Julius Köstlin: Luther, sein Leben und seine Schriften
Drittes Buch:
Das reformatorische Werk und der fortschreitende Kampf, vom Ablassstreit 1511 bis zum Wormser Reichstag 1521.
Eberfeld 1883

Kap. 11:

Übergang zu den grossen reformatorischen Schriften an den Adel und von der Babylonische Gefangenschaft.


Tilbage til Köstlin, indholdsfortegnelse!

Tilbage til oversigten!

Inhalt: Eck in Rom 325 #4 -- Erwartung des Bannes 326 #8 -- Römischer Trug: die Schenkung Konstantins 327 #11 -- Die deutschen Humanisten. #21 Erasmus 328 #25 -- Die Bischöfe von Mainz und Breslau. #28 Der deutsche Adel 330 #32 -- Annäherung Huttens und Sickingens 333 #50 -- Hoffnung auf Karl V. und Ferdinand 336 #65.
 
1 Elftes Kapitel. 
Übergang zu den grossen reformatorischen Schriften an den Adel und von der Babylonische Gefangenschaft.
Stellung Luthers, aus welcher sie hervorgingen; Hutten und Sickingen. 
        Schritt für Schritt ist so Luther im bisherigen Verlaufe des Kampfes und Aufflammen seines Eifers bereits bis zum äussersten vorgegangen. Er legte jetzt vollends die Hand an diejenigen Schriften, welche man als die rechten Hauptschriften des reformatorischen Kampfes bezeichnen kann, sofern sie am umfassendsten über alle die Schäden und Bedürfnisse der Kirche sich verbreiten, am schärfsten in alle Bollwerke und Fundamente der Gegner eindringen, am kühnsten und gewaltigsten die Christenheit zu praktischer, thatkräftiger Erhebung aus der Knechtschaft und Wahrung der heiligsten Güter aufrufen. Zugleich stiess ihn, eben während er diese Schriften hervorbrachte, die römische Kirche selbst als einen Verdammten vollends aus ihrer Gemeinschaft hinaus. 
3         Wir müssen jedoch, ehe wir ihm hierzu folgen, den Blick noch auf Verhältnisse werfen, welche teilweise schon in dem zuletzt besprochenen Zeitabschnitt sich für ihn entwickelt hatten und welche jetzt vollends gewichtig in sein Handeln eingriffen. 
4         Jener Blitzstrahl des päpstlichen Bannes blieb länger aus, als Luther gedacht hatte. Aber je länger je weniger konnte Luther sich darüber täuschen, dass in Rom die Wolken zu einem unabwendbaren Schlag über ihn sich zusammenziehen. Schon im Anfange des vorigen Winters waren ihm die Berichte des Crotus, der mancherlei Verbindungen in Rom gehabt zu haben scheint, über die Machinationen, welche Eck dort treibe, zugekommen; sie wurden ihm durch den jungen schlesischen Domherrn Johann Hess, einen geborenen Nürnberger, überbracht, der damals von einer humanistischen Studienreise nach Italien zurückkehrte und sogleich Luther und Melanchthon in Wittenberg aufsuchte. 
5  Bald nachher hatte Eck selbst sich nach Rom (326) begeben. Luther hörte, dass er durch vier Kardinäle zum Papst geführt worden sei und von diesem, nachdem er ihm die Füsse geküsst, zum grossen Staunen der Anwesenden selbst einen Kuss bekommen habe. Von da konnte er schon am 3. Mai vergnügt nach Deutschland schreiben: es sei recht gut, dass er selbst da sei, denn man habe dort Luthers Irrtümer noch zu wenig gekannt; er habe schon lange gemeinsame Beratungen mit dem Papst und einigen Kardinäle in dieser Sache gehabt; die Bulle, welche 41 Sätze Luthers ausdrücklich verurteilen werde, sei bereits entworfen und werde in nächsten Konsistorium der Kardinäle erledigt werden; sie werde allen Gutgesinnten gefallen. 
6  Er hatte daneben seine anderen persönlichen Interessen, nämlich die von ihm beanspruchte Pfarrstelle, nicht vergessen: es sei ihm, schrieb er, zwar von seinen Gönnern gesagt worden, dass er auf dem Rechtsweg nichts in betreff derselben erreichen könnte, der Papst aber habe ihm "bei seiner eignen Brust" zugesichert, dass er in derselben unangefochten sein solle. Der Brief, für das Treiben des Verfassers in jeder Hinsicht bezeichnend, wurde nachher lutherischerseits durch den Druck veröffentlicht. In Deutschland klagte damals bereits Melanchthon: "Man hört viel reden vom päpstlichen Fluch gegen Martinus; Gott wolle es gut wenden; wenn der uns nicht in der Gefahr hilft, so gehen wir zu Grunde". 
7         Zugleich fürchtete man in Deutschland geheime Mordanschläge gegen Luther. Aus Halberstadt schrieb man ihm gar, ein Arzt, der durch Zauberkünste sich unsichtbar machen könne, habe den Auftrag, ihn umzubringen, übernommen. 
8       Es erschien auch zweifelhaft, wie lange der Kurfürst noch die Gefahr, die durch Luthers Thätigkeit in Wittenberg erwuchs, werde auf sich nehmen wollen; musste er doch fürchten, dass der Bann mit diesem auch die Universität und ihn selbst treffen werde; nach Ostern 1520 liess er darüber Spalatin mit den Juristen in Wittenberg sich besprechen. 
9 Luther selbst schrieb in jenem Briefwechsel mit Spalatin wegen seines heftigen Vorgehens gegen das Stolpener Dekret: falls er wegen dieser Sache ins Exil gehen müsste, so wisse ja Spalatin, wie wenig er ein solches Ungemach achte. Und es schien da keine Zuflucht mehr für ihn zu sein als bei den Böhmen. Wir wissen nicht, wie weit er selbst hieran dachte; vermutet wurde es: von seinen Freunden ängstlich befürchtet, von den Gegnern gewünscht, weil es dann um seinen Namen und seine Lehre geschehen sein werde. (n326
10       Für Luther aber war die zunehmende Gewissheit, womit er der Entscheidung Roms entgegensehen konnte, nur desto mehr Antrieb, alle weiteren Rücksichten fallen zu lassen. 
11       Zudem gingen ihm über den ganzen Charakter des Feindes, mit dem er im Kampf liege, immer mehr die Augen auf. Die Studien über die (327) Geschichte des Papsttums, wozu ihn die Leipziger Disputation angetrieben hatte, trugen weitere Früchte. Einen besonders wichtigen Beitrag bot ihm dafür die von Ulrich von Hutten neu herausgegebene Schrift des Laurentius Valla über die sogenannte Schenkung Konstantins, welche ihm ein Freund im Februar 1520 zuschickte. 
12 Seit länger als sieben Jahrhunderten erzählte und lehrte man in der römischen Kirche, dass der grosse Kaiser Konstantin, als er seine Residenz nach Konstantinopel verlegte, Rom, die Hauptstadt des Abendlandes, und ihr Gebiet dem Papst Silvester abgetreten habe. Im Codex des kirchlichen Rechtes stand eine Urkunde des Kaisers, worin er gar die Herrschaft über "alle Provinzen Italiens oder der abendlandischen Regionen" diesem Papst übertrug und mit seiner eignen Herrschaft nach dem Morgenlande ging, um über den irdischen Thron den hochheilign Stuhl Petri zu erhöhen. 
13 Daran wurde dann die Lehre geknüpft, dass die römische Kaiserkrone an die deutsche Nation durch päpstliche Verleihung übertragen sei. Luther las zuerst bei Valla den -- heutzutag von jeden Geschichtskundigen anerkannten, von den Päpsten freilich nie zugelassenen Nachweis, dass jene ganze Schenkung "falsch geglaubt und erlogen" sei. 
14 Weitere Aufschlüsse über das päpstliche Recht holte er sich in seiner nächsten Umgebung bei seinem juristischen Kollegen und Freund, dem Hieronymus Schurf. Es ergriff ihn Entsetzen. Immer neu bewegte ihn der Gedanke, im Papsttum möge wohl gar der Widerchrist erschienen sein. So schrieb er über Vallas Schrift an Spalatin: "Guter Gott! welche Finsternisse und Nichtswürdigkeiten der Römlinge! und sie haben, so dass man dabei über Gottes Gericht sich wundern muss, schon lange Jahrhunderte hindurch nicht bloss fortgewährt, sondern gar geherrscht, und in die kirchlichen Gesetze sind so unsaubere, so grobe, so unverschämte Lügen aufgenommen, ja sie sind zu Glaubensartikeln geworden; ich bin so in Ängsten, dass ist fast nicht mehr zweifle, der Papst sei recht eigentlich der Antichrist, den die Welt erwartet: so sehr passt hierzu alles sein Leben, Thun, Reden, Beschliessen". (n327) (br240220#9). 
15        Über das Leben und Treiben im damaligen Rom und bei der Kurie verbreiteten besonders die in Italien reisenden Humanisten betrübende und aufregende mündliche und schriftlige Schilderungen. Wie vieles mochte Luther von Hess und durch diesen von Crotus her vernehmen. In Flugschriften voll von scharfem Spott und rednerischem Pathos wurde Ulrich von Hutten jetzt rastlos thätig; andere von gleicher Richtung erschienen anonym, teilweise wohl aus der Feder des Crotus. 
16 Nur zu gut stimmte zu dem, was hier der Welt zur Schau gestellt wurde, dasjenige, was Luther einst selbst in Rom gesehen und gehört, aber mit Betrübnis und treuem Glauben an die göttliche Autorität des Papsttums in seinem Innern verschlossen hatte. -- Besonders wichtig waren ihm ferner die förmlichen Proteste und Beschwerden der deutschen Reichstände über römische (328) Forderungen und Anmassungen. Wir sehen ihn darauf zuerst während jenes Augsburger Reichtstags 1518 aufmerksam werden. 
17 Eine Eingabe voll heftiger Klagen über römische Bübereien, die dort der Bischof von Lüttich vortragen liess und die nachher gedruckt erschien, klang ihm so stark, dass er sie gar nicht für echt halten wollte. Auf die Äusserungen jener Stände beruft er sich dann im Vorwort seines Kommentars zum Galaterbrief: sie, sagt er, haben auch schon erkannt, das "römische Kirche" und das, was im Namen der römische Kircke geschehe, nicht identisch und dass ein Legat der römischen Kurie und ein Sendbote der Kirche nicht eines sei: dass dieser das Evangelium bringe, jenes Geld suche. -- 
18 Und zugleich erhebt sich in ihm nun auch das nationale Bewusstsein, das Gefühl des Deutschen über die Schmach, welche Deutschland von Rom zugefügt worden. Noch ehe er  von den Schriften eines Hutten, die diesem den lautesten Ausbruch gaben, wusste, sprich er 1519 in jenem Vorwort aus: dort achte man die Deutschen für eitel Tölpel, Barbaren, Bestien, die man an der Nase herumführe und ausplündere, aber diese Bestien haben auf dem jüngsten Reichstag genug Urteil gezeigt zur Warnung für die Herren in Rom. (n328
19        Andererseits durfte Luther sich sagen, dass seine Sache in Deutschland von Tag zu Tag festeren Boden gewinne und ausgedehntere Teilnahme finde. Sein Wort drang in den deutschen Widersachern so gerne sich verachten liess, wirklich bis zu den "einfältigen Laien" und wurde hungrig von ihnen aufgenommen. Und gerade jener praktisch erbauliche und positiv belehrende Inhalt dersselben musste die Leser auch dem Verfasser besonders innig verbinden: der Mann, der so grosses gegen die römische Kirche wagte, den von dort her so schwere Vorwürfe trafen, der mit seinem kühnen Vorgehen wohl auch manchem einfältig frommen Gemüt Anstoss gab, reichte hier mit liebender Hand dem armen, von den Grossen verachteten und verwahrlosten Volk eine so fassbare, ins Herz eingehende und die Herzen aufrichtende Speise. 
20 Mit ihm konnte man vertrauensvoll gehen, auch wenn er zum Kampf gegen die kirchlichen Mächte und Missbräuche rief, unter welchen zwar auch die Menge der Einfältigen längst geseufzt und gespottet, gegen welche sie aber noch nirgends ermutigende Mittel und Waffen für sich gefunden hatte. Luther wurde fürs Volk der Mann des Kampfs, indem er zugleich schon der Mann des Vertrauens und der Liebe für dasselbe geworden war. -- Schon wurde auch auf den Kanzeln da und dort in seinem Sinne gepredigt. 
21         Unter den deutschen Humanisten waren besonders jene Erfurter, deren Universität zum lebendig bewegten Mittelpunkt der humaniscischen Studien und Tendenzen in Deutschland geworden war und aus deren Mitte namentlich der Name des Dichters Eoban Hess weithin leuchtete, jetzt vollauf (329) für Luther begeistert; mit ihm wollten sie die göttliche Wahrheit aus der biblischen Quelle trinken und "unter dem Führer Christus über die Feinde siegen". 
22 Die Mitglieder der theologischen Fakultät von der alten Schule, wie Usingen, vermochten nichts gegen diese Richtung der Universität und vermieden den Streit: neben ihnen stand in der Fakultät Luthers Freund Lange, selbst einst einer der ersten Schüler der humanistischen Wissenschaft in Erfurt. -- 
23 Kurz vor Ostern des Jahres 1520 kehrte Crotus aus Italien nach Deutschland zurück und wurde freudig von seinen wissenschaftlichen und poetischen Freunden hier aufgenommen: die Erfurter hielten ihn, als er sie im folgenden Herbst besuchte, bei sich zurück, um ihn zum Rektor der Universität zu machen. Er, der durch seine litterarische Gewandtheit und Betriebsamkeit und seine vielen persönlichen Beziehungen eine wichtige Rolle in diesen Kreisen spielte, zeigte eine Ankunft Luthers mit den Ausdrücken wärmster Hingebung an. 
24 Und während sein loser Ton in den Briefen der Dunkelmänner einst diesem gar nicht genügt hatte, schien er jetzt auch innerlich vom ganzen Ernste der religiösen Fragen und von den tiefsten Wahrheiten des Evangeliums ergriffen; so schrieb er bald nach seiner Rückkeur (den 28. April) an Luther: "nirgends wird man mich mehr daran zweifeln machen, dass jeder Sterbliche in der Rechtfertigung durch Glauben den Zugang zu Gott habe; -- ohne dass wir weiter nach der Unterscheidung zwischen tötlichen und verzeihlichen Sünden fragen, genüge es uns, einfach mit Thränen zu seufzen: Herr, reinige uns von unsern verborgenen Sünden; -- es sei den Ketzern gestattet, das Herz nach oben zu heben mit der Bitte: öffne mir, Herr, die Augen, dass ich schaue die Wunder in deinem Gesetze: Dein Wort sei meine Leuchte u. s. w." (n329) Wir sehen, Luther wurde sich in nichts untreu, indem auch er den Briefwechsel mit ihm aufnahm. 
25          Auf Erasmus hoffte Luther doch immer noch, auch hinsichtlich der theologischen Wissenschaft (vgl. oben S. 288 = 3.8#88). Im Frühjahr 1520 richtete er auch wieder einen -- uns nicht erhaltenen Brief an ihn. Um dieselbe Zeit nannte er ihn übrigens öffentlich in seiner Schrift gegen die Kölner und Löwener, wo er ihn neben anderen ungerecht angeklagten verdienten Männern aufführte, den "noch mit den Hörnern im Dornstrauch hängenden Widder". (lutloev2#25
26 Erasmus äusserte dann in Briefen an Melanchthon und Spalatin sein Wohlwollen für Luther, wie diesem ja fast alle Rechtschaffenen gewogen seien, nicht minder jedoch sein Missfallen an dessen Heftigkeit und seine stete ängstliche Besorgnis, dass er selbst und die edle Wissenschaft mit dadurch möchte bedroht werden; es war ihm deshalb unangenehm, auch seinen Namen in der Schrift gegen die Kölner erwähnt zu finden. 
27 In Gegensatze zu Luthers Auftreten bemerkte er: "die Wahrheit muss nicht immer vorgetragen werden, und es kommt sehr darauf an, wie man sie vorträgt". Allein, wie wir schon früher bemerkten, fiel schon das wenige, was man (330) aus dem Munde des vorsichtigen Mannes zu Luthers Gunsten hörte, für diesen schwer ins Gewicht; es wurde eifrig weiter verbreitet und weiter ausgelegt; so wurde z. B. sein oben (S. 289) erwähntes Schreiben an den Erzbischof von Mainz zu seinem grossen Leidwesen durch einen jeder Erfurter jetzt für die "nach seinem Urteil über Luther begierigen Leser" in den Druck gegeben und aus demselben las z. B. Crotus heraus, dass Erasmus den Luther "mit vollen Munde empfehle". (n330
28         Ja es schien damals, als ob besonders durch Einflüsse des Humanismus sogar hohe deutsche Kirchenfürsten teils zur Duldung gegen die reformatorische Predigt bestimmt, teils geradezu zum neu verkündeten Evangelium hinübergeführt und für Luther selbst gewonnen werden könnten. Jenes fand bei keinem geringeren statt als bei jenem Erzbischof Albrecht von Mainz, der fortwährend den Mäcenas der edlen Künste und Wissenschaften zu spielen liebte. 
29 Er hielt besonders Hutten an seinem Hof in grosser Hild, bis dieser wegen seiner heftigen Ausfälle auf Rom dieses Verhältnis wenigstens äusserlich lösen musste, und behandelte ihn auch nachher noch mit möglichster Rücksicht; Hutten wagte sogar seine schärfsten Schriten in Mainz drucken zu lassen. Über Luther holte Albrecht jene gutachtlichen Äusserungen des Erasmus ein und gab dann auf Luthers eignen Brief vom 4. Februar jene möglichst gnädige Antwort (oben S. 319 = 3.10#41). 
30 Ja er hatte den bereits mit Luther befreundenten und die neue Lehre verkündigenden Capito auf Huttens und anderer Humanisten Empfehlung zu seinem geistlichen Rat und Domprediger gemacht und zwischen diesem und den Wittenbergern wurden noch jetzt freundschaftliche Briefe gewechselt. 
31 Das andere war mit dem Breslauer Bischof Johann Thurzo der Fall. Auch dieser hatte zunächst mit Verehrung an Erasmus sich angeschlossen. Jener Johann Hess, der aus Wittenberg nach Schlesien als vertrauter Freund Melanchthons und Luthers zurückgekehrt war, stand bei ihm in hoher Gunst. Ja Thurzo liess damals seinen Domherrn Schleupner in Wittenberg studieren und durch diesen und Hess vernahmen Luther und Melanchthon so günstiges von ihm und wurden, als Schleupner zu seinem erkrankten Bischof heimreiste, so dringend angegangen, selbst ihm zu schreiben, dass sie dies unter dem 30. Juli und 1. August 1520 thaten. Die Briefe trafen ihn freilich nicht mehr am Leben. Luther äusserte nachher: in Thurzo sei der beste Bischof des Jahrhunderts gestorben und zwar im seligmachenden Glauben an Christus. (n330a
32        Ganz neue Aussichten eröffneten sich endlich dadurch, dass Männer des deutschen Adels, die zunächst vom humanistischen Boden aus und zugleich in deutschnationaler Erhebung gegen die römische Verderbnis ankämpften, dem Reformator Luther ihren Schutz und Beistand darboten: Franz von Sickingen liess diesen in den ersten Monaten des Jahres 1520 durch Hutten zu sich einladen. (331) 
33         Schon in unserer Einleitung ist bemerkt worden, wie sehr sich damals die deutsche Reichsritterschaft in ihrer öffentlichen Stellung beengt fühlte und wie viel Stoff der Gährung in ihr lag. Besonders leicht regte sich bei ihr auch Eifersucht und Hass gegen die Geistlichkeit, welche Geld und Grundbesitz zusammenhäufte, während die alten Geschlechtern verarmten, und welche den öffentlichen Lasten sich entzog, während diese teilweis kaum mehr ihren Pflichten mit Steuer und Heerbann zu genügen vermochten. 
34 Damit vereinigte sich die sittliche Entrüstung über die römische Verderbnis und Tyrannei, womit die edlen Herren an die Spitze der Besten im Volke zu treten hofften, -- und weiter jetzt bei sehr begabten Gliedern des Adels der Geist der neuen, freien und edlen Wissenschaften, der eine neue Zeit heraufzuführen sich bewusst war und insbesondere eben dazu sich berufen und befähigt glaubte, jene Ketten zu zerreissenund die Finsternis aus der Kirche zu vertreiben. 
35 Auch das hatte Wahrheit, dass ein deutsch-nationaler Sinn, ein Gefühl gekränkter deutscher Ehre und Rechte und eine Sehnsucht nach neuer Macht und Herrlichkeit der deutschen Nation damals noch am meisten im Ritterstand Ausdruck fand. Die nämlichen Zeiten und Ursachen, welche ihn um seine Geltung im Reich brachten, hatten das Reich innerlich zersetzt und seiner alten Machtstellung in Europa verlustig gehen lassen. 
36 So verblieb jenen auch für den Zerfall des Reichs und die Schmach der Nation ein ganz anderes Gefühl als den Reichfürsten, für welche aus des Reiches Auflösung die wachsende eigne Macht und Selbständigkeit hervorwuchs. Seine eignen Sünden hatte übrigens jener Stand damit noch nicht abgelegt: die Städte klagten nicht minder über Gewaltthaten einzelner Ritter als über Eingriffe grösserer Fürsten; auf der grossen Masse des Landvolks lastete der Druck der kleinen Herren so schwer als der der grossen; mit der alten "Deutschheit", deren vorzügliche Träger nach Hutten noch die Ritter waren, lebte vornehmlich in ihnen auch die alte Untugend fort, die deutsche Freiheit in die individuelle Ungebundenheit und das Recht der Selbsthülfe zu setzen, und während sie das Dahinsinken des Reiches beklagten, konnte sich fragen, ob nicht sie jeder strengeren staatlichen Ordnung überhaupt entgegen sein werden, nach deren Ausgestaltung überall im gebildeten Europa das sittliche Bedürfnis und die geschichtliche Entwicklung hindrängte und deren Boden in Deutschland anstatt des Reiches nun eben die einzelnen Territorien wurden. 
37        In diesem Sinn und Geist suchte damals Ulrich von Hutten an die Spitze seines Standes und der Nation sich zu stellen. Einem altadeligen Geschlecht entstammt und voll stolzen freien Selbstgefühles und Dranges nach Grossthaten, aber ohne alle nennenswerte materielle Macht, um sich Geltung zu verschaffen, bestrebte er sich mit der Gewalt seines Wortes, das er in humanistischer Lektüre übte und ausbildete, die anderen (332) zu begeistern und zu gemeinsamen Thaten und Kämpfen aufzurufen. So hatte er einst den Kaiser Maximilian als das edle Haupt der deutschen Nation bei dessen unglücklichem Krieg mit den das Reich verachteten Venitianern begleitet. 
38 So war er über den Reichsfürsten Herzog Ulrich von Württemberg als mörderischen Tyrannen losgezogen und hatte nachher die Freude, dass dieser wegen seiner Gewaltthaten durch den schwäbischen Bund seines Landes beraubt wurde. Dann richtete er alle Kräfte seines elastischen Geistes und seiner ergiebigen Feder gegen Rom. Er hatte selbst als Knabe und Jüngling den Zwang eines Klosters kennen gelernt, in welchem er erzogen werden sollte und welchem er mit Hülfe des damals in Erfurt studierenden Crotus entfloh. 
39 Von wiederholten Reisen nach Italien brachte er eine reiche Kenntnis aller römischen Missbräuche, Anmassungen und Greuel als Stoff zum Groll und Spott zurück. Auch er war im Jahre 1518 in Augsburg während jenes Reichstages, wo Luther sich dem Cajetan stellen musste. Von dorther entnahm er sich das empörende Witzwort dieses päpstlichen Legaten über die vor der römischen Hierarchie kriechenden Deutschen: "was wir doch zu Rom für Stallknechte haben". 
40 Er rief aus: "Der Würfel ist geworfen". Während in Luther so schwer und langsam die demütige Ehrerbietung vor der römischen Kirche wich, warf er sogleich jede Rüchsicht weg und trieb in seinen Flugschriften mit allen Mitteln des Hohnes und der Entrüstung die Deutschen dazu, das schmächliche Joch fremder Tyrannei abzuschütteln. 
41         Und in seinem Freunde Franz von Sickingen hoffte er nun den Mann gefunden zu haben, der mit dem Willen auch die Mittel hätte, diesen Bestrebungen Bahn zu brechen. Denn das war noch ein Reichsritter, der eine stattliche, in den Reichsangelegenheiten geachtete und vielfach umworbene, von den Feinden gefürchetete Macht und einflussreiche Verbindungen nicht bloss mit Standesgenossen, sondern auch mit dem kaiserlichen Hofe besass. 
42 Mit seiner Macht trat derselbe neuerdings in dennoch immer sich fortziehenden alten Streithandel zwischen Reuchlin und der Mönchspartei ein: er nötigte drohend die Kölner Dominikaner, jenem die Kosten des Prozesses, den sie ihm an den Hals gehängt, zu erstatten. (n332
43         Man hat neuerdings von verschiedenen Seiten darüber verhandelt, ob Hutten und seine Gesinnungsgenossen revolutionäre und hiermit unchristliche Tendenzen gehabt und darein dann auch Luther hineingezogen haben; manche haben hierüber geredet von sehr bestimmten Ideen christlicher Legitimität aus, manche auch ohne über das, was unter Revolution zu verstehen sei, weiter nachzudenken. 
44 Das Verlangen jener Männer ging, was den Umsturz römischer Tyrannei betrifft, jedenfals zunächst dahin, dass der Kaiser mit den deutschen Fürsten und Ständen ein Konzil trotz dem Papst durchsetzen und, wenn dies nicht zu erreichten wäre, Deutschland selbständig sich freimachen sollte. (333) 
45 Das war freilich nach römischer Auffassung schon Revolution und Ketzerei. Innerhalb des deutschen Reiches ist gerade Vertrauen und Liebe zum Kaiser ein eigentümlicher Zug bei ihnen, der sie dann auf demütigende Illusionen geraten liess; die Ritter konnten sich's kaum anders denken, als dass das Kaisertum, wie seine Macht im Reich mit der ihrigen geschwunden war, so auch im Bund mit ihnen sich erheben sollte. Die ganze Reichsverfassung übrigens war in einem Zustand des Übergangs und der Gährung begriffen, der oft schwer sagen liess, wie weit das Recht reichte. 
46 Für den Fall sodann, dass die Vertreter Roms in Deutschland eine Reform auf ordentlichem Weg verhindern sollten, dachten jene Männer ohne Zweifel auch an irgend ein gewaltsames Losschlagen, das die bestehenden Rechtsformen durchbrechen dürfte, und wir werden bei Luther zu beobachten haben, wie er hierzu sich verhielt. Hutten thut auch öfters geheimnisvoll, als ob derartige Anschläge der Geburt nahe wären. Aber von wirklichen positiven Plänen eines grossen revolutionären, oder auch nicht revolutionären Wirkens wissen wir bei ihm nichts. 
47 Die Wittenberger erfuhren ebensowenig davon, und er selbst hat allem nach nichts davon gewusst. Was wir von ihm grosses zu hören bekommen, geht nicht hinaus über litterarische Pläne, wie er sie namentlich mit Crotus zu besprechen hatte, über Einwirkungen, die er auf mächtige Herren, wie Erzbischof Albrecht oder König Ferdinand, auszuüben wünschte, und über ebenso unbestimmt gehaltene, wie hohe und feurige Deklamationen. Das ist das Tragische bei ihm, dass er bei aller patriotischen Gesinnung und rastlosen Thätigkeit es doch nicht weiter weder im Bauen, noch auch im Unstürzen bringen konnte. 
48       Für Luthers Bedeutung nun hatte Hutten anfangs kein Auge, obgleich er 1518 in Augsburg mit ihm zusammentraf und schon vorher wusste, dass auch dieser das Ansehen des Papstes angreife. Er betrachtete ihn wie einen der Mönche und gewöhnlichen Theologen, über deren Streitigkeiten und Zänkereien sein eigner Standpunkt erhaben sei. 
49 Ein Jahr nachher scheint ihn Eoban Hess auf den Wert einer Verbindung mit Luther aufmerksam gemacht zu haben; er ging aber hierauf nicht ein wegen Rücksichten, die er noch auf den Erzbischof von Mainz nehmen wollte. (n333) -- Luther erwähnt Huttens trotz des Eifers, womit dieser in seiner Weise gegen Rom und namentlich auch gegen Kardinal Cajetan schrieb, doch in Briefen und Büchern nie, bis er ihn im Februar 1520 als den Herausgeber jener Schrift Vallas zu nennen hatte, die ihm ein anderer, nämlich Schleupner, mitteilte. 
50       Die Annäherung ging, wie gesagt, von Hutten und Sickingen aus. Hutten schrieb am 20. Januar 1520 an Melanchthon: der Held Sickingen, welcher den Reuchlin von jenen nichtsnutzigen, barbarischen Gegnern befreit habe, lasse jetzt Luther auffordern, zu ihm zu kommen, wenn derselbe widriges zu erdulden und nicht bessere Rettungsmittel anders woher habe; (334) er werde für ihn thun, was er könne. Jener liebe ihn, weil er ihm für einen rechtschaffenen und deshalb von anderen angefeindeten Mann gelte, auch von einem Grafen von Solms ihm empfohlen worden sei. 
51 Hutten fügt bei: er schreibe dies nicht, wie ihn Sickingen beauftragt habe, an Luther selbst, sondern aus vielen dringenden Ursachen an Melanchthon. Er äussert ferner seine und Sickingens Hoffnung, des Kaisers Bruder Ferdinand für sich gewinnen zu können, um welchen Sickingen Vereidnte habe; dann werde es leicht sein, den Gottlosen Angst einzujagen. 
52 Dieser Brief wurde schlecht besorgt und kam wider an Hutten zurück, der ihn dann mit einem zweiten, ähnlich lautenden Schreiben vom 28. Februar an Melanchthon gehen liess. Wiederholt versicherte er, dass Luther bei Sickingen sicher wäre und seiner Feinde spotten könnte. Bald nachher haben wirklich mehrere reformatorisch gesinnte Männer bei ihm auf seiner Burg Ebernburg in der Pfalz eine ruhige Zufluchtsstätte gefunden. -- 
53 Auch Crotus, der an Ostern jenes Jahres  in Bamberg mit Hutten zusammengetroffen und durch ihn von Sickingens Anerbieten an Luther in Kenntnis gesetzt worden war, ermahnte diesen in seinem Briefe vom 28. April angelegentlich, dasselbe ja nicht gering zu achten; Luthers Gegner seien auf nichts so sehr aus, als darauf, ihm den Kurfürsten Friedrich zu entfremden, damit er bei den verachteten Böhmen Schutz suchen müsse; bei Sickingen werde er Ruhe, ein "theologisches Haus", Bedienung, Nahrung, Schutz vor Nachstellungen und alles sonst zum Leben nötige reichlich finden. -- 
54 Am 11. Mai erhielt Luther auch eine Botschaft von dem fränkischen Ritter Silvester von Schaumburg oder Schauenburg,  welcher ihm bis dahin, dass seine Sache seiner Appellation gemäss durch ein Konzil oder unverdächtige Richter entschieden werde, gleichfalls Schutz gegen Verfolgungen zusagte; ja Silvester hoffte, wie er am 11. Juni schrieb, die Hülfe von hundert Adeligen aufbringen zu können. (n334
55        Diese Mitteilungen also gelangten an Luther gerade nachdem jene Folgen, welche sein Sermon vom Abendmahl mit der Äusserung über den Laienkelch für ihn hatte, ihn aufs neue an einen Weggang oder eine Ausweisung aus Sachsen hatte denken lassen und während Melanchthon den Untergang für sie beide fürchtete. Wir kennen die Antworten beider nicht. Wir wissen nur, dass beide etwa in den ersten Tagen des Mai an Hutten schrieben und dass am 31. Mai Luther einen weiteren Brief an Hutten und einen an Sickingen durch Spalatins Vermittlung abgehen liess. (n334a
56        Nach Cochläus, dem späteren erbitterten Gegner Luthers, hat dieser einmal brieflich gegen Hutten geäussert, dass er auf Sickingen mehr Vertrauen und grössere Hoffnung setze als auf irgend einen Fürsten unter dem Himmel. Cochläus, der diese Angabe freilich erst später und in feindselicher Absicht gegen Luther gemacht hat, konnte in jener Zeit doch richtige Kenntnis (335) von solchen Worten Luthers erhalten; denn er stellte sich damals auch noch zu einem Hutten freundlich als Genosse im Humanismus. Die Äusserung mag so in einem der erwähnten Briefe gestanden haben. Indessen wissen wir nichts Näheres über ihr Datum und ihren Zusammenhang. (n335
57        Luther fühlte sich jedenfalls durch den Bund, welchen solche Vertreter der deutschen Ritterschaft mit ihm schliessen wollten, gehoben, bestärkt, zum festen Voraufschreiten auf der eignen Bahn ermuntert. Es war sein eigner selbständiger Gang, den er auch jetzt weiter verfolgte; sowie andererseits jene in ihrer eignen Entwicklung dahin gekommen waren, die Bedeutung seiner Person und seines Wirkens zu erkennen. Schon zuvor war ja bei ihm, dem in sich gekehrten Mönch und Theologen, der immer wieder in die Stille sich zurücksehnte, unter den Erfahrungen, die er machte, nur um so heftiger jener Geist des Kampfes, der vor keiner Erschütterung und Gefahr mehr zurïckschreckt, zum Ausbruch gekommen. 
58 Er war es ferner, der schon bisher die christlichen Laien für Priester erkannte und einem unchristlich gewordenen kirchlichen Priestertum gegenüber an sie mit seinem Wort sich wandte. Wir sahen, wie auch schon das nationale Bewusstsein bei ihm im kirchlichen Kampfe mitzusprechen begann und wie er des Widerstands der deutschen Reichsstände gegen Rom sich freute: er nannte sie Laientheologen, deren Beispiel er folgen wolle. 
59 Aber etwas Neues, Grosses, göttlich Gefügtes war es für ihn, dass eben jetzt, wo seine äussere Lage am bedenklichsten erschien, so gewichtige Herren aus dem Laienstand ihm wirklich die Hand boten. Schon in Äusserungen aus dem Monat Mai, die wir oben von ihm hörten, werden wir Eindrücke hiervon erkennen dürfen: da sprach er in seinem Sermon von guten Werken aus, dass Fürsten, Adel und Gemeinden einen "Einbruch machen" möchten (oben S. 311= 3,9#101). Die schöne Hoffnung erwachte ih ihm, dass wirklich der ganze weltliche Stand zum christlichen Kampf sich erhebe. Kurz darauf schrieb er jene Worte gegen Prierias vom gewaltsamen Einschreiten der Fürsten wider die römische Rotte. (epitom2#19) (3,10#78) (k59) 
60      Am 4. Juni wandte sich dann Hutten auch direkt -- so viel wir wissen zum erstenmal -- mit einem Brief an ihm. Er bezieht sich darin zuerst auf ein Unternehmen, mit welchem Luther umgehe und welches damals irgend eine Hemmung erfahren zu haben schien. Weiter sagt er: Christus sei mit uns, da wir ja seine Lehre wieder ans Licht bringen: Du glücklicher, ich nach Kräften; möchten doch alle so gesinnt sein oder auf den rechten Weg zurückkehren; es heisst, Du seiest in Bann gethan; wie gross bist Du, o Luther, wie gross, wenn das wahr ist! denn alle Frommen werden von Dir sagen: sie rüsten sich wider die Seele des Gerechten, -- aber der Herr wird ihnen ihr Unrecht vergelten (Psalm 95,21.23); dies sei unsere Hoffnung, dies unser Glaube!
61  Eck ist aus Rom zurückgekehrt, -- was nun? der Gottlose rühmet sich seiner Wünsche (Ps. 10,3), (336) uns leite der Herr in seiner Wahrheit, darum wollen wir hassen die Gemeinde der Boshaften und nicht sitzen bei den Gottlosen (Ps. 26,5)! Du aber sieh um Dich und hab Acht auf jene mit Aug' und Geist; Du siehst, wenn Du jetzt dahin fällst, welch ein Schaden es fürs Gemeinwesen ist; denn was Dich anbelangt, so weiss ich, Du bist des Sinnes, dass Du lieber also sterben möchtest, als wie nir [wir] immer leben; auch mir stellt man nach: ich werde mich vorsehen, so weit es zulässig ist; kommen sie mit Gewalt, so werden ihnen Kräfte entgegenstehen, die ihnen, wie ich hoffe, nicht bloss gewachsen, sondern überlegen sind; -- Du sei stark, -- doch was ermahne ich, wo es nicht not thut? an mir hast Du für alle Fälle einen Anhänger, darum mögest Du auch alle Deine Vorhaben mir künftig anzuvertrauen wagen; verfechten wir die gemeine Freiheit, befreien wir das lange geknechtete Vaterland! Gott haben wir auf unsere Seite: ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?" --
62 Wir sehen, bis jetzt wenigstens wusste Hutten nichts davon, dass Luther von dem Anerbieten Sickingens Gebrauch machen wollte. Seine Hauptsorge war, dass Luther vielmehr willig Märtyrer werden möchte: er hält ihm seine eigne Vorsicht und Bereitschaft wider gewaltsame Angriffe entgegen. Er weiss ferner, dass er als ein Genosse Luthers die biblische Sprache zu reden, beim Kampf mit Rom vor allen für Christi Lehre einzutreten, beim Eifer gegen die Gottlosen vor allem ihre Bekehrung zu wünschen hat; und er bekennt, in solchem Kampf sei Luther glücklicher: (n336
63         Was nun aber jenes Unternehmen Luthers anbelangt, auf das der Brief sich bezog, so liegt für uns am nächsten der Gedanke an eine solche  grosse Kundgebung Luthers wie dieser sie dann gleich darauf in seinem grossen an den Adel gerichteten Aufruf zur Reform der Kirche durch die gemeine Christenheit erlassen hat. 
64 Dahin ging auch der Wunsch der adeligen Freunde. Eben an sie wird zu denken sein, wenn Melanchthon nachher äussert: Luther sei zu jener Schrift von gewissen Männern ermuntert worden, auf welche er und Luther viel Gewicht legen. (n336a
65       Luther nahm die von ihnen dargebotene Hand an, ja stellte sich mit seinem Wort an ihre Spitze. Im ganzen Umfang und ohne weitere Rücksichten wollte auch er jetzt einmal alle jene "Nichtwürdigkeiten" des römischen Regiments, über welchen ein Hutten loszog, der Christenheit insgemein vorlegen und die Laien zur Abhülfe aufrufen. Auch er wollte dies vornehmlich dem Adel zum Recht und zur Pflicht machen. 
66 Dazu teilte er und so auch Melanchthon mit redlichem warmen Herzen vor allem jene Hoffnungen auf den Kaiser; ja diese haben bei ihnen, die auch keine Ahnung von der wirklichen Lage der Dinge hatten, etwas rührend Naives. So wünscht Luther in einem Brief an Spalatin, während er seine Schrift an den Adel ausarbeitete (am 13. Juni): "der Herr gebe dem Kaiser (337) Karl seinen Geist zum Wachstum in der Wahrheit wider den Feind der Wahrheit, Rom". 
67 Hutten, der seine günstigen Erwartungen ohne Zweifel mit mehr Reflexion auf die politische Stellung Karls V. zum Papst und auf eine gewisse Liebe seines Bruders Ferdinand zu den edlen Wissenschaften baute, war gerade damals im Begriff, eine Reise zum letzteren nach den Niederlanden zu machen, mit der er dann sehr schlechten Erfolg hatte; da schrieb Melanchthon (den 8. Juni) an den Breslauer Hess: "Hutten reist zu des Kaisers Bruder, um durch die höchsten Fürsten der Freiheit einen Weg zu bahnen; was dürfen wir also nicht hoffen?" (n337
68        Unter solchen Unständen und Voraussetzungen schritt Luther zu jener Kundgebung. Ob und wie er auch  in ihr seinen eignen Standpunkt gewahrt hat, muss ihr Inhalt zeigen. 
69 Videre til Kapitel 12. 
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Noter:

n326:  Crotus, Hess: Hitt. 1, 307 sqq. Br. 1, 373. 441. Meine Biographie des Hess: Zeitschr. d. hist. Vereins für Schlesien B. 6 S 98ff. B. 12 H. 2. Herz. Enc. 19, 639ff. 2. Aufl. 6,61ff. -- Theol. Arb. d. rhein. Pred. Vereins a. a. O. -- Br 1, 465 C. 3 155 Hutt. 1, 309. 337. Br. 1, 417 Hutt. 1, 340. 465. W. W. 15, 1943. -- Kolde, Friedrich S 19f. -- Kolde, Anal. 9: Hess 9. Nov. 1519 an Lange aus Nürnberg, wohin er aus Italien zurückgekehrt ist.
n327:  Br 1, 240. Über die erste Huttensche Ausgabe der Schrift des Valla (1518?): Hutt. 1, Ind. Bibl. p. 18- Plitt, Einl. i. d. Aug. 1,181. -- Falsch Kampsch. Erfurt 2, 75: die Vorstellung vom Papst als Antichrist sei bei Luther durch die Leutüre jener Schrift hervorgerufen worden; vgl oben S. 237 = 6#18.
n328:  Br 1, 140. 188. Gal 3,133sqq. Br 1, 333. Waltz a. a. O. S. 240ff.
n329:  Hutt. 1, 337sqq. -- Krafft S. 15 (Crotus 5. Jan. aus Bologna).
n330:  Gal. 3, 135. Br 1,335. 445. Op. 4, 190. -- C. R. 1 205. Hutt. 1, 362. -- Kampsch. Erf. 2,31f. -- Hutt 1, 341.
n330a:  Erzb. Albrecht: May a. a. O. 291ff. Beilagen S. 82 ff. 115. ff. Thurzo: Br. 1 472. 524. C. R. 1, 209; m. Biogr. d. Hess a. a. O.
n 332:  Hutten: Strauss, U. v. Huggen. Sickingen: Ulmann: Fr. v. Sickingen 1872. -- Vorreiter, Luther im Ringen mit den antichristl. Prinzipien der Revolution. -- Vgl. auch Butzer, bei Krafft S. 18.
n333:  Hutt. 1, 167. 216. 313.
n334:  Hutt 1, 320. 324. 338 sqq. C. R. 1, 131, 147. -- Br. 1, 448 vom 13. Mai. Hiernach hat Luther 2 Tage zuvor "nuntium" von Schaumburg erhalten. Am 10. Juli (Br. 1, 465) übersendet er dem Spalatin einen jetzt erst an ihn gelangten Brief Schaumburgs, welches ohne Zweifel der v. 11. Juni WW 15, 1942 f. Bk. 29 ist; in diesem aber redet Schaumburg, wie wenn er jetzt zum ersten Mal mit jenem Anerbieten sich an ihn wendete. Hiernach kann jene Botschaft im Mai nur eine mündliche gewesen sein (Schaumburg empfahl damals seinen Sohn dem Melanchthon).
n334a:  Br. 1, 445. 451.
n335:  Cochl. p. 86b (Waltz, Sybel hist. Zeitschr. B. 31 S. 189 redet von dem Brief als einem uns erhaltenen, ohne anzugeben wo er erhalten ist; denn Cochl. hat nur jenen Einen Satz).
n336:  Hutt. 1, 335sqq. Huttens Brief v. 4. Juni kam wohl erst im Juli nach Wittenberg und wurde dann von Melanchthon C. R. 1, 263 dem Spalatin zugeschickt: dass dieses Schreiben an Spal. in den Juli fällt, sieht man aus dem, was Mel. über seine Gehaltserhöhung sagt und aus seiner noch sehr zarten Hindeutung auf seinen möglichen Eintritt in den Ehestand, vgl. Br.1, 459. 471.
n336a:  C. R. 1, 211.
n337:  Br. 1, 454. C. R. 1. 201.

Kommentar:

k59:  Man kan undre sig lidt over, at Köstlin ikke gør opmærksom på den rettelse eller præcisering, Luther senere i sit skrift mod Emser kommer med. (lutems05#44). Her hævder han, at kravet om anvendelse af vold ikke er noget krav, det står i en betingelsesbisætning: Hvis vi brænder kættere, så skulle vi da meget snarere brænde paven og hele hans slæng. Det ville godt nok ligne Luther dårligt at sno sig fra en opfattelse, han tidligere har givet udtryk for, men det forekommer mig ikke desto mindre, at denne forklaring kun gælder epitom2#21 og ikke epitom2#19.