue, der gebe der Kreatur die Ehre, die Gott allein gebühre. Für die Sicheerung des Geleites wiederholte er seinen unterthänigen Dank. Den Reichsherold schickte er mit diesem Schreiben nach Worms zurück. (n464) 
 111       Zu Hersfeld wurde er vom Abte des dortigen Benediktinerklosters, Crato, und vom Rate der Stadt mit grossen Ehren aufgenommen und über Nacht im Kloster beherbergt. Auf ihr Andringen hielt er vor seiner Weiterreist schon früh um 5 Uhr eine Predigt. Er wollte es anfangs deshalb nicht thun, weil wegen des ihm mitgegebenen Verbotes dem Abt von seiten des Kaisers Unannehmlichkeiten erwachsen könnten; seiner selbst wegen hatte er hierbei kein Bedenken: denn er habe nicht darein gewilligt, dass man Gottes Wort binde. 
 112        Am Abend des 2. Mai langte er en Eisenach an, wo ihm viele zum Empfang entgegengingen. Auch hier predigte er; und zwar schützte sich hier der Ortspfarrer vor den ihm deshalb drohenden Folgen durch einen förmlichen Protest, welchen er vor einem Notar dagen einlegte. (n464a
 113         In Eisenach nun trennte sich Luther von der übrigen Reisegesellschaft (Schurf, Swaven, Jonas), welche auf der Strasse nach Gotha weiter zogen. Er selbst fuhr rechts ab über den Thüringer Wald zu seinen Verwandten, welche dort in der Nähe und namentlich in Möhra wohnten. Nur Amsdorf und der Ordensbruder Pezensteiner blieben bei ihm. Es war darauf angelegt, dass die Handlung, die der Kurfürst Friedrich mit ihm vorhatte, nicht im Dabeisein jener Freunde und nicht an der grossen Hauptstrasse ausgeführt werde. 
 114  In Möhra war er bei seines Vaters Bruder Heinz zu Gaste und predigte am folgenden Vormittag, Sonnabend den 4. Mai. Dann brach er auf in der Richtung nach Gotha; der Weg dorthin führte (465) über Schweina, Schloss Altenstein, weiter übers Waldgebirge nach Waltershausen. Seine Verwandten begleitetn ihn bis in die Nähe des Altenstein, wo sie bei Anbruch des Abends sich von ihm verabschiedeten. Luther fuhr noch eine kurze Strecke hinter dem Altenstein weiter, bis die Strasse zwischen den bewaldeten Hügeln hinanstieg. Da sprengte ein Haufen bewaffneter Reitersleute gegen seinen Wagen an. Noch zeigt man heutzutag die Stelle: jenseits des Glasbachs, an einem Brunnen, bei den Resten einer alten, jetzt fast ganz vom Blitz zerstörten und abgedorrten Buche. Bruder Pezensteiner sprang, als er die Bewaffneten sah, aus dem Wagen und lief davon, Waltershausen zu.
 115  Die Reiter nötigten in einem Hohlweg mit vorgehaltener Armbrust den Fuhrmann stillzustehen und zu sagen, wen er bei sich habe. Darauf rissen sie Luther heraus und fluchten auf ihn los. Amsdorf, welchen Luther auf einen solchen Überfall vorbereitet hatte, schalt über die rohe Gewaltthat, damit der Fuhrmann nichts merke. Ihn und den Fuhrmann liessen die Reiter weiter ziehen. Mit Luther eilten sie in den Wald hinein; bis er jenen aus den Augen war, liessen sie ihn zu Fuss gehen, wobei der Fuhrmann hoch sah, wie er im schnellen Lauf einen Hut, den er aufhatte, fallen liess; und zwar schlugen sie, um zu täuschen, zuerst die Richtung ostwärts gegen Brotterode hin ein. 
 116  Dann setzten sie ihn auf ein Pferd und zogen noch auf Umwegen bis gegen elf Uhr nachts mit ihm umher, um ihn endlich sicher auf der Wartburg bei Eisenach, im Norden von Möhra, abziliefern. Auf diesem seinem Schlosse wollte der Kurfürst ihn ganz im Geheimen verwahren lassen. Seinem Schlosshauptmann Hans von Berlepsch und auch dem in seinem Dienst stehenden Ritter Burkhard Hund, dem der Altenstein gehörte, hatte er hierzu die nötigen Weisungen erteilt. Luther wurde auf der Wartburd als ein "Junker Georg" behandelt, erhielt die dazu passende ritterliche Kleidung und musste sich den Bart und die Haupthaare (statt der Mönchstonsur) wachsen lassen. Den Ort, wohin er gebracht war, wusste auch Amsdorf nicht. Das letzte, was seine Möhraer Verwandten über seine Abführung erfahren konnten, war, dass man den Hufschlag der Reiter Brotterode zu gehört habe. (n465). 
 117        In Worms hatte inzwischen der Kaiser bereits am 30. April die Stände über die Strafe befragt, mit welcher jetzt gegen Luther vorgegangen werden sollte, und sie hatten ihn zunächst um die Vorlage eines Mandats ersucht. Den Brief, welchen jetzt der Herold von Luther an ihn mitbrachte, wagte man gar nicht ihm einzuhändigen. Der päpstliche Legat Aleander durfte selbst das Edikt entwerfen, welches der Kaiser gegen Luther erlassen wollte. Damit traf (am 8. Mai) der Abschluss eines Schutz- und Trutzbündnisses zwischen dem Kaiser und Papst zusammen, durch welches dieser im Kampf mit Frankreich für jenen Partei nahm, auch der Kaiser aber sich verpflichtete, alle Feinde des Papstes zu bekämpfen. (n465a)  (466) 
 118        Die Nachricht, dass Luther gefangen und verschwunden sei, erregte in ganz Deutschland und vor allem in Worms eine grosse Bewegung. Die Menge seiner Anhänger und Verehrer dachte zuerst nicht anders, als dass hinterlistige Widersacher ihn weggeräumt haben, und es erhob sich in dieser Hinsicht verschiedener Verdacht. Auf seiten der Gegner vermutete man übrigens richtiges, ja Aleander berichtete geradezu nach Rom, der sächsische Fuchs habe ihn verborgen. Herzog Johann meinte noch am 29. Mai dem Kurfürsten Friedrich selbst berichten zu müssen, dass er gehört habe, Luther solle auf einem Schlosse Sickingens in der Nähe der französischen Grenze sich befinden. Der Kaiser aber schwieg zu diesem Vorfall: er hatte keinelei sichere Handhaben zu einer Untersuchung der Sache, und es war ihm ohne Zweifel noch nicht darum zu thun, die Strafe an Luther sofort durch eignes Einschreiten zu vollziehen, sondern er wollte zunächst nur einen endgültigen Beschluss gegen ihn haben, den er dann mit kluger Rücksicht auf die weiteren Umstände verwerten und ausführen könnte. 
 119         Und auch mit dem Zustandebringen des Edikts verfuhr er noch sehr vorsichtig und berechnend. Der Reichstag wartete vergeblich auf die Vorlage. Kurfürst Friedrich reiste wegen schweren körperlicher Leiden endlich am 23. Mai mit kaiserlicher Erlaubnis von Worms ab und der Pfälzer Kurfürst begleitete ihn. (n466) Auch ein grosser Teil der übrigen Stände verliess bereits den Reichstag. Da zog der Kaiser am 25. Mai die vier noch anwesenden Kurfürsten, nämlich den streng katholischen Brandenburger und die drei Geistlichen, nebst mehreren andern Herren vom Reich zu sich in seine Wohnung und teilte ihnen hier das gegen Luther zu erlassende Edikt mit; es sollte gar nicht erst durch den Reichstag begutachtet werden, da es ja auf dem Beschlusse beruhe, welchen dieser über Luther schon früher für den Fall einer Ablehnung des Widerrufs gefasst habe; dem stimmte der Kurfürst von Brandenburg für sich und die anderen bei. 
 120       Am andern Morgen unterzeichnete der Kaiser das Edikt. Es wurde aber datiert vom 8. Mai, wohl dem Tag, an welchem es für die Stände ausgefertigt war: so wurde der Schein erzeugt, als wäre es ergangen, so lange die Stände noch vollzählig waren. Es erklärte Luther in den derbsten Ausdrücken für einen verstockten Ketzer, und zwar auf Grund der Bulle, welche vom heiligen Vater als dem gesetzmässigen Richter dieser Sache über ihn erlassen worden sei: er habe als der böse Feind in Menschengestalt eine Menge alter Ketzereien in eine stinkende Pfütze versammelt, und neue dazu erdacht, trage Lehren vor, welche zu Aufruhr, Mord und Brand führen, stürze alle Gesetze um, ja lehre ein ganz viehisches freies Leben. 
 121  Demnach wird über ihn die Acht des Reiches verhängt; es solle ihm niemand Herberge, Essen, Trinken u. s. w. mehr geben, vielmehr solle man ihn, wo er sich betreten lasse, gefangen nehmen und dem Kaiser überantworten. Seine Büchber dürfen nicht mehr geduldet (467) werden, ob auch etwas Gutes drin vorkäme. Und weiter: man dürfe fortan im heiligen römischen Reich bei Strafe der Reichsacht überhaupt kein Buch mehr ohne Wissen und Willen der geistlichen Obrigkeit drucken oder verkaufen (darüber war der Reichstag vorher gar nicht befragt worden). Also sei es beschlossen mit "einhelligem Rate der Kurfürsten und Stände". -- Nachher ergingen auch noch strenge Strafdrohungen an die weltlichen Obrigkeiten, dass sie diese Befehle vollziehen sollten. 
 122       Der Kaiser aber verliess jetzt Deutschland wieder. Der Krieg mit Frankreich brach aus. Und der Kaiser wusste wohl, wie wenig er auf Leo X. und dessen Bündnis, das nun dasselbe Datum mit jenem Edikte trug, für die Zukunft vetrauen durfte. Da fragte sich sehr, wie weit er die Vollstreckung des letzteren durchsetzen könne oder auch selbst wolle. 

Noter:

n439:  Zu Luthers Reise nach Worms und Aufenhalt daselbst: Br 1, 586ff. Op 6, 1sqq. EA 64, 374ff. 366ff. TR 4,346ff. C. 1, 438sqq. Eric. 180ff. Steitz a. a. O. Spal. Ann. 38ff. Cochlaeus. Die zu S. 416 genannten Schriften. Die alten Berichte und Flugschriften, welche von Burkhardt in d. Theolog. Stud. u. Krit. 1869 S. 525ff. und von mir in meiner Abhandlung "Luthers Rede in Worms, Halle 1874" (vgl. Stud und Krit. 1875 H. 1) aufgeführt und besprochen worden sine.
n439a:  Swaven (Suaven): vgl Vogt, Bugenhagen S. 85 (öfters im C. R.) -- Pezensteiner (dies der "Bruder" Försterm. 68): Eric. 181b Spal. Ann. 46. Fortg. Samml. 1747 S. 168 (fälschlich: Retzenst.) Greifers Leben (Dresden 1587) Bl. Bb ("Bettstein"); über ihn ferner: Alb. 22 Scheurl Briefbuch 2, 53. 58f. Br 5, 289. 6, 262. Scult. Annal. 1, 290 Kapp. kleine Nachlese S. 553 (Petschenstein). Die Angabe Späterer, dass Luthers Bruder Jakob in Worms gewesen sei, ist ganz grundlos; man hat missverstanden, was von "Bruder" Petzensteiner berichtet wird. Vgl. über Luthers Begleiter auch Cocläus (Otto, Colloq. des Cochl. mit Luther, Österreich. Vierteljahrschr. f. kathol. Theol. 1866 H. 1. S. 98): dieser redete ihn an "fratercule", und Luther sagte scherzend: "Mein Bruder möchte gelehrter sein als wir alle, zumal wenn er tüchtig getrunken hat". -- Schurf: Br, 1, 559. 561. -- Wagen: Wittenberger Magistratsrechnungen.
n441:  Krafft S. 25 Krause H. E. Hess, 1, 321ff: Kampsch. Erf. 2. 95ff. Pressel, Jonas S. 18ff. C. R. 1, 390sq ann. Br 1, 586. EA 16,249ff. (= Erl 17,98-104) Tentzel suppl hist. Goth. 2, 714. Ftgl. Samml. 1732 S. 996. -- Förstem. 61 f. Von dem Mandat erfuhr Luther nach EA, 64, 367 in Weimar, nach TR 4, 348 C. 1, 439 in Erfurt.
n443:  TR 4. C. 1 a. a. O. Exc. 35. Eric. 180sqq. EA 64, 367ff Br 1, 586. Spal. Ann. 38. J. J. Müller,Staatskabinet VIII S. 296. Hutt. 2, 211. Hutt. Suppl. 2, 806. Aleander in Abh. d. bayr. Akad. 127f. 131f. Ulmann, Sicikingen 179ff. Waltz, Sybel histor. Ztschr. B. 31 S. 189f. Zts, f, K. Gesch. 2, 124f.
n444:  Johannittenhaus, nicht (op. 6,6sq) Hans der Deutschritter: vgl. Spal. Ann. 39 und die weiteren Zeugnisse in meiner (zu S. 438 Anm. 3 angeführten) Abhandlung S. 31f. -- Statt Philipp v. Feilitzsch (Förstem. 68 Spal. 39,50) wird TR 1, 64 C. 1, 440 fälschlich Fabian F. u. TR 4, 350 ein Friedrich F. genannt.
n444a:  Bischofshof (nicht Rathaus): Spalatin b. Förstem. 39, Spal. Ann. 39, Fürstenberger bei Zeitz a. a. O., Peutinger (Kolde, Anal. S. 28ff.; vgl. meine Abhandl. S. 14).
n445:  Spangenberg, Adelsspiegel B. 2, 54.
n445a:  Zuerst deutsch: nach Fürstenberg bei Steitz S. 48, ferner nach den Acta etc. u. nach "Röm. Kai. Mat. Verhörung Rede etc." (Stud. u. Krit. 1869 s. 525. 527; meine Abhandl. S. 25f. 19). Nach den Acta in Op.: zuerst lateinisch.
n451:  Luther antwortet zuerst lateinisch: nach Spal. Förstem. 69 Ann. 41, Peutinger, Acta u. s. w.; zuerst deutsch nach dem Berichte Dr. Krels, Forschungen z. deutsch. Gesch. B. 11, S. 636 f. EA, 64, 370 Selnecc. p. 107. Über seine Anrede an den Kaiser "Allergnädigster" erzählte Luther später (Diet. 82): "Conscientiam habui, an deberem Caesarem vocare Allergnädigsten Herrn", und setzte dann bei: "res levicula est, cum sit publica consuetudo et politicum nomen".
n452:  Krel a. a. O.
n452a:  Vgl. besonders Peutinger, auch Pallavicini (Gesch. des Trid. Konz.): meine Abhandlung S. 15f. (Noten findes ikke i teksten).
n453:  Vgl. einerseits Burkardt, Stud. u. Krit. 1869 S. 517 ff. Waltz, Zts f. K. Gesch. 2, 628. Andererseits: Knaake, Zts. f. luth. Theol. 1870 S. 74ff.; meine Abhandlung "Luthers Rede etc" (Osterprogramm) 1874; St. u. Krit, 1875 S. 129ff.; Mönckeberg ebend. 1876 S. 295ff; Seidem. K. und S. Bl., 1872 S. 294, 1877 S. 254 und Zts f. K. Gesch. 3, 307; meine Ausführung St. u. Krit. 1882 S. 551ff. Über die Herausgabe von L.s Werken vgl. unten B. 2,S. 605.
n454:  Selneccer a. a. O. p. 108.
n454a:  Sixt Oelhafen aus Nürnberg, bei Niederer, 4, 96. Oelhafen schrieb seinen Brief "eilend um 9 Uhr in der Nacht", nachdem "bei einer Stunde" Luther nach Haus zurückgekehrt war (Meurer S. 248 hat bei seinem Citat die Erwähnung der Stunde falsch eingefügt).
n455:  Spal. Ann. 49. EA 64, 373 C. R. 20, 527 (hier fälschlich auf Johann Hess übertragen).
n455a:  Selneccer . 109sq.; aus d. Munde d. Herold Sturm, bei welchem Luthers Besuche sich meldeten (über Selnecker's Verhältnis zu Sturm: p. 103)
n456:  Hutten 2, 58sqq. 62sq: Acta (in Op 6); Steitz a. a. O 51; Cochl. Fortg. Samml. 1747 S. 107.
n457:  EA 64, 289f.
n457a:  Zum Folgenden vgl. neben den bisher angeführten Quellen besonders: "Etliche sunderliche fleissige ---- Handlung -- von Freitag" u. s. w. (von Spalatin; s. meine Abhdlg. S. 24. 28) Ferner: Seidem., Dr. Hier. Vehus u. s. w. Zts f. h. Th. 1851 S. 80ff. Otto, Österreich, Vierteljahrbuch a. a. O. (oben anm 4, zu S. 438). Cochl.
n460: Vgl auch EA 31, 302. Jen. 2, 599b.
n463:  Rz. 51f.
n464:  Br 1, 589ff. 601. 6, 20ff. Förstem. 76ff.
n464a:  Br 2, 6. 6,606. Rommel, Geschichte von Hessen 2, 1. Anm. zu Buch 6. S. 291.
n465:  Im Kirchenbuch zu Schweina steht die Notiz, dass Luther (am 4. Mai) nachm. zwischen 4 und 5 Uhr durch Schweina gefahren sei; dieselbe ist jedoch erst durch Pfarrer Hattenbach, welcher dort seit 1614 im Amt war, eingetragen. -- Zu Luthers Gefangennahme: Br 2, 7 ("frater meus" ist nicht Jakob Luther, vgl. oben Anm 2 zu S. 439) Eric. 181bsqq. Brückner, Archis f. sächs. Geschichte B. 2 S. 47ff. (mit Angaben von Luthers Onkel Heinz). Spangenberg, Henneberg. Cronica, lib. 5 fol. 254.
n466:  Först. 17f. -- Über Luthers Verschwinden: Krafft S. 28 f. Ulmann, Sickingen S. 182. Kolde, Friedrich S. 47. Kawerau, Agric. 32.